Meditation ist nicht, was Sie denken. Jon Kabat-Zinn

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Meditation ist nicht, was Sie denken - Jon Kabat-Zinn

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irgendeinem anderen Forschungsbereich.

      Um sich dieser Herausforderung zu stellen, nahm der Buddha es auf sich – und mit ihm all jene, die in seine Fußstapfen traten –, tiefschürfende Fragen im Hinblick auf das Wesen des Geistes und die Natur des Lebens zu erforschen. Ihre gemeinsamen Bemühungen der Selbsterforschung führten zu bemerkenswerten Entdeckungen. Es gelang ihnen, eine genaue Kartografie jenes Territoriums zu erstellen, das die Quintessenz des menschlichen Daseins ist. Es ging dabei um Aspekte des Geistes, die uns allen gemein sind, unabhängig von unseren individuellen Gedanken und Überzeugungen und der Kultur, in der wir leben. Sowohl die Methode, die sie benutzten, als auch die Früchte dieser Forschungsarbeit sind universell und haben nichts mit Ismen, Ideologien, Religionen und anderen Glaubenssystemen zu tun. Was sie entdeckten, ist eher mit medizinischen oder naturwissenschaftlichen Einsichten vergleichbar, also mit Bezugssystemen, die jedermann an jedem Ort untersuchen kann. Ein jeder kann sie unabhängig von anderen für sich selbst auf die Probe stellen, was der Buddha seinen Anhängern von Anfang an auch nahelegte.

      Weil ich Achtsamkeit praktiziere und lehre, mache ich immer wieder die Erfahrung, dass die Menschen mich für einen Buddhisten halten. Wenn man mich danach fragt, sage ich für gewöhnlich, ich sei kein Buddhist (auch wenn ich ab und an auf Retreats mit buddhistischen Lehrern praktiziere und für einige buddhistische Traditionen und Praktiken großen Respekt und Zuneigung empfinde). Ich bin vielmehr ein Schüler, der sich mit eifrigem Interesse der buddhistischen Meditation widmet, und zwar weniger, weil ich per se ein Anhänger des Buddhismus wäre, sondern weil ich seine grundlegenden Lehren und Praktiken als so tiefgründig, universell anwendbar, erhellend und heilsam erfahren habe.* Das fand ich während der vergangenen fünfzig Jahre beständiger Praxis nicht nur in meinem eigenen Leben bestätigt, sondern auch bei vielen anderen Menschen, mit denen ich im Center for Mindfulness und dem globalen Netzwerk von MBSR-Lehrern zusammenarbeiten und praktizieren durfte. Und immer wieder bin ich zutiefst von Menschen berührt und inspiriert – Lehrern oder Nichtlehrern, Leuten aus dem Osten oder aus dem Westen –, die in ihrem eigenen Leben Weisheit und Mitgefühl verkörpern, beides zentrale Inhalte der buddhistischen Lehren und Praktiken.

      Für mich ist die Praxis der Achtsamkeit im Grunde eine Liebesgeschichte, und zwar mit dem Grundlegendsten im Leben: mit dem, was ist, mit dem, was man „die Wahrheit“ nennen könnte (die für mich die Schönheit, das Unbekannte und das Mögliche einschließt), mit dem, wie die Dinge wirklich sind. Und das alles eingebettet ins Hier, in diesen Augenblick (denn es ist alles bereits da), und gleichzeitig ins Überall. Denn hier kann tatsächlich überall sein. Achtsamkeit ist zudem immer jetzt, denn wie wir bereits festgestellt haben und immer wieder feststellen werden: Nur diese eine Zeit, das Jetzt, gehört uns.

      Hier und jetzt, überall und immer, das gibt uns viel Raum zur Zusammenarbeit, zumindest wenn Sie interessiert und bereit sind, die Ärmel hochzukrempeln und die Arbeit des Zeitlosen zu tun, die Arbeit des „Nichttuns“, die Arbeit des Gewahrseins, das Ihrem eigenen Leben innewohnt, so wie es sich von Moment zu Moment entfaltet. Es ist in der Tat sowohl eine zeitlose Arbeit als auch die Arbeit eines ganzen Lebens.

      Keine Kultur und keine Kunstform hat ein Monopol auf die Wahrheit oder die Schönheit, auch wenn sie noch so große Worte dafür findet. Doch finde ich es sinnvoll und aufschlussreich, bei der besonderen Erkundung, die wir auf diesen Seiten und in unserem Leben unternehmen wollen, einen Blick auf das Werk jener außergewöhnlichen Menschen auf unserer Erde zu werfen, die sich der Poesie als Sprache des Herzens und des Geistes widmen. Die größten Dichter haben sich – so wie die größten Yogis und Lehrer der meditativen Traditionen – einer tiefen inneren Erforschung des Geistes und der Begrifflichkeiten sowie der engen Beziehungen zwischen inneren und äußeren Landschaften gewidmet. Es ist in den meditativen Traditionen in der Tat keine Seltenheit, Augenblicke der Erleuchtung und Einsicht mittels Poesie zum Ausdruck zu bringen. Yogis und Dichter sind unerschrockene Erforscher dessen, was ist, und wortgewandte Hüter des Möglichen.

      Die Perspektive, die uns große Poesie eröffnet, hat wie jede authentische Kunst das Potenzial, unsere Sehfähigkeit zu verbessern. Noch wichtiger ist jedoch, dass sie uns in die Lage versetzen kann, die Dringlichkeit und Bedeutsamkeit unserer eigenen Situation, unserer eigenen Psyche, unseres Lebens deutlicher wahrzunehmen, und zwar indem sie uns hilft zu verstehen, wohin die Meditationspraxis unsere Aufmerksamkeit lenken will, damit wir hinschauen und sehen, wofür wir uns öffnen und, am allerwichtigsten, was wir dadurch fühlen und erkennen können. Alle Kulturen und Traditionen dieser Erde bringen Poesie hervor. Man könnte sagen, die Dichter sind und waren schon immer die Hüter des Gewissens und der Seele des Menschseins. Oft bringen sie Aspekte einer Wahrheit zur Sprache, die zu beachten und zu kontemplieren sich lohnt. Alle Poeten, ob aus Nord-, Mittel- oder Südamerika, aus China, Japan, Europa, der Türkei, Persien, Indien oder Afrika, gleich, ob christlich, jüdisch, islamisch, buddhistisch, hinduistisch oder jainistisch, animistisch oder klassisch, weiblich, männlich oder transidentitär, antik oder modern, heterosexuell, schwul oder lesbisch – sie alle halten unter den richtigen Umständen, nämlich dann, wenn wir offen und uns selbst wirklich nah sind, eine geheimnisvolle Gabe für uns bereit. Sie geben uns eine neue Perspektive, aus der heraus wir jenseits unserer jeweiligen Zeit und Kultur auf uns selbst blicken und uns erkennen können. Sie bieten uns etwas Grundlegenderes und Menschlicheres an als das, was wir bereits erwarten oder kennen. Eine solche Perspektive ist vielleicht nicht immer bequem. Manchmal kann sie sogar ausgesprochen aufrüttelnd und verstörend sein. Und vielleicht ist es gerade Poesie dieser Art, die wir eine Weile auf uns wirken lassen sollten, weil sie das gesamte, sich stets verändernde Spektrum von Licht und Schatten offenbart, das ständig über die Leinwand unseres Geistes huscht und die untergründigen Strömungen unseres Herzens bewegt. In ihren besten Momenten bringen Dichter das eigentlich Unaussprechliche zum Ausdruck. In solchen Momenten werden sie durch eine geheimnisvolle Gnade der Muse und des Herzens zu Meistern der Worte jenseits aller Worte. Das Unaussprechliche, um das sie gerungen, dem sie eine Gestalt verliehen haben und auf das sie uns hinweisen, wird nicht zuletzt dadurch lebendig, wie wir ihre Gedichte auf uns wirken lassen. Poesie erwacht dann zum Leben, wenn wir sie beim Lesen und Hören wirklich berühren und uns berühren lassen, wenn wir mit all unserer Feinfühligkeit und Intelligenz bei jedem Wort verharren, bei allem, was es in uns auslösen mag, bei jedem Atemzug, den wir dabei machen, bei jedem Bild, das kunst- und klangvoll evoziert wird und jenseits aller Künstlichkeit zu uns selbst und zu der Wirklichkeit der Dinge zurückbringt.

      Aus diesem Grund werden wir auf unserer gemeinsamen Reise durch diese vier Bände gelegentlich innehalten, um in solche Wasser der Klarheit einzutauchen. Dabei werden wir uns von dem unvermeidlichen Streben der Menschheit nach Selbsterkenntnis berühren lassen, dem manchmal von Erfolg gekrönten Verlangen, sich an ihr tieferes Wissen zu erinnern, und in einem zutiefst freundlichen, großzügigen und mitfühlenden Akt (auch wenn dieser kaum je zu diesem Zweck unternommen wird) auf mögliche Wege der Vertiefung unseres Lebens, unseres Sehens und unseres Fühlens hinzuweisen. Dadurch werden wir vielleicht mehr wertschätzen, ja zelebrieren, wer und was wir sind und werden könnten.

       Mein Herz erhebt sich,

       gedenkt, dir Neuigkeiten zu bringen

       von etwas,

       das dich angeht

       und das viele Menschen angeht. Sieh dir doch an,

       was heute als Neuigkeit durchgeht.

       Dort wirst du es nicht finden, vielmehr in

       missachteten Gedichten.

       Es ist nicht leicht,

       aus Gedichten die Neuigkeiten zu erfahren,

       und doch sterben täglich Menschen kläglich

      

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