Ein Quantum Zeit. Volkmar Jesch

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Ein Quantum Zeit - Volkmar Jesch

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Die unzähligen Lichtpunkte hatten ihren Ursprung tief im Zentrum der Lampen, die an der Holzdecke über dem Tresen angebracht waren. Doch für dieses Naturschauspiel hatte der Barkeeper keine Sensoren, er konzentrierte sich auf die perfekte Verteilung von Bier und Schaum im Glas.

      »Wahrscheinlich wird es die nächsten Tage besser«, antwortete Jean Maraux und nippte an seinem Rotweinglas. »Aber ist es nicht wirklich verrückt? Wir versuchen eines der letzten Geheimnisse der Natur zu entschlüsseln, haben hierfür enorm leistungsfähige Computer mit optimal programmierter Software zur Verfügung, kurzum wir arbeiten mit modernster Technik an einem der spannendsten Experimenten auf unserem Planeten, und dann kommt uns dieser Planet ständig in die Quere.«

      »Es sind einfach zu viele Komponenten, die Einfluss auf unser Experiment haben«, warf Steinberg ein.

      »Also müssten wir nur die Einflussfaktoren reduzieren«, sagte sein Gegenüber.

      »So einfach ist das aber nicht«, war die Antwort. »Man muss auch Demut vor der Natur haben.«

      So philosophierten und fachsimpelten sie noch eine Weile, bevor auch sie ins Bett gingen.

      Ortswechsel

       Die Wartezeit, die man bei Ärzten verbringt,

       würde in den meisten Fällen ausreichen,

       um selbst Medizin zu studieren.

       Dieter Hallervorden, Kabarettist

      Sie wachte auf. Es war Morgen oder das, was die Schwester als Morgen bezeichnete, wenn sie um 6:00 Uhr durch die Zimmer ging, einen »Guten Morgen« schmetterte und die Vorhänge zurückzog. Lea war sofort hellwach. Allerdings fiel ihr gleich wieder die trostlose Lage ein, in der sie sich befand. Eigentlich sollte sie sich jetzt in ihrem Chalet-Bett am gebuchten Urlaubsort räkeln und die herrlichen Pulverschnee-Abfahrten des Vortages Revue passieren lassen. Sie hatte Urlaub! Und jetzt lag sie schon den zweiten Tag in einem Krankenbett. Zu allem Überfluss schmerzte ihre rechte Schulter.

      Nach dem Frühstück, das sie im Bett einnahm, musste sie sich diversen Untersuchungen unterziehen. Sie wurde von einer Sektion in die nächste geschickt. Zunächst wurde ihr wieder Blut abgenommen. Danach wurde sie geröntgt. Später wurde eine MRT-Untersuchung des Halswirbelbereichs und, weil sie dort Schmerzen hatte, auch der rechten Schulter einschließlich des Oberarms durchgeführt.

      Das Personal war zuvorkommend, aber sie musste in mehrere Abteilungen und zwischendurch immer wieder warten. Schrecklich. Irgendwie mochte sie Krankenhäuser nicht, na gut, wer mag schon Krankenhäuser. Dazu nervte diese Warterei, die man nicht abkürzen konnte. Dieses sinnlose Herumsitzen in der Erwartung der nächsten Untersuchung. Langweilig, als ob man seine Zeit nicht hätte besser nutzen können.

      Zeit? Das war das Stichwort. Wenn man wenigstens die Zeit manipulieren könnte, sodass der Aufenthalt im Wartezimmer schnell vorbeiging. Wie anders hatte sie doch gestern Nachmittag die Zeit empfunden. Komisch, diese unterschiedliche Zeitwahrnehmung. War das die Relativität der Zeit? Sie dachte an den vorherigen Abend, als ihr Besucher erzählt hatte, wie Einstein das Thema erklärte. Sie fand es jetzt eher lustig. Einstein musste Humor gehabt haben.

      Nachdem sie gründlich durchgecheckt worden war, erklärte ihr der Chefarzt, der seinen schweizerischen Akzent nicht verleugnen konnte, dass man bislang keine ernsthaften Verletzungen habe feststellen können, auch nicht an der Wirbelsäule oder am Nacken, die beide häufig bei Auffahrunfällen in Mitleidenschaft gezogen würden. Eine Gehirnerschütterung habe sie nicht. Allerdings habe er noch nicht alle Daten der Untersuchungen erhalten. Die Schulter müsse noch untersucht werden. Der Orthopäde komme morgen aus dem Urlaub zurück. Sie müsse aber nicht im Bett bleiben, dürfe aufstehen oder spazieren gehen. Sie könne sich auch hier erholen.

      Der Orthopäde macht Urlaub, und ich liege hier herum, schoss es ihr durch den Kopf. Sie sträubte sich. Sie wollte sich ihrem Schicksal nicht fügen. So etwas gibt es doch gar nicht, dachte sie und stellte fest, wie sehr sie das gestrige Gespräch bereits verinnerlicht hatte.

      »Ich möchte jetzt nicht Tage im Krankenhaus verbringen«, sagte sie. »Diese ganze Atmosphäre hier ist mir zuwider. Weiße Betten, weiß gestrichene Zimmer, alles riecht so steril, überall nur Patienten, das macht einen doch erst richtig krank.«

      Der Chefarzt, der höchstens einen Meter sechzig groß war, lächelte. Sie machte es ihm einfacher, als er gedacht hatte. »Sie sind nach diesem Unfall nur eingeschränkt reisetauglich. Sie müssen sich wirklich erholen. Wenn Sie diese ›Krankenhaus-Atmosphäre‹ nicht mögen, was ich nachvollziehen kann, mache ich Ihnen einen Vorschlag.

      Sie müssen nicht unbedingt in der Klinik bleiben, damit wir Sie weiter untersuchen können. Der Klinik ist ein Sanatorium angeschlossen, eigentlich ist es mehr ein Hotel, das über eine größere medizinische Abteilung verfügt. Dorthin könnten wir Sie verlegen. Ich halte diesen Schritt für medizinisch zweckmäßig, da Sie Ruhe brauchen und wir eine möglicherweise notwendige ärztliche Behandlung auch so sicherstellen können. Ich halte dort auch Sprechstunden ab. Da eine Zulassung als Sanatorium vorliegt, übernimmt die Krankenkasse die Kosten, jedenfalls zu einem großen Teil.

      Das Ganze ist nur einige Kilometer von hier entfernt, aber weiter oben auf dem Berg. Wir haben mehrere Aufenthaltsräume und natürlich eine große Sonnenterrasse mit Blick auf die Berge. Dort können Sie sich auch die Urlaubsbräune holen, wenn Sie wollen. Die überwiegende Anzahl der Gäste sind Hotelgäste, die ihren Urlaub nutzen, um sich einmal gründlich medizinisch durchchecken zu lassen.«

      Endlich. Ein Lichtblick. Noch vor ein paar Minuten sah die Welt grau in grau aus, und nun machte man ihr einen wirklich akzeptablen Vorschlag. Sie überlegte kurz und sagte zu, vorbehaltlich der Frage, ob ihr das angebotene Zimmer auch wirklich gefallen würde.

      Sie wurde auf den Berg gefahren. Schnell waren alle Formalitäten geklärt, und sie konnte ihr wirklich schönes, neues Zimmer, eigentlich ein kleines Appartement, beziehen. Im Eingangsflur standen ein großer Wandschrank und ein Ganzkörperspiegel. Nach links ging es zu einem komfortablen Bad mit separater, ebenerdig eingebauter Dusche sowie einem breiten Waschbecken, und geradeaus ging es zu ihrem Wohn-/ Schlafzimmer. Die Wände waren in zartem Ockergelb gestrichen, es hingen mehrere Bilder an der Wand, vornehmlich Motive aus den Bergen. Es war eine bunte Gardine aufgezogen. Neben einem Bett mit akzeptabler Matratze stand ein großer Wohnzimmertisch mit zwei Sesseln. Auf dem Tisch blühte ein Strauß Blumen. Sie hatte sogar einen kleinen Balkon mit einem wunderbaren Blick auf die umliegenden Gipfel. Das Chalet in den Bergen hätte vermutlich eine schlechtere Ausstattung gehabt.

      Sie ließ sich eine Kartoffelsuppe mit Würstchen auf ihr Zimmer bringen. Nach dieser erneuten Veränderung brauchte sie etwas Deftiges. Sie wollte auch ein wenig allein sein. Die Suppe schmeckte ausgesprochen gut.

      Sie stellte ihr Smartphone wieder an. Zahlreiche Freunde hatten versucht, sie telefonisch zu erreichen. Natürlich wollten sie etwas mehr über ihren Zustand erfahren, als sie mit einer kurzen SMS hatte übermitteln können.

      Doch zunächst rief sie die Kraftfahrzeugversicherung an und unterrichtete sie über den Unfall. Die Sachbearbeiterin notierte die Daten und kündigte einen Unfallbogen an, den sie auszufüllen hatte. Ob man ihr den Bogen per E-Mail zusenden könnte? Sie lehnte brüsk ab und verwies darauf, dass sie in einem Sanatorium liege und sich sowieso nicht mehr an die Einzelheiten des Unfalls erinnern könne.

      Von der schriftlichen Darstellung des Unfallhergangs könne man sie nicht entbinden, sagte die Sachbearbeiterin leicht pikiert und kündigte an, das Formular an ihre Heimatadresse

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