Der Weg des Psychonauten – Band 2. Stanislav Grof
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Die Synchronizität besitzt in der quantenrelativistischen Physik eine große theoretische Bedeutung aufgrund wichtiger Experimente, die darauf hinzudeuten scheinen, dass das Universum »radikal nicht-lokal« sein könnte. Dies verdient einen kurzen Abstecher in die Geschichte dieser Disziplin. Albert Einstein, dessen Arbeit die Entwicklung der Quantenphysik in Gang gesetzt hatte, zeigte zeitlebens großen Widerstand gegen die Idee der fundamentalen Rolle der Wahrscheinlichkeit in der Natur. Er brachte dies in seiner berühmten Aussage »Gott würfelt nicht« zum Ausdruck. Um zu zeigen, dass Niels Bohrs Interpretation der Quantentheorie falsch war, entwarf Einstein ein Gedankenexperiment, das später als Einstein-Podolsky-Rosen-Experiment (EPR-Experiment) bekannt wurde. Ironischerweise diente dieses Experiment einige Jahrzehnte später als Grundlage für John Bells Theorem, welches beweist, dass das kartesianische Konzept der Realität mit der Quantentheorie unvereinbar ist (BELL 1966, CAPRA 1975).
Die vereinfachte Version des EPR-Experiments handelt von zwei Elektronen, die sich in entgegengesetzter Richtung drehen, sodass ihr Gesamtspin gleich Null ist. Sie werden auseinander bewegt, bis der Abstand zwischen ihnen makroskopisch wird; ihre jeweiligen Spins können dann von zwei unabhängigen Beobachtern gemessen werden. Die Quantentheorie sagt voraus, dass in einem System aus zwei Teilchen mit einem Gesamtspin von Null die Spins entlang jeder Achse immer korrelieren, also gegenläufig sind. Vor der eigentlichen Messung kann man nur von Spin-Tendenzen sprechen. Nach der Messung verwandelt sich dieses Potenzial jedoch in Gewissheit.
Der Beobachter ist frei in der Wahl der Messachse, die unmittelbar den Spin des anderen Teilchens bestimmt, das tausende von Kilometern entfernt sein kann. Nach der Relativitätstheorie kann sich kein Signal schneller als das Licht bewegen, und folglich sollte diese Situation prinzipiell unmöglich sein. Die augenblickliche, nicht-lokale Verbindung zwischen diesen Teilchen kann also nicht durch Signale im Sinne Einsteins vermittelt werden; diese Art der Kommunikation geht über das herkömmliche Konzept der Informationsübertragung hinaus. Ursprünglich sollte das Gedankenexperiment von Einstein die Quantentheorie widerlegen, doch eine Reihe von Experimenten hat inzwischen bestätigt, dass die Teilchen verschränkt bleiben. Das Bellsche Theorem konfrontiert die Physiker mit einem unangenehmen Dilemma; es legt nahe, dass die Welt entweder radikal nicht-lokal durch superluminale Verbindungen vermittelt wird oder objektiv nicht real ist.
Jung veröffentlichte seinen Essay über Synchronizität im Eranos-Jahrbuchvon 1951; Wolfgang Paulis Artikel über ein verwandtes Thema erschien in der gleichen Ausgabe. Jungs Essay über Synchronizität und Paulis Studie über den Einfluss des Sonnen-Archetyps auf das Werk von Johannes Kepler wurden oft in ein und demselben Band veröffentlicht. Es ist interessant, dass in Paulis Leben immer wieder Synchronizitäten auftraten. Physikalische Instrumente versagten zum Beispiel sehr häufig, wenn er sich im Gebäude aufhielt. Der Astronom George Gamow nannte dies den Pauli-Effekt. Er wurde scherzhaft als das zweite Paulische Ausschließungsprinzip bezeichnet, demzufolge »ein funktionierendes Gerät und Wolfgang Pauli nicht den gleichen Raum einnehmen dürfen«. Pauli selbst war überzeugt, dass der nach ihm benannte Effekt echt sei. Er korrespondierte darüber mit dem deutschen Parapsychologen Hans Bender und sah diesen Effekt als ein Beispiel für Synchronizität.
Jung war sich bewusst, dass seine eigenen Beobachtungen vor dem Kontext des sich abzeichnenden neuen Realitätsverständnisses weitaus plausibler und akzeptabler schienen. Zusätzliche Unterstützung für Jungs Ideen kam von keinem Geringeren als Albert Einstein, der Jung bei einem persönlichen Besuch ermutigte, seine Idee der Synchronizität weiterzuverfolgen, da sie mit den neuen Entdeckungen in der Physik vollständig kompatibel sei. Seit der Veröffentlichung von Jungs Essay über Synchronizität hat dieses Konzept in der Wissenschaft zunehmend an Bedeutung gewonnen und war das Thema vieler Artikel und Bücher. Auf der anderen Seite des Spektrums fördert die Existenz der Synchronizität das Verständnis esoterischer Divinationssysteme, wie Tarot, die Arbeit mit Kaurimuscheln und das I Ging.
Marie-Louise von Franz (1915–1998), Schweizer Psychoanalytikerin und Anhängerin von C. G. Jung.
Wie Marie-Louise von Franz in ihrem Buch Über Wahrsagerei und Synchronizität die Psychologie des sinnvollen Zufalls hervorhob, war das synchronistische Denken die klassische Denkweise im alten China und wurde dort viel stärker entwickelt und differenziert als in jeder anderen Zivilisation (VON FRANZ 2015). Dazu gehörte ein Denken in Form von Feldern und nicht in Form einer linearen Kausalität. Die Frage ist nicht, warum etwas zustande gekommen ist oder was eine bestimmte Wirkung hervorgerufen hat, sondern was im selben Moment auf sinnhafte Weise gleichzeitig geschieht. Der chinesische Philosoph fragt immer: »Was neigt dazu, sich gleichzeitig zu ereignen?«. Im Zentrum ihres Feldkonzepts stünde also derjenige Moment in der Zeit, in dem sich bestimmte Ereignisse zu Clustern zusammenfügen.
In der chinesischen Denkweise fragt man nicht, ob materielle Prozesse psychische Ereignisse ausgelöst haben oder ob die psychischen Prozesse Ereignisse in der materiellen Welt verursacht haben. Erst im späteren Denken findet man eine Differenzierung zwischen den materiellen und psychischen Aspekten der Existenz. Wenn wir also fragen, was dazu neigt, gleichzeitig zu geschehen, können wir sowohl innere als auch äußere Faktoren heranziehen. Für die synchronistische Denkweise ist es wesentlich, beide Bereiche der Realität, den physischen und den psychischen, zu beobachten und festzustellen, dass in dem Moment, in dem man bestimmte Gedanken oder bestimmte Träume hatte, bestimmte physische und psychische Ereignisse stattfanden. Es ist ein bestimmter Moment in der Zeit, der den Brennpunkt und die verbindende Gegebenheit für die Beobachtung dieses Komplexes von Ereignissen darstellt.
Das Konzept der Synchronizität kann nur aus einer Zivilisation hervorgegangen sein, die ein materialistisches Weltbild aufweist und die Welt als eine Ansammlung getrennter Objekte betrachtet, welche in einer Weise interagieren, die dem Prinzip der linearen Kausalität unterliegt. Das Universum wird als ein unendlich komplexes System von Ketten von Ursachen und Wirkungen dargestellt. In der archaischen Weltanschauung, in der alles in einer Mystik der Teilhabe miteinander verbunden ist, wird Synchronizität als ein universales Prinzip gesehen. Die gesamte natürliche Welt ist so durchdrungen von Sinnhaftigkeit und so voller Zeichen und Symbole, dass Synchronizität kein eigenständiges Konzept ist.
Um das Universum zu beschreiben, benutzte die antike Menschheit Worte wie Verbundenheit, Harmonie und Einheit. Im 4. Jahrhundert v. Chr. betrachtete der vorsokratische griechische Philosoph Heraklit von Ephesus alle Dinge als miteinander verbunden. In ähnlicher Weise sagte der berühmte griechische Arzt Hippokrates: »Es gibt einen gemeinsamen Fluss, eine gemeinsame Atmung, alle Dinge sind miteinander verbunden«. Und Richard Tarnas zitiert den römischen Philosophen Plotin, den Begründer des Neoplatonismus und Autor der Enneaden, wie folgt: »Die Sterne sind wie Buchstaben, die sich in jedem Augenblick in den Himmel einschreiben. Alles in der Welt ist voller Zeichen. Alle Ereignisse sind aufeinander abgestimmt. Alle Dinge hängen voneinander ab. Alles atmet zusammen«. Dies sind Beispiele für die klassische Idee, dass das Getrenntsein eine Illusion ist (PLOTIN 1950).
Die Weltanschauungen der indigenen Völker, der Antike, der Klassik und des Mittelalters postulierten ebenfalls die Existenz einer wesentlichen Alternative zur linearen Kausalität in Form einer höheren Kraft. Selbst für Gottfried Wilhelm Leibniz, den deutschen Philosophen des 19. Jahrhunderts, war Kausalität weder die einzige noch die hauptsächliche Auffassung. Beispiele für eine Alternative zur linearen Kausalität sind die Prozesse des Filmemachens und des Betrachtens von Filmen, bei welchen die Kausalität, die wir beobachten, nur scheinbar wahr ist; in Wirklichkeit ist sie nur eine Methode, um eine Geschichte zu vermitteln. Die Personen, die die Filme gestaltet haben, ordneten die Abfolgen von Szenen und Bildern so an,