Der Weg des Psychonauten – Band 2. Stanislav Grof
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Seine bahnbrechenden Beobachtungen beschrieb er schließlich in seinem berühmten Essay Synchronizität als ein Prinzip akausaler Zusammenhänge und präsentierte sie auf der Eranos-Tagung von 1951. Die Eranos-Tagungen waren Konferenzen herausragender europäischer und amerikanischer Denker, an denen Jung als einer der Hauptinitiatoren und als Mitwirkender teilnahm. Die intellektuelle Weltelite war vertreten, darunter Persönlichkeiten wie Joseph Campbell, Heinrich Zimmer, Karl Kerényi, Erich Neumann, Olga Fröbe-Kapteyn, Erwin Schrödinger, Wolfgang Pauli, Daisetz Teitaro Suzuki, Paul Johannes Tillich, Marie-Louise von Franz, Rudolf Otto, Richard Wilhelm, Mircea Eliade und Gershom Scholem.
Jung begann seinen Aufsatz mit Beispielen außergewöhnlicher Zufälle, die sich im Alltag ereignen (JUNG 1960). Er würdigte den österreichischen Lamarck’schen Biologen Paul Kammerer, dessen tragisches Leben durch Arthur Koestlers Buch Der Krötenküsser (KOESTLER 1971) bekannt wurde, als einen der ersten Menschen, der sich für dieses Phänomen und seine wissenschaftlichen Implikationen interessierte. Kammerer untersuchte und beschrieb eine Art auffälligen Zufallsprozess, den er Serialität nannte. Eines der bemerkenswerten Beispiele, von denen Kammerer berichtet hatte, war eine Abfolge von drei Erlebnissen mit der gleichen Nummer am selben Tag – seine Straßenbahnkarte trug die gleiche Nummer wie die Theaterkarte, die er unmittelbar danach kaufte. Später am Abend fragte er dann nach einer Telefonnummer und erhielt die gleiche Ziffernfolge.
Der österreichische Biologe Paul Kammerer (1880–1926), lehrte und vertrat den Lamarckismus, die Theorie, dass Organismen die zu Lebzeiten erworbenen Eigenschaften an ihre Nachkommen weitergeben können.
Kammerer war von diesem Phänomen fasziniert; er verbrachte viele Stunden in Parks und auf anderen öffentlichen Plätzen und beobachtete, wie viele Menschen vorbeikamen und wie viele davon Regenschirme, Hüte, Hunde und so weiter dabeihatten. In seinem Buch Das Gesetz der Serie beschrieb er hundert Anekdoten bemerkenswerter Zufälle (KAMMERER 1919). Sein Biograph Arthur Koestler berichtete, dass er, als er Kammerers Biographie Der Fall der Geburtshelferkröte schrieb, einen »Meteoritenschauer von Zufällen« erlebte, als würde Kammerers Geist zu ihm heruntergrinsen und sagen: »Ich habe es Ihnen ja gesagt!« (KOESTLER 1971).
Jung interessierte sich auch für das Phänomen der Serialität und beschrieb eigene Beispiele dafür. Eines Morgens sah er eine Inschrift mit einer Figur, die halb Mensch und halb Fisch war. Am selben Tag wurde ihm Fisch zum Mittagessen serviert, und jemand machte »einen Aprilfisch« mit einer anderen Person (in Frankreich das Äquivalent zum »Aprilscherz«). Am Nachmittag zeigte ihm ein ehemaliger Patient ein eindrückliches Bild von einem Fisch. Am Abend sah Jung eine Stickerei mit Meeresungeheuern und Fischen darauf. Am nächsten Morgen berichtete ein Patient über einen Traum von einem großen Fisch. Einige Monate später, als Jung über diese außergewöhnliche Serie von Ereignissen schrieb, ging er spazieren und sah einen großen Fisch an der Mauer am Ufer des Sees liegen. Er wies darauf hin, dass er früher an diesem Tag mehrmals an dieser Stelle vorbeigegangen war und den Fisch nicht gesehen hatte, und dass niemand in der Nähe gewesen sei. Jung war sich bewusst, dass dieses Phänomen durch die Verwendung von Statistiken erklärt werden könnte, betonte aber, dass die große Anzahl der Wiederholungen dies höchst unwahrscheinlich mache.
Im selben Essay über Synchronizität erwähnte Jung auch die amüsante Geschichte des berühmten Astronomen Camille Flammarion über den französischen Schriftsteller Émile Deschamps und eine besondere Art von Pflaumenpudding. Als Kind erhielt Deschamps von einem Monsieur de Fontgibu ein Stück dieses seltenen Puddings. Zehn Jahre lang hatte er keine Gelegenheit, diese Delikatesse zu kosten, bis er genau diesen Pudding auf der Speisekarte eines Pariser Restaurants sah. Er rief den Kellner und bestellte ihn, aber der Kellner kam mit der Nachricht zurück, dass sie die letzte Portion davon bereits einem anderen Gast serviert hätten. Er zeigte quer durch den Raum, und dort saß Monsieur de Fontgibu und genoss die letzten Bissen seines Desserts.
Arthur Koestler (1905–1983), ungarisch-britischer Journalist und Schriftsteller, Autor von Der Fall der Geburtshelferkröte.
Viele Jahre später wurde Monsieur Deschamps zu einer Party eingeladen, auf der dieser Pudding als besonderer Leckerbissen serviert wurde. Während er ihn aß, bemerkte er, dass das Einzige, was noch fehlte, Monsieur de Fontgibu war, der ihn mit dieser Delikatesse bekannt gemacht hatte und auch bei seiner zweiten Erfahrung damit im Pariser Restaurant dabei gewesen war. Im selben Moment klingelte es an der Tür, und ein alter Mann betrat den Raum, der sehr verwirrt aussah. Es war Monsieur de Fontgibu, der versehentlich in die Party hineingeplatzt war, weil man ihm eine falsche Adresse gegeben hatte.
Die Existenz solch außerordentlicher Koinzidenzen ist nur schwer mit dem von der materialistischen Wissenschaft entwickelten Verständnis des Universums zu vereinbaren, das die Welt in Form von Ursachen- und Wirkungsketten beschreibt. Die Wahrscheinlichkeit, dass so etwas zufällig geschieht, ist so verschwindend gering, dass sie nicht ernsthaft als Erklärung in Betracht gezogen werden kann. Man kann sich sicherlich leichter vorstellen, dass diese Vorkommnisse eine tiefere Bedeutung haben und dass sie spielerische Schöpfungen einer kosmischen Intelligenz sein könnten. Diese Erklärung ist besonders plausibel, wenn sie ein humoristisches Element enthalten, was oft der Fall ist. Obwohl Koinzidenzen dieser Art an sich schon äußerst interessant sind, hat C. G. Jung diesen herausfordernden, ungewöhnlichen Phänomenen durch seine Arbeit eine weitere faszinierende Dimension hinzugefügt.
Die von Kammerer und Flammarion geschilderten Situationen waren höchst unwahrscheinliche Zufallsereignisse, und die Geschichte um den Pflaumenpudding hat durchaus etwas Humor. Beide Geschichten beschrieben jedoch Zufälle in der Welt der Materie. Jungs Beobachtungen fügten diesem ohnehin schon verblüffenden Phänomen ein weiteres erstaunliches Element hinzu. Er beschrieb zahlreiche Beispiele für das, was er »Synchronizität« nannte – bemerkenswerte Zufälle, bei denen verschiedene Ereignisse in der Realität auf sinnvolle Weise mit innerpsychischen Erfahrungen wie Träumen oder Visionen verknüpft wurden. Er definierte Synchronizität als »ein gleichzeitiges Auftreten eines bestimmten psychischen Zustands in Verbindung mit einem oder mehreren äußeren Ereignissen, die als bedeutsame Parallelen zum momentanen subjektiven Zustand erscheinen«.
Solche Situationen verdeutlichen, dass unsere Psyche mit der vermeintlichen Welt der Materie spielerisch interagieren kann. Die Tatsache, dass so etwas möglich ist, lässt die Grenzen zwischen subjektiver und objektiver Realität effektiv verschwimmen. Als Jung sich mit diesem Phänomen auseinandersetzte, entwickelte er ein intensives Interesse für die Fortschritte in der quantenrelativistischen Physik und das radikal neue Weltbild, auf das sie hindeuteten. Er stand in regem intellektuellem Austausch mit Wolfgang Pauli, einem der Begründer der Quantenphysik, der zunächst sein Klient war und später sein Freund wurde.
Wolfgang Pauli (1900–1958), in Österreich geborener, mit dem Nobelpreis ausgezeichneter schweizerisch-amerikanischer Physiker und einer der Pioniere der Quantenphysik.
Pauli wandte sich mit bizarren Träumen an Jung, die Kombinationen von Zahlen und archetypischen Figuren enthielten, die bis ins Mittelalter zurückreichten, wie zum Beispiel der Wilde Mann, die Verschleierte Frau, der Ouroboros, die Weltuhr, die Quadratur des Kreises und das Perpetuum Mobile. Später, als sie Freunde wurden, erforschten sie verschiedene Probleme an der Schnittstelle