Das Komplott der Senatoren. Hansjörg Anderegg

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Das Komplott der Senatoren - Hansjörg Anderegg

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Bissen und legte dann Messer und Gabel weg. Am Essen war nichts auszusetzen, aber auf solchen Gesellschaften fühlte er sich nie richtig wohl, und das dämpfte seinen Appetit. Überdies hätte er sich gerne mit Anna unterhalten, aber sie war in den Schoss ihrer Familie geflüchtet. Sie saß am Tisch des Senators aus Illinois, zwischen Neill und ihrer Mutter Myra. Eine Bilderbuchfamilie, dachte er spöttisch und gleichzeitig ein wenig wehmütig. In seiner Familie hatte es eine solche Idylle nie gegeben. Irgendwie lebte jeder sein eigenes Leben in seiner eigenen Welt. Manchmal hatte er das Gefühl, die Eltern und er hätten sich nur zufällig getroffen und eine Weile im gleichen Haus gewohnt. Es war Zeit, sich zu seiner neuen Familie zu gesellen. Er entschuldigte sich bei der Gouverneurin und wollte sich erheben, als sie ihn zurückhielt. Sie zeigte auf einen kultivierten Herrn mit feinen Zügen und angegrauten Schläfen, der neben ihr stand und sagte:

      »Nur einen Augenblick noch, Mr. O’Sullivan. Ich möchte Sie kurz Mr. Leblanc hier vorstellen. Er ist CEO von Mamot SA.« Mehr brauchte sie nicht zu sagen. Jedes Kind kannte den Nahrungsmittelkonzern Mamot, einen der größten der Welt. Das war er also, Maurice Leblanc, Franzose oder Schweizer, einer der mächtigsten Wirtschaftsbosse. Sein Konzern kontrollierte unter anderem fast jedes Wasserloch, füllte das kostbare Trinkwasser in Flaschen ab und vertrieb es rund um die Welt. Allein mit dem Wassergeschäft erzielte Mamot Milliardenumsätze. Lee kannte sich aus auf diesem Gebiet, denn in gewisser Weise war seine Firma mit den Entsalzungsanlagen eine, wenn auch unbedeutende, Konkurrentin. Ich werde dir das Wasser abgraben, dachte er böse, wechselte ein paar nette Worte mit Leblanc und schlenderte zum Tisch des Senators.

      »… disruptive, was soll das? Eine Abbruchfirma? DT, ich bitte dich! Klingt eher nach Insektenvertilger als nach Hightech«, hörte er Neill zu seiner Tochter lästern, als er sich näherte.

      »Abbruchfirma ist eine gute Bezeichnung, Neill«, lächelte er, zog einen verwaisten Stuhl heran und setzte sich neben Anna an den illustren Tisch. »Wir räumen nämlich auf mit veralteten Technologien und ersetzen sie durch Sinnvolleres.«

      »Er hat es nicht so gemeint, Lee«, versuchte seine zukünftige Schwiegermutter zu schlichten.

      »Schon O. K., Myra, ich bin es gewohnt, dass man meine Arbeit nicht versteht«, und zu Neill gewandt fuhr er fort: »vielleicht solltest du unser Projekt in Kerala besuchen, das wäre gutes Anschauungsmaterial.«

      Der Senator rümpfte die Nase. »Indien?«, sagte er schaudernd. »Ich glaube, ich verstehe ganz gut, was ihr treibt, aber das sind doch alles ganz kleine Fische. Das große Geld liegt hier, zum Beispiel dort drüben am Tisch der ›Big Coal‹. Der Glatzkopf, der sich gerade den Mund fusselig redet ist Ken Holden, Chef von Clearwater Power. Der könnte kostensparende, neue Technologie gebrauchen. Ihr könntet etwas für die Umwelt tun und erst noch unanständig reich werden dabei.« Es war nicht das erste Mal, dass er solche Vorschläge hörte. Auch sein Vater hatte nicht mit ähnlichen Kommentaren gespart, aber auf diesem Ohr war er taub. Die Kohlekraftwerke hatten keinen Platz in seiner Welt. Diese Dreckschleudern musste man ohne wenn und aber einfach schließen. Mit oder ohne Hightech: es existierte keine saubere Kohle. Er hatte keine Lust, die Diskussion zu vertiefen, gab Anna einen Wink, und sie zogen sich auf die Terrasse zurück, um sich eine Weile ungestört zu unterhalten.

      »Auch wenn du es nicht glauben wirst, Lee, aber du bist genau der gleiche Dickschädel wie dein Vater«, sagte Anna halb lachend, halb tadelnd.

      »Also habe ich doch noch eine positive Eigenschaft geerbt.«

      Sie schaute ihn eine Weile nachdenklich an, dann murmelte sie: »Es ist schon traurig, weißt du.«

      »Was meinst du?«

      »Es braucht einen tragischen Todesfall, damit wir uns wieder einmal länger als zwei Stunden sehen.« Er nickte schweigend. Sie sprach nur aus, was ihn schon den ganzen Tag beschäftigte. »Und bald wirst du längere Zeit ganz weg sein.«

      »Einen Monat«, sagte er leise, wie zu sich selbst. Er hoffte, sie würde die gefürchtete Frage nicht stellen, vergeblich.

      »Wie soll es nur mit uns weitergehen?« Er nahm sie in die Arme und küsste sie zärtlich auf die Stirn. Antwort wusste er keine.

      Library of Congress, Washington DC

      »A faier sol im trefn!«, schimpfte Jerry außer sich und knallte das Buch auf den Tisch. Jeremy Glickman musste sich schon sehr echauffieren, bis er das einem Buch antat, aber erstens war dieser hanebüchene Bericht über den Selbsterfahrungstrip des Hinterbänklers Lindsay in den Appalachen kein richtiges Buch und zweitens war das neue Katalogsystem soeben zum dritten Mal ausgestiegen an diesem Freitag.

      »Immer mit der Ruhe, Jerry, die Ferien stehen vor der Tür«, rief ein junger Kollege, der schnelle Paul, hinter seinem Pendenzenberg.

      »Eben, das ist es ja. Heute muss unbedingt zeitig Feierabend sein, ich kann Sarah nicht enttäuschen. Mit dem neuen System kommt man nicht vom Fleck. A schand ist das. Rückgaben dauern viermal so lange wie früher. Habe ich recht oder habe ich recht?« Bald würde er ein trauriges Jubiläum feiern können: das zehnte neue Katalogsystem. Diese Katastrophe war schon das neunte in seiner langen Karriere an der ehrwürdigen Library of Congress. Wie zu jedem Ferienbeginn hatte er seine Tochter zu einem festlichen Schmaus in seine Dachwohnung eingeladen. Wie jedes Mal würde Sarah ihre kleine Buchhandlung in Adams-Morgan ausgerechnet am Freitagabend, wenn die meisten Kunden kamen, frühzeitig schließen, um ihrem alten Vater Gesellschaft zu leisten. Nein, heute durfte er sich unmöglich verspäten, schon gar nicht wegen eines mangelhaften Computerprogramms.

      »Kaffee?«, fragte Paul, der schon an der Tür wartete.

      »A Schnaps könnte ich jetzt vertragen.« Mit einem bekümmerten Blick auf den Stapel Bücher, der noch bearbeitet werden musste, erhob er sich und schlurfte hinter Paul her zu den Aufzügen. Wenigstens war er bisher von den meisten Reorganisationen verschont geblieben, hatte nicht andauernd umziehen müssen, sondern thronte nun schon fünfzehn Jahre in seinem Penthouse-Büro im fünften Stock des John Adams Building.

      Schweigend fuhren sie zur Cafeteria hinunter. Nicht weniger als ein halbes Dutzend weitere Angestellte der Bibliothek machten mehr oder weniger gelangweilt Zwangspause an den Tischen. Jerry sah auf die Uhr und brummte:

      »Um fünf bin ich draußen, das schwöre ich.«

      »Guter Vorsatz«, lachte Paul. »Die Bücher warten schon, bis du wieder zurück bist. Zwei Wochen, mein lieber Schwan, was machst du nur so lange ohne uns?« Ein fast schon verklärtes Lächeln umspielte seinen Mund, als er an die bevorstehende Reise dachte.

      »Ich werde mich bestimmt nicht langweilen«, antwortete er.

      »Wohin geht’s denn?«

      »In den Süden, Santa Fe und Kalifornien.«

      »Route 66?« Paul war ehrlich überrascht.

      »Nicht so, wie du denkst. Mit dem Zug.«

      »Gute Nacht!«

      »Ganz recht, mein Junge. Nach St. Louis und dann im feudalen Schlafwagen des Southwest Chief nach Westen. In Lamy unterbreche ich die Fahrt und sehe mir die Kunst in Santa Fe an.«

      »Cool. Ein Glück, dass das Klima wieder besser geworden ist da unten.«

      »Klima? Was meinst du damit?«

      »Liest du keine Zeitungen?«, wunderte sich Paul, dann schlug er sich an die Stirn. »Ach so, dumm von mir, ich vergesse es immer wieder. Ihr Humanisten lest ja nur das Feuilleton.«

      »Was

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