Das Komplott der Senatoren. Hansjörg Anderegg

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Das Komplott der Senatoren - Hansjörg Anderegg

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      »Die Durchschnittstemperatur ist in den letzten Jahren kontinuierlich zurückgegangen. Sogar in Arizona gibt es neuerdings längere Perioden unter hundert im Sommer.«

      »Hört sich gut an«, sagte er abwesend und stand auf. Er musste zurück an die Arbeit. Wenn die Techniker nicht geschlafen hatten, sollte das System inzwischen wieder hochgefahren sein.

      Ohne aufzublicken widmete er sich den letzten Büchern des Stapels, freute sich über jede Eingabe bei der keine Fehlermeldung auf dem Bildschirm erschien. Noch zehn Minuten und noch ein Buch. Das war zu schaffen. Er klappte den Deckel des Wälzers auf und stutzte. Die Abhandlung über den Klimawandel war fünf Jahre überfällig. Ein Spezialfall, auch das noch. »A schand ist es, a schand«, grantelte er verärgert, doch als er die Adresse des Kunden sah, hellte sich seine Miene auf. Ein Senator, der durfte sich so etwas natürlich ohne Konsequenzen erlauben. Rasch tippte er die notwendigen Angaben in die Tastatur und meldete sich beim widerspenstigen System ab. Zum letzten Mal für zwei Wochen. Er atmete auf. Bevor er das Buch zur Ablage weitergab, hob er es auf und ließ die Seiten mit geübtem Griff über seinen Daumen gleiten, um sicher zu gehen, dass nichts im Buch steckte, was nicht hinein gehörte. Laien machten sich keine Vorstellung davon, was die Leute alles zwischen Buchseiten steckten. Fotos, Geld, Briefe, er hatte schon einen Präservativ gefunden, original verpackt, glücklicherweise. Eine Minute vor fünf, und prompt fiel ein dünnes Bündel zusammengefaltete Papiere auf seinen Schreibtisch. Der liebe Gott wollte ihn ärgern, den ganzen Tag schon. Vielleicht wusste Rabbi Katzenstein, was den Allmächtigen an solchen Tagen umtrieb, aber er musste jetzt zu dieser Tür hinaus, vergessene Briefe hin oder her. Kurz entschlossen stopfte er die Papiere in einen Umschlag, beschriftete ihn mit der Adresse des Senators und steckte ihn ein. Er konnte die paar Seiten ebenso gut von zu Hause aus an den vergesslichen Kunden zurücksenden.

      Bevor er zur Metrostation hinunterstieg, sog er seine Lungen einige Male voll mit der frischen Luft. Er liebte die Arbeit mit den Büchern, aber jetzt war er froh, für zwei Wochen alles vergessen zu können. Wer weiß, vielleicht erwartete ihn ohnehin ein neues Computersystem, wenn er um viele Erfahrungen reicher ins Penthouse zurückkehrte.

      Kochi, Indien

      Lee hätte sich am liebsten hingelegt, wo er gerade stand. Er wäre wohl auf der Stelle eingeschlafen. Die mühsame, zeitraubende Suche nach dem zuständigen Beamten des Regional Transport Office in Kochi, die Hitze, die unerträglich dicke Luft im Stau und zu viele Pappadoms mit scharfem Chutney zehrten arg an seinen Kräften. Aber noch lag ein halber Arbeitstag vor ihm, und das hieß in dieser Phase des Projekts: weitere acht Stunden.

      Er hatte die Mannschaft im Maschinenraum versammelt, um den Arbeitsfortschritt zu besprechen. Die Halle mit den mächtigen Tanks, Pumpen und dem Gewirr silbern schimmernder Röhren, die nur darauf warteten, Salzwasser aus dem Meer zu saugen und sauberes Trinkwasser auszuspeien, bildete die richtige Ambiance für die täglichen Meetings. Trotz der auf den ersten Blick verwirrenden Vielzahl von Apparaturen staunte er jedes Mal, wenn er hier stand, wie einfach ihre Anlage doch im Grunde funktionierte. Konventionelle, ältere Entsalzungsanlagen arbeiteten nach dem Destillationsprinzip, indem man das Salzwasser erhitzte und den kondensierten Wasserdampf als Süßwasser auffing. Meist geschah das unter stark reduziertem Druck, um den Siedepunkt des Wassers herunterzuschrauben. Viele neuere Anlagen benutzten ein anderes Verfahren: Umkehrosmose oder Reverse Osmose, RO. Der natürliche Vorgang der Osmose, bei dem Wasser durch eine halbdurchlässige Membran von Regionen niedriger Salzkonzentration in Regionen höherer Konzentration fließt. Setzte man aber die Region mit höherer Salzkonzentration, also das Meerwasser, genügend hohem Druck aus, wanderte das Wasser in die andre Richtung, und auf der anderen Seite der Membran sammelte sich das Trinkwasser. Beide Verfahren waren aufwändig und verbrauchten Unmengen an Energie. Die neue Technologie seiner Firma war dagegen geradezu primitiv, trotz der abschreckenden Bezeichnung: Kapazitive Ionenpumpe. Sie leiteten das Meerwasser einfach zwischen elektrisch aufgeladenen Platten hindurch. Die gelösten Salzteilchen, elektrisch geladene Ionen, wanderten dabei zur Platte mit der entgegengesetzten Ladung, und am Ende des Wegs kam nur noch Süßwasser aus der Anlage. Zu- und Abflussröhren, Verteiler und ein paar mechanische Filter war alles, was ihre Fabrik außer den Platten und der Elektrotechnik brauchte. Revolutionär an ihrer Technologie war die Beschichtung dieser Platten: Nanostrukturen, die wie feinste Schwämme eine millionenfach größere Oberfläche für den Ionentausch boten als konventionelle Elektroden. Dadurch verschlang ihr Apparat nur einen Bruchteil der Energie anderer Anlagen für die Entsalzung des Meerwassers. Lee war überzeugt, dass sich ihre Technologie über kurz oder lang durchsetzen würde.

      »Sayed, ich muss gestehen, ich hätte dich heute Morgen gebraucht«, sagte er, als er seinen kurzen Lagebericht beendete.

      Sayed Chandra, der Maschineningenieur aus Kochi, den er an der Universität in Chicago kennen gelernt hatte, grinste schadenfroh.

      »Du wolltest dich ja unbedingt allein durchschlagen, aber ich habe dich gewarnt. Unsere Beamten haben die seltsame Gabe, plötzlich taub zu werden oder die englische Sprache nicht mehr zu verstehen, insbesondere bei Ausländern.«

      »Danke, ich hab’s begriffen. Das nächste Mal wirst du wieder dabei sein.« Sayeds Team motivierter, junger Techniker schien Lees Missgeschick königlich zu amüsieren. Er konnte es ihnen nicht verübeln, denn wenn er etwas gelernt hatte in den wenigen Tagen seit er hier im Südwesten des indischen Subkontinents angekommen war, dann die Tatsache, dass er als Fremder absolut nichts verstanden hatte von der Art, wie man hier Geschäfte abwickelte. »Wie sind eure Durchlauftests verlaufen?«, fragte er, um das Thema zu wechseln. Sayed setzte eine betrübte Miene auf, als er antwortete:

      »Statik und Druck sind mit größter Wahrscheinlichkeit O. K., aber ich kann das nicht mit letzter Sicherheit behaupten. Wir tun unser Bestes, die Produktion mit den Ersatzpumpen zu simulieren, aber sie sind viel zu schwach, um die Anlage wirklich in Betrieb zu nehmen, das weißt du ja.«

      »Ich habe gute Nachrichten, Leute. Der Frachter mit dem restlichen Material läuft heute ein.« Die Hafenverwaltung hatte ihn informiert. Höchste Zeit, dass die Ware geliefert wurde, denn die Entsalzungsanlage an der Küste von Veli im Süden der Stadt war nichts als ein Schrottplatz ohne die richtigen Spezialpumpen. Die Männer, und es arbeiteten tatsächlich nur Männer im Projekt, applaudierten erleichtert. Jeder wartete ungeduldig auf das erste Wasser.

      Er gab seinem Freund Ingo ein Zeichen. Ingemar Lohwasser, ein Deutscher, Elektroingenieur, der sein ganzes Studium in den Staaten absolviert hatte, sollte die Leitung des laufenden Betriebs nach der Bauphase übernehmen. Der bärtige blonde Hüne freute sich mehr als alle anderen auf den Tag, an dem es endlich losginge. Mit seiner Baritonstimme gab er die neusten Änderungen der Schichtplanung bekannt, nicht ohne sein ceterum censeo hinzuzufügen:

      »Ich möchte nur nochmals darauf hinweisen, dass ein Betrieb ohne Reserve-Transformatoren nicht zu empfehlen ist.«

      »Auch du bist erhört worden, Ingo«, lachte Lee. »Der Frachter wird zwei Trafos liefern.«

      »Das glaube ich erst, wenn ich sie sehe«, brummte der Ingenieur, den man sich eher als Alleinsegler denn als Betriebsleiter vorstellen konnte. Lee schmunzelte nur. Er kannte den Kauz gut und vertraute ihm hundertprozentig.

      Eine Stunde später saß er eingepfercht neben Sayed auf dem Rücksitz einer Autorikscha im Stau. Die dreirädrigen Blechkästen waren die vernünftigsten Transportmittel in der Stadt, aber auch sie blieben häufig im Verkehrschaos stecken. Sie waren unterwegs zum Frachthafen. Mit den nötigen Papieren in der Tasche, wollte er die Löschung und das Umladen der Ware auf den Laster selbst überwachen. Nachdem sie die Neue Brücke nach Willingdon Island überquert hatten, rollte der Verkehr flüssiger, und der Fahrer setzte sie nach wenigen Minuten vor dem imposanten Tempel der Hafenverwaltung ab. ›Ernakulam Q6‹ war der Kai, an dem ihr Frachter angedockt hatte, nur ein paar hundert Meter vom Büroturm entfernt. Ein

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