Das Komplott der Senatoren. Hansjörg Anderegg

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Das Komplott der Senatoren - Hansjörg Anderegg

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Er konnte nicht weiter untätig in der Kabine warten. Er musste jetzt aufs Netz, auch wenn die ganze Mannschaft auf den Beinen war. Auf einer seiner nächtlichen Wanderungen hatte er eine Kammer mit Arbeitskleidern entdeckt, wie sie die Matrosen trugen und einen der Overalls und eine Mütze mitgenommen. Jetzt schlüpfte in diesen Blaumann, setzte die Mütze auf und zog sie tief ins Gesicht. Einen besseren Tarnanzug hatte er nicht zur Verfügung. Vorsichtig arbeitete er sich die Treppen hoch zum Funkraum. Lebhaftes Schwatzen, das sich in seinen Ohren anhörte wie wüstes Schimpfen, drang aus dem Aufenthaltsraum beim Aufgang zur Brücke. Mit wenigen Sätzen durchquerte er den Korridor und verschwand im Zimmer, wo der begehrte Computer stand.

      Er begann sofort, sich bei seinem Mailservice einzuloggen, doch auch diesmal wurde er unterbrochen. Eine tiefe Stimme schnauzte ihn von der Tür her an. Auch wenn er kein Wort verstand, den Ton konnte er nicht missdeuten. Der Mann, der wütend auf ihn zukam, schimpfte wie ein Rohrspatz. Zu seinem Glück war er einen Kopf kleiner. Lee baute sich geistesgegenwärtig vor ihm auf, deutete auf den Computer und fuhr ihn an: »Da, shit, da!«, und weg war er. Ohne sich weiter um die Mannschaft zu kümmern, stürmte er die Treppen hinunter, aus dem Haus aufs Deck und versteckte sich zwischen den Luken, bevor die Alarmsirenen im ganzen Schiff losgingen. Nach gut dreieinhalb Tagen hatten sie den blinden Passagier entdeckt. Sollte er aufgeben? Er hörte Männer aus dem Haus kommen. Sie schwärmten aus, und sie kannten ihr Schiff mit Sicherheit besser als er. Es konnte nicht lange gut gehen. Fieberhaft schaute er sich nach einem Ausweg um, wohl wissend, dass es keinen gab. Die Spassky war nicht sehr groß. Es würde nicht lange dauern, bis sie ihn erwischten.

      Der Suezkanal war hier erstaunlich schmal. Ans Ufer schwimmen war durchaus eine Möglichkeit, aber das Deck befand sich zehn oder fünfzehn Meter über dem Wasser, keine sonderlich attraktive Aussicht. Die Männer suchten das Schiff systematisch ab, und sie kamen rasch näher. Auf der anderen Seite, backbord, sah er ein paar Fischerboote im Wasser, und plötzlich hatte er eine Idee. Er huschte geduckt zu den Kränen mit den Rettungsbooten. Er zerrte den versiegelten Schaltkasten auf und legte den Hebel um. Der Kran begann auszufahren und zerrte knarrend an der Takelage. Sofort ertönten aufgeregte Rufe. Fluchend eilten die Männer auf die Rettungsboote zu, während Lee auf der anderen Seite ungesehen über die Reling kletterte und sich auf den Buganker kauerte. Hastig ließ er sich am rostigen Metall in die Tiefe gleiten, bis er frei über dem Wasser hing. Er zögerte nur kurz, dann ließ er sich stocksteif fallen. Der Aufprall war kaum zu spüren. Sanft glitt er ins Wasser. Als er wieder auftauchte, war alles ruhig. Niemand schien ihn bemerkt zu haben. Mit wenigen kräftigen Zügen schwamm er zum nächsten Fischerboot, dessen zwei Insassen vor Schreck beinahe ins Wasser fielen, als er hinter ihnen auftauchte. Erst als sie ihn laut rufend und lachend ins Boot hievten, wurden die Männer auf der Spassky auf ihn aufmerksam, aber es war zu spät. Die freundlichen Fischer ruderten ihn rasch vom Frachter weg, zurück nach Ismailia.

       Valletta, Malta

      Es war ein Gefühl, als kehrte er nach langer Odyssee in den Schoss der Familie zurück, als Lee seine Kollegin Kiera in der Ankunftshalle des Malta International Airport bei Valletta erblickte. Kiera Gilly war schon seine Kommilitonin an der Uni gewesen und leitete jetzt das zweite Pilotprojekt von Disruptive Technologies auf der Mittelmeerinsel. Erst erkannte er die junge Physikerin kaum wieder, so dramatisch hatte sich ihr Äußeres verwandelt. Als ewiges Mädchen vom Lande mit Zöpfen, Röcken und Pullovern, die nur braun sein durften, flachen Schuhen und einer altmodischen Brille, die ihre zierliche, kleine Gestalt zu erdrücken schien, so hatte er sie in Erinnerung. Man konnte sie sich damals sehr gut in der Enge eines verstaubten Antiquariats vorstellen, keinesfalls in einem Hightech Labor.

      Aber der Schein trog. Kiera war einer der brillantesten Köpfe, die er kannte. Nebenbei hatte sie auch noch in theoretischer Physik abgeschlossen, mit einer Arbeit über Quanten-Chromodynamik, als müsste sie irgendwie die Zeit totschlagen. Dieses damals so unscheinbare Genie empfing ihn nun als strahlende Geschäftsfrau in weißer Bluse und weißem Jupe. Die Brille war verschwunden, die strengen Zöpfe hatten sich in einen lockeren Pferdeschwanz verwandelt und die Füße steckten in zierlichen, roten Spangenschuhen, die sie mit Sicherheit fünf Zentimeter größer machten.

      »Und darin kannst du laufen?«, war das Intelligenteste, was ihm zur Begrüßung einfiel.

      »Charmant wie immer«, lachte sie. »Soll ich dir mit dem Gepäck helfen?«

      »Sehr witzig.« Sein Reisegepäck bestand aus einer Plastiktüte mit den wenigen Toilettenartikeln, die er auf dem Flughafen von Kairo gekauft hatte. Den Rest seiner neuen Ausrüstung trug er am Leib. Er drückte ihr lange die Hand und sein Gesicht wurde ernst, als er sagte: »Es tut gut, dich zu sehen, Kiera.«

      »Du hast keine Ahnung, welche Sorgen wir uns gemacht haben«, murmelte sie. »Alles O. K. mit dir?« Er nickte lächelnd. Auf dem Weg zum Parkplatz begann er ihr die Geschichte seiner unfreiwilligen Reise zu erzählen.

      Halsbrecherisch wie die Bewohner der Insel fuhr Kiera mit ihrem Vauxhall durch die karge, felsige Landschaft, überholte schnelle Oldtimer-Busse genauso wie störende Traktoren. Nur hie und da unterbrach eine Gruppe Pinien die trockene Einöde, sonst bestand alles auf dieser Insel aus Stein, die endlosen Trockenmauern ebenso wie die dicht gedrängten Häuser entlang der Strasse, die geradewegs aus dem gelben Kalk des Bodens zu wachsen schienen. Lee war zum ersten Mal auf Malta und beobachtete fasziniert, wie die gigantische Skulptur der zahlreichen Kuppeln, Türme und Paläste Vallettas wie eine Fata Morgana am Horizont auftauchte.

      »Gute Eingebung, erst hierher zu kommen«, bemerkte er.

      »Die Stadt? Ja, sie ist absolut einmalig, eigentlich eine einzige monströse Festung. Ich habe so etwas vorher noch nie gesehen. Wenn du die vielen Touristen in kurzen Hosen ignorierst, glaubst du dich in die Zeit der Malteserritter zurückversetzt. Große Teile der Stadt, die Kathedrale, die Wohnhäuser, die engen, steilen Straßen, die endlosen Treppen, die sie hier auch Straßen nennen, alles noch wie zur Zeit der Türkenkriege, trotz der Bomben im zweiten Weltkrieg – sagt jedenfalls Luca«.

      »Luca?«

      »Luca Sciberras«, beeilte sie sich zu ergänzen. »Ingenieur der maltesischen Wasserwerke, der unser Projekt begleitet.«

      »Luca, hmm. Netter Begleiter?«

      »Du brauchst nicht so zu grinsen. Gute Beziehungen zu den Behörden sind wichtig. Du wirst ihn übrigens bald kennenlernen.«

      »Ich kann es nicht erwarten«, antwortete er wahrheitsgetreu. Wenn dieser Luca der Grund für Kieras totale Veränderung war, lohnte es sich durchaus, den Mann aus der Nähe zu betrachten.

      Sie steuerte den Wagen über das blank gescheuerte Kopfsteinpflaster der Battery Street. Die Strasse war so schmal, dass ihn die vier- oder fünfstöckigen Häuser zu beiden Seiten an eine Straßenschlucht in seiner Heimatstadt erinnerten. Wenig später endete die Häuserzeile zu ihrer Rechten und gab einen überwältigenden Panoramablick auf den Grand Harbour frei.

      »Fantastisch«, murmelte er beeindruckt.

      »Und das direkt vor dem Hotelzimmer«, ergänzte sie trocken und parkte den Wagen vor dem Hotel. »Einfaches Hotel, aber nette Leute und unbezahlbare Aussicht, wie du selbst bemerkt hast. Überdies nahe an den Geschäftszentren.«

      »Fantastisch«, wiederholte er und warf ihr einen dankbaren Blick zu. Gewohnt, jedes Detail selbst zu organisieren, schätzte er ihre kleinen Aufmerksamkeiten umso mehr.

      »Du sagst es«, spottete sie schmunzelnd. Sie schaute auf die Uhr. »Elf, wir haben noch eine halbe Stunde bis zum Treffen mit Luca. Zeit für ein kurzes Briefing.« Sie setzten sich in eine Ecke der kleinen Eingangshalle und sie klärte ihn über die Zusammenarbeit mit den lokalen Behörden auf. »Trinkwasser

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