Im Westen geht die Sonne unter. Hansjörg Anderegg

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Im Westen geht die Sonne unter - Hansjörg Anderegg страница 10

Автор:
Жанр:
Серия:
Издательство:
Im Westen geht die Sonne unter - Hansjörg Anderegg

Скачать книгу

euch überein, Ken«, sagte er, und alle wussten, dass es kein Kompliment war. »Wir haben inzwischen die Spur eines der Fahrzeuge, zurückverfolgt. Ein blauer ›Chevy‹ Pick-up S10. Die Täter haben ihn bei einem Händler in San Diego gekauft. Wir wissen, dass damit der Sprengstoff transportiert wurde. Trinitrobenzen, 1,3,5-TNB. Der Stoff, den Minen und Militär benutzen.«

      »Passt«, grinste Brown albern. »Gibt’s auch Spuren von den Tätern?«

      Das Gesicht des FBI-Mannes verfinsterte sich. »Stell dir vor, das haben wir uns auch schon gefragt«, knurrte er. Fingerabdrücke, Gewebeproben etc. kannst du vergessen. Die Leute sind Profis. Um ganz sicher zu gehen, haben sie die Karre abgefackelt und anschließend verschrotten lassen. Wir sind ganz auf die zweifelhaften Aussagen des Händlers und einiger Augenzeugen angewiesen. Die deuten darauf hin, dass die Täter über den Containerhafen von San Diego ein- und wieder ausgereist sind. Da unten ist ziemlich viel los, wie du dir vorstellen kannst, und überdies hört unsere Zuständigkeit in internationalen Gewässern auf.«

      »Wir sind bereits am Ball, überprüfen die Frachter. Können aber erst im nächsten Hafen aktiv werden«, warf Liz Tucker aus Langley im Telegrammstil ein. Die Giftspritze von der CIA war Bob schon böse an die Gurgel gefahren, als einer seiner Männer im ›Außendienst‹ der Agency in die Quere gekommen war. Die guten Menschen aus Langley hatten keine Ahnung, wie viele Finger die NSA in alle Welt ausstreckte. Noch nicht einmal in Fort Meade wussten mehr als ein paar Dutzend Leute, wie viele Mitarbeiter in aller Welt vor Ort ›humint‹, human intelligence, betrieben. Mitarbeiter, die sich überall dort die Hände schmutzig machten und Geheimdienstinformationen sammelten, wo die ›sigint‹, signals intelligence, ihre wundersame Abhörtechnik in Fort Meade, nicht ausreichte. Die andern Dienste und das gemeine Volk wussten so gut wie nichts darüber, was innerhalb seiner NSA vor sich ging, und das war gut so.

      Liz Tuckers Bemerkung wirkte wie eine kalte Dusche auf den Sitzungsleiter. Er hörte sich beinahe resigniert an, als er nachdenklich feststellte: »Die Spur ist kalt. Habe ich recht?«

      »Nicht ganz«, antwortete der Mann vom FBI. »Die Schiffe, die in der fraglichen Zeit nach dem Attentat in San Diego ablegten, sind bekannt, ebenso ihre Destinationen. Es ist erstaunlicherweise keines aus dem arabischen Raum dabei. Die meisten der Frachter nahmen Kurs auf Ziele in Japan und Südostasien.«

      »Was die Suche nicht gerade einschränkt«, ergänzte Liz spitz.

      »Ich behaupte nicht, dass es einfach wird.«

      Bob amüsierte das kleine Geplänkel, doch er fand, dass die Zeit gekommen war, etwas Struktur in die Debatte zu bringen. »Ken«, sagte er entschlossen und nickte dem Sitzungsleiter zu, als bedankte er sich für die Aufforderung zu sprechen. »Die NSA verfolgt einen etwas anderen Ansatz. Wir gehen, wie alle hier im Raum, von einem rationalen Anschlag aus. Es war nicht die sinnlose Tat einiger Verrückter. Alles deutet auf wohlüberlegtes Handeln hin. Also fragen wir uns: wem nützt diese Tat, wer profitiert davon?« Er hielt inne, beobachtete die Reaktion der Zuhörer. Befriedigt fuhr er weiter: »Seltene Erden, insbesondere Neodym und Dysprosium, sind Rohstoffe von nationaler Bedeutung für die Vereinigten Staaten. Ohne sie gibt es keine modernen Waffensysteme, keine effizienten Elektromotoren, keine Generatoren für Windturbinen, keine Hybrid- und Elektroautos, keine moderne Beleuchtung, noch nicht einmal vernünftige Wasserfilter. Wir wissen das spätestens seit dem ›GAO‹ Report vom April 2010. Aus dem gleichen Report erfahren wir, dass die USA den Abbau und die Verarbeitung dieser Metalle in den letzten Jahrzehnten sträflich vernachlässigt haben. Die letzte Mine auf unserem Boden, Mountain Pass, war einmal der weltweit größte Produzent Seltener Erden, bis sie 2002 aus Umweltschutzgründen stillgelegt werden musste. Inzwischen produziert die Volksrepublik China 97% des Weltbedarfs dieser Metalle. Jetzt hat Mountain Pass den Betrieb langsam wieder hochgefahren, bis zur Katastrophe am 9. März. Mit andern Worten: der Nachschub für große Teile der Streitkräfte und den Energiesektor unseres Landes ist jetzt auf Jahre hinaus vollständig abhängig von unseren Freunden im Reich der Mitte.«

      Nach einer Schrecksekunde brach der Tumult umso heftiger los. Bob ließ sich nicht beirren, wartete geduldig, bis sich die Aufregung wieder legte. Die Entrüstung seiner Zuhörer war geheuchelt. Jeder wusste das. Er traute sich einfach als Erster, den explosiven Verdacht laut auszusprechen. Man konnte es drehen und wenden wie man wollte: die Tatsachen deuteten auf die Möglichkeit hin, dass China seine Hand im Spiel hatte. Wäre das der Fall, käme es einer Kriegserklärung gleich. Dann könnten alle hier im Raum zusammenpacken und an den Strand fahren, Muscheln suchen. Dann wäre die Sache höchstens noch mit diplomatischen Mitteln aus der Welt zu schaffen.

      »Ihre Reaktion zeigt mir, dass Ihnen der Gedanke nicht fremd ist«, sagte er rundheraus, und keiner widersprach. »Verstehen Sie mich nicht falsch. Wir verfügen noch über keine gesicherten Erkenntnisse. Es ist bisher nur eine offensichtliche Richtung, in die wir ermitteln müssen. Unsere Spezialisten haben begonnen, den Telefon- und Mailverkehr im Vorfeld des Attentats entsprechend zu analysieren.«

      Ken Browns Mundwinkel drohten aus dem Gesicht zu fallen, als er mit Grabesstimme fragte: »Scheiße, Bob, was erzählen wir dem Sicherheitsberater?«

      Bob zuckte die Achseln. Er war genauso ratlos wie alle andern. Nach einigem Zögern antwortete er schließlich: »Wenn wir die Möglichkeit nicht erwähnen, könnte uns die Wirklichkeit schneller einholen, als uns allen lieb ist.«

      »Scheiße«, wiederholte der Sitzungsleiter düster. »Michael wird an die Decke gehen.«

      Das ist allerdings das kleinste Problem, dachte Bob.

      Fort Meade, Maryland

      Der rote Nissan reihte sich in die Kolonne auf der rechten Fahrbahn des Baltimore-Washington Parkway ein. Vor der Ausfahrt mit der schlichten Bezeichnung ›NSA nur für Angestellte‹ hatte sich ein Stau gebildet.

      »Willkommen in Crypto City«, murmelte Alex, als sie der langen Autoschlange ins dichte Waldstück hinein folgte, hinter dem sich das Gelände ihres neuen Arbeitgebers verbarg. Fort Meade, der Sitz der Nationalen Sicherheitsbehörde, des weitaus größten und teuersten Geheimdienstes der Vereinigten Staaten. Eine Stadt für 40’000 Angestellte hinter elektrischen Sicherheitszäunen, elektronisch so vollkommen abgeschirmt, dass sogar das Navigationsgerät im Auto verrückt spielte, als sie sich ihr näherte. Nach dem jüngsten Ausbau war die Fläche der Bürogebäude auf beinahe die doppelte Größe des Pentagon angewachsen. Allein die Parkplätze würden für fünf komplette Baseballstadien ausreichen, hatte der Instruktor bei ihrem letzten Interview stolz versichert. Wie man auf große Zahlen stolz sein konnte, war ihr stets ein Rätsel. Baseball interessierte sie noch weniger. Sie hatte sich für diesen Job entschlossen, weil ihr die Arbeit als Korrespondentin des ›Wall Street Journal‹ in Peking zu eintönig wurde. Vielleicht wollte sie auch einfach wieder zurück nach Baltimore. Falsch, sie hatte einen besseren Grund: die NSA hatte sie angefragt. Diesem verschwiegensten aller Geheimdienste schickte man nicht einfach seine Bewerbung. Sie holten einen. Alex machte sich keine Illusionen. Die Scouts der NSA waren nicht durch ihre guten Abschlüsse und die paar Jahre Erfahrung als Ökonomin und Journalistin auf sie aufmerksam geworden. Hier in Fort Meade musste es von Akademikern mit weitaus spektakuläreren Qualifikationen wimmeln. Nein, sie stand jetzt am schwer bewachten Kontrollposten, weil sie fließend Mandarin sprach und chinesische Zeitungen las wie andere Leute die Sportnachrichten in der ›Baltimore Sun‹.

      Nervös wie das erste Mal steckte sie den provisorischen Badge in den Schlitz und gab ihren PIN-Code ein, scharf beobachtet vom SPO mit der Maschinenpistole. Es würde einige Zeit dauern, sich an all die dreistelligen Kürzel zu gewöhnen, mit denen man hier die Funktion der Angestellten bezeichnete. Die Security Protective Officers, die mit den Kanonen, waren einfach die ersten, die ihr von nun an jeden Morgen auf dem langen Weg ins Büro begegneten. Noch zweimal brauchte sie die Chipkarte, bis sie auf dem zugewiesenen Platz parken konnte. Sie achtete peinlich genau darauf, die richtige

Скачать книгу