Ulzanas Krieg. Karl H. Schlesier
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Männer und Jungen gingen mit Pfeil und Bogen hinaus, um zu jagen und nach Spuren von Pferden und Menschen Ausschau zu halten. Die ersten Jäger kamen noch vor dem Mittag zurück, die letzten am späten Nachmittag. Sie hatten ungefähr eine Meile um das Lager herum erkundet und nichts Verdächtiges gefunden. Der Fang bestand aus einem Wapiti und einem Deer. Nach Einbruch der Dunkelheit wurde mit trockenem Holz Feuer gemacht. Es war eine ruhige Nacht, nur von den Geräuschen der Berge erfüllt. Einmal heulten Wölfe gen Westen. Nach Mitternacht brannten die Feuer nieder. Beim ersten Morgenlicht gingen zwei Männer den Pfad entlang, um die Wächter abzulösen, und andere standen auf, um sich auf eine weitere Jagd vorzubereiten. Das Camp erwachte.
Ohne Warnung durchbrach das Krachen von Gewehren die Stille. Der schmale Canyon war erfüllt mit dem ohrenbetäubenden Lärm der Schüsse, die von der nördlichen Berghöhe kamen. Schwere Bleikugeln schlugen wie Hagel um die Menschen herum ein, die auf der Suche nach Deckung davonhasteten oder -krochen. Die Männer feuerten verzweifelt auf die blitzenden Waffen hoch über ihnen. Einige Frauen und Kinder rannten nach Süden, an der Klippe entlang Richtung Höhle, die meisten bewegten sich im Schutz des Abhangs und zwischen Felsblöcken stromaufwärts, um den erbarmungslosen Gewehren zu entkommen. Nur Chaddi saß, vollkommen entrückt von dem Blutbad um ihn herum, auf seiner Decke in der Mitte des Lagers, bemalte sich und sang ein heiliges Lied, das den Lärm übertönte. Überall um ihn herum gingen Geschosse nieder. Chihuahua stürmte vorwärts und zog ihn weg. In der Schlucht lagen zerschmetterte Körper. Als die stromaufwärts fliehenden Menschen einen Sattel erreichten, wo sie vor den Feuerwaffen sicher waren, folgten die Männer und bildeten einen Schutzschild hinter ihnen.
Das Schießen hörte auf. Auf dem Bergrücken befanden sich vielleicht sechzig oder mehr Schützen. Einige Männer in blauen Uniformen versuchten, zum Camp hinunterzuklettern. Sie kamen in Reichweite der Büchsen der Chokonen, und Soldaten fielen. Die, die noch konnten, liefen zurück und außer Sichtweite, dann war es vorbei.
Plötzlich herrschte eine tödliche Stille. Als die Frauen und Kinder über den Pfad zu dem Platz gingen, an dem die Pferde versteckt waren, blieben die Männer zurück. Die Kavallerie folgte dem Rückzug der Apachen nicht.
Aus der Richtung der Höhle war ein kurzes Aufflackern von Gewehrfeuer zu hören. Josanie und einige Männer kletterten um den Felsen herum, kamen an der Südseite der Klippe herunter und näherten sich dem Wasserfall und der Höhle. Dort fanden sie den alten José Second. Er lag tot in der Nähe, zwei Mal in den Kopf getroffen. Unbewaffnet hatte er versucht, die Kavalleristen von der Höhle abzulenken, aber sie hatten ihn eingeholt und getötet. Auf dem Boden vor und in der Höhle waren Hufspuren und Blut, und einige leere Patronenhülsen lagen herum.
Wer immer versucht hatte, sich hier zu verstecken, war entführt worden.
In den Trümmern des Lagers fanden sie drei Frauen und ein siebenjähriges Mädchen. Auch sie waren tot. Eine der Toten war Chihuahuas alte Mutter. Zwei verwundete Soldaten wollten sich über den Kamm des Bergrückens wegschleichen, aber Nitzin kletterte ihnen nach und erstach sie mit einer Lanze.
Es waren Negersoldaten wie jene, die in Fort Bayard stationiert waren, keine weißen Soldaten aus San Carlos oder Fort Apache. Sie starben schreiend. Als die Pferde herbeigebracht wurden, zählte man die Überlebenden. Fünf Frauen fehlten, darunter auch Chihuahuas Ehefrau Coro, außerdem zwei Jungen, Chihuahuas Sohn Eugene und Josanies Sohn Nachi. Sie waren zuletzt gesehen worden, als sie südwärts gerannt waen. Viele waren leicht verletzt, hauptsächlich durch herumfliegende Gesteinssplitter, aber zwei Männer und ein Kind hatten Fleischwunden von Kugeln.
Josanie und eine Handvoll grimmiger Krieger ritten hinter dem Trupp her, hielten sich aber außer Reichweite. Sie folgten dem Canyon fünf Meilen weit und kamen an die Stelle, wo er sich zum Tal verbreiterte. Nahe der kleinen Mormonenstadt Pleasanton, die drei Meilen entfernt auf der Straße nach Silver City am Rand der Flutebene des San Francisco Flusses lag, sahen sie die Kavalleriekolonne ziehen. Durch Galeanas Fernglas konnten sie erkennen, dass die Soldaten die Gefangenen über ihre Sättel geworfen hatten, um schneller vorwärts zu kommen. Die Männer wollten hinunter zum Feind, aber Josanie hielt sie zurück.
„Zu viele Gewehre für uns”, sagte er. „Bevor wir sie erreichen können, haben sie die Gefangenen längst getötet. Wir werden ihnen später folgen.” Also wendeten sie ihre Pferde und ritten zurück in die Berge.
Alle Augen richteten sich auf sie, als sie ins Lager kamen. Josanie suchte den Blick seines Bruders und schüttelte den Kopf. Sie stiegen ab. Die Toten waren gewaschen, gereinigt und nebeneinandergelegt worden. Dann begann das Wehklagen, der traurige, durchdringende Trauergesang. Er hallte über die Berghänge und endete mit einem Schrei wie der Ruf des Wanderfalken am Himmel, schroff und rau. In Decken gewickelt wurden die Toten von ihren nächsten Verwandten getragen. Die Träger entfernten sich vom Camp, Chaddi begleitete sie. In einer Nische an der Rückseite der Höhle, wo die Wände stark abfielen, wurden die Körper mit einigen persönlichen Dingen bestattet. Der Begräbnisplatz wurde mit Felsen verschlossen.
Die Arbeit dauerte einige Zeit. Chaddi hatte außerhalb ein kleines Feuer errichtet, und als die Träger heraus kamen, legte er eine Handvoll Salbei auf die brennenden Zweige, Geistermedizin. Sie badeten ihre Hände im Rauch und rieben sich von den Mokassins bis zum Kopf ein, um sich zu reinigen. Im Camp wurde das lange schwarze Haar derer, die nahe Verwandte der Verstorbenen waren, auf Schulterlänge gekürzt. Josanies Frau Jaccali schnitt das Haar ihres Ehemannes, Chihuahuas und ihr eigenes.
Chihuahua sprach kurz. Er nannte die wahren Chokonen-Namen der Toten zum letzten Mal. Sie würden nie wieder ausgesprochen werden. Die Toten wollten Frieden. Würden ihre Namen von den Lebenden geatmet werden, könnten ihre Geister, durch diese Worte gerufen, aus der anderen Welt kommen und diese Welt stören.
NEUN
Bevor es wirklich hell wurde, baten mein Cousin (Josanies Sohn) und ich unsere Mütter um unsere Bögen und Pfeile und gingen die Anhöhe hinunter, um nach Kaninchen Ausschau zu halten. Links von uns befand sich die Schlucht mit der Höhle, und nicht weit davon entfernt waren die Pferde verborgen. Im Falle eines Angriffs sollten unsere Männer die Kavallerie von den Schutzlosen weglocken.
Plötzlich summte etwas an meinem Ohr vorbei. Ich hörte einen Schuss, dann viele. Mein Cousin stürzte. Als ich versuchte, ihn aufzuheben, spürte ich Blut an meinen Händen. Ich konnte ihm nicht auf die Füße helfen. Er sagte, dass ich gehen und mich selbst retten sollte. Plötzlich kam eine Frau zu uns. Sie hob meinen Cousin auf ihre Schulter und rannte den Bergrücken entlang. Ich folgte ihr.
Als wir eine Stelle erreichten, an der ein seichtes Bächlein über die Klippe tröpfelte, hielt sie an. Die Steine waren glitschig. Unten sah ich einen Mann stehen. Sie legte den verwundeten Jungen nieder und schubste ihn hinunter. Der Mann, José Second, fing ihn auf und ließ ihn vorsichtig zu Boden gleiten. Dann stieß sie mich von der Klippe und kam nach, aber weil sie schwerer war, fielen sie und José Second hin. Mit dem verletzten Jungen in seinen Armen führte er uns zur Höhle, wo schon viele Frauen und Kinder waren.
Die Kavallerie verfolgte die Männer, aber sie ließen einen schwarzen Sergeant und Soldaten zurück, welche die Frauen suchen sollten. Sie ritten zur Quelle, um ihre Pferde zu tränken, entdeckten unsere Spuren, folgten ihnen und schleiften uns aus der Höhle hinaus. Drei Frauen waren verwundet, eine hatte ein Einschussloch in der Wade. Meine Mutter war auch dort. Ich suchte nach meiner Großmutter, aber meine Mutter schüttelte den Kopf.
Tränen rannen über ihr Gesicht, und ich wusste, dass meine Großmutter getötet worden war. Es fehlten noch andere Frauen, und wir erfuhren nie, ob sie tot oder verletzt waren.
Die Soldaten legten meinen Cousin auf ein Maultier, aber er kam nicht lebend in Fort Bowie an. Keiner der Frauen, nicht einmal den verwundeten,