Extra Krimi Paket Sommer 2021. A. F. Morland
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»Wo?«
An einer Stelle war die Plane über dem Cockpit nicht festgezurrt, wie hatte er das überhaupt in diesem Zwielicht sehen können? Sie hatte noch nichts begriffen, mit einer Hand hob Rogge die Plane an, beugte mit der anderen rücksichtslos ihren Kopf nach unten und stieß sie vorwärts: »Rein!«
Wie ein Sack fiel sie in die Vertiefung, Rogge folgte ihr, trat ihr auf den Arm, sie stöhnte laut auf, aber zu Entschuldigungen war jetzt keine Zeit, warum war diese verdammte Plane so sperrig, er kratzte sich die Fingerkuppen blutig, krallte und ruckte, endlich gab sie nach, glitt wieder in die alte Position. Hinter sich hörte er sie leise weinen.
Hoffentlich schwankte das Boot nicht - »Um Gottes willen, nicht bewegen!«
Der Rumpf kam zur Ruhe, jetzt konnte Rogge sich nur noch auf seine Ohren verlassen, aber die Stille war nicht weniger bedrohlich als vorhin das Knacken. Was würden die Männer tun? Sie schienen rücksichtslos und zu jedem Risiko bereit, aber wenn Rogge die Motelgäste mit den Schüssen aufgeweckt oder das Personal alarmiert hatte ...
Wie viel Zeit verstrichen war, vermochte er nicht zu schätzen, als er die leisen, verstohlenen Geräusche hörte. Quälend
langsam kamen sie näher, vorsichtige Schritte auf der Bohlenbrücke, sie hielten inne. Von der Brücke zweigten die Stege ab, wenn er die Schritte so genau hörte, konnten die Männer nicht weit entfernt sein. Gemurmel, die beiden sprachen miteinander, zu leise, um etwas zu verstehen. Dann trennten sie sich wohl, ein Schrittgeräusch entfernte sich, ein anderes kam näher, Rogge richtete die Pistole auf die Stelle über seinem Kopf. Wenn der Mann die Lücke in der Verzurrung entdeckt haben sollte ...
In der nervenfressenden Stille hörte es sich an, als trete der Unbekannte ihnen auf den Kopf, nein, er blieb nicht stehen, ging weiter den Steg entlang bis zum Ende. Kam zurück, etwas schneller, strich wieder an ihrem Boot vorbei, täuschte er sich jetzt? - Nein, die anderen Schritte ertönten von rechts. Wieder das unverständliche Gemurmel, dann entfernten sich die Schrittgeräusche. Entweder hatten sie es aufgegeben, weil sie nicht alle Boote durchsuchen konnten. Oder es wurde zu hell, sie mussten abziehen, bevor sie entdeckt wurden.
Charlottes schwerer Atem beruhigte sich.
»Wir müssen noch warten!«, hauchte Rogge. Es konnte eine List sein, vielleicht hofften die Männer auf ihre Ungeduld.
»Ja«, gab sie leise zurück.
Eine Viertelstunde. Wenn er sich nicht täuschte, wurden Motoren angelassen, ja, da fuhren Autos weg. Die Männer - oder Motelgäste?
»Setzen Sie sich auf den Boden, aber ganz vorsichtig.«
»Ja.« Er spürte die Bewegung, das Boot schaukelte wieder, Rogge griff nach ihrem Arm und sie hielt inne. Die Kante der Sitzbank drückte in seine Rippen, er biss die Zähne zusammen.
Noch eine Viertelstunde? Mittlerweile hatte er jedes Zeitgefühl verloren. Warum blieb es oben so ruhig? Manche Gäste legten wohl wenig Wert darauf, die Polizei zu alarmieren und anschließend ihre Personalien zu Protokoll zu geben. Protokoll - er musste erklären, wie und warum er einen Mann erschossen hatte. Ohne Vorwarnung, ohne Anruf. Mit seiner Dienstwaffe. Ihm schwindelte.
Dann hielt Rogge es nicht mehr aus, drückte mit der Faust die Plane nach oben, bis Licht durch den winzigen Spalt fiel, gerade genug, die Zeiger auf seiner Uhr zu erkennen. Schon 7.30 Uhr. Sie konnten doch nicht über eine Stunde ...
»Sind sie weg?«
»Ich hoffe!«, versetzte Rogge barsch und schlängelte sich nach draußen. Alle Muskeln und Knochen protestierten, vorsichtshalber blieb er auf dem Holz liegen und schaute sich um. Kein Mensch weit und breit. Beunruhigt schüttelte er den Kopf. Wo waren die Kollegen ... oder hatten die Männer die Leiche mitgenommen?
»Kann ich rauskommen?«
Ungelenk und steif krabbelte sie auf den Steg und stöhnte, als er ihr aufhalf. Richtig hell war es nicht geworden, dicke Wolken hingen tief über dem See, aber in dem trüben Licht konnte Rogge das Motel erkennen, in dem alle Gäste noch zu schlafen schienen, nirgendwo brannte Licht.
»Danke«, flüsterte Charlotte Zinneck und Rogge zuckte die Achseln.
»Ich wusste nicht mehr ...«
»Wo haben Sie sich denn die ganze Zeit herumgetrieben?«
»In Rollesheim, in einer Pension.«
Neugierig musterte er sie. Sie trug Jeans und eine hellblaue Bluse und beide Stücke sahen so aus, als habe sie mindestens eine Nacht darin geschlafen. An ihren dicken Joggingschuhen klebte Lehm.
»Frieren Sie nicht?«
»Doch«, sagte sie und prompt klapperten ihre Zähne.
»Ich glaube, Sie haben mir viel zu erzählen.«
»Ja«, stimmte sie geistesabwesend zu. »Am Montag bin ich einfach weggefahren, irgendwohin. Aber ich hatte kaum Geld und vorgestern musste ich aus der Pension ausziehen ...«
»Und was hat Sie an den Beilhorner See verschlagen?«
»Ein Freund von Achim hat hier ein Boot liegen, da hab ich mich versteckt.« Sie schüttelte sich und trat vor Kälte von einem Fuß auf den anderen. »Heute Nacht sind sie dann gekommen.«
»Wer?«
»Ich weiß es nicht. Die Männer, die schon lange hinter mir her sind.«
Sie schlug die Arme um sich und Rogge gab sich einen Ruck.
»Was halten Sie von einem ordentlichen Frühstück?«
»Ganz, ganz viel«, antwortete sie und ihre hysterische Heiterkeit warnte ihn.
»Prima. Haben Sie noch Sachen auf dem Boot?«
»Meine Handtasche. Und meine Jacke.« Unwillkürlich griff sie nach der aufgesetzten Blusentasche und kicherte schrill, während sie ihm seine Visitenkarte zeigte. »Die hatte ich immer bei mir.«
»Sehr schmeichelhaft für mich«, blaffte Rogge sie an und sie fuhr zusammen. Jetzt bloß kein Ausrasten, das Schlimmste hatten sie schließlich überstanden.
Das Boot war ein winzig kleines Versteck und noch nicht für den Winter hergerichtet; Rogge schauderte bei dem Gedanken, darin übernachten zu müssen. Die Kajüte war eng und sie musste ziemlich gefroren haben. Sie kehrte mit einer scheußlichen Wolljacke zurück, die ihr bis auf die Oberschenkel reichte. Weil sie seinen Blick richtig deutete, erklärte sie trotzig: »Mehr Geld konnte ich nicht ausgeben.«
»Warum haben Sie Schönborn nicht um Hilfe gebeten?«
Ihr Gesicht verschloss sich, darauf wollte sie nicht antworten. Noch nicht. Schweigend gingen sie auf das Hotel zu. Charlotte Zinneck zögerte, als er vom Weg abwich und auf die Stelle zusteuerte, an der die Leiche gelegen hatte. Weg, keine Spur, und nur wer sehr genau hinschaute, entdeckte die Schäden, die sie heute Morgen an Blumen und Sträuchern angerichtet hatten. Das Glas der Verandatür war zersplittert, nun ja, darüber würde sich später ein Gast beschweren, aber ein vernünftiger Betrieb hatte eine Versicherung.
»Wo