Die Muse von Florenz. Manuela Terzi

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Die Muse von Florenz - Manuela Terzi

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versuchte Juliana, den Hass in den Augen ihres Vaters zu vergessen, mit dem er ihre Mutter bedacht hatte. Diese ungezügelte Wut, mit der er auf die Büste eingeschlagen hatte, als symbolisierte sie den Teufel selbst. Ihr linkischer Versuch, noch hastig den Schaden zu begrenzen, den Bernardo an dieser Büste angerichtet hatte, erschien ihr nun sinnlos. Sie hatte diese Büste retten wollen, ohne zu ahnen, dass just Darios Hände über den einst makellosen Stein geglitten waren.

      »Was hattet Ihr dort zu suchen, Juliana?«

      In der langen Zeit, die Antonio geschwiegen hatte, galten ihre Gedanken Dario. Antonios unterschwelliger Vorwurf stach ihr ins Herz. »Ich wollte sehen, wovon die Menschen sich erzählen, Vaters Etablissement der Künste mit eigenen Augen erleben.« Ohnmächtig, ihre Enttäuschung in Worte zu fassen, sank sie wieder auf die Bank. »Wusstet Ihr, was passieren würde? Vater benimmt sich … seltsam.« Sie scheute sich davor, Giovannis Verdacht zu wiederholen. Verbarg sie wie Mutter ihre Augen vor Vaters Veränderung und ignorierte, was tatsächlich vor sich ging? Aus Angst, die gewohnten Bahnen ihres behüteten Lebens zu zerstören?

      »Es war nicht für Eure Augen bestimmt, glaubt mir. Ich mache mir die größten Vorwürfe, Euch zu spät entdeckt zu haben. Dabei hätte ich mir denken können, dass Ihr in der Nähe seid. Unfolgsam wie ein Kind.«

      Juliana schnaubte und wollte ihm widersprechen, doch dann besann sie sich mühsam eines Besseren und hob ihren Fächer vors Gesicht. Antonio musste nicht sehen, wie sehr seine Worte sie verletzten. Unbeholfen nahm er neben ihr Platz und räusperte sich mehrmals, bis ihn der Mut verließ. Juliana lächelte traurig. Manchmal vergaß sie, dass er nur zwei Jahre älter war als sie. Seine Klugheit und Besonnenheit waren der Grund, warum Vater von dem jungen Mann eingenommen war. Es gab oft genug diesen unbeholfenen, gar schüchternen Antonio, den sie nicht mochte. Von diesen Gedanken ahnte der junge Mann mit dem verträumten Blick nichts. Nachdenklich kehrte er ihr den Rücken und verharrte schweigend an der Balustrade. Sein schwarzes Haar glänzte im Sonnenlicht. Wäre er ihrem Vater nicht so blind ergeben, wäre Antonio durchaus ein Freund, dem man sich anvertrauen könnte. Nun aber, mit dem Wissen, dass seine Anwesenheit ihrer beider Leben verändern sollte, spürte sie eine unsichtbare Mauer zwischen ihnen. Langsam erhob sie sich und blieb neben Antonio stehen, der angestrengt in die Tiefe blickte. Fand er auf der staubigen Straße vor der Casa Serrati Antworten?

      »Findet Ihr Statuen nackter Frauen schön? Ist es das, was Männer anzieht?« Ihre Wangen brannten, doch die Frage drängte sich ihr so stark auf. Sie konnte nicht anders. Nach dem Gespräch »unter Frauen«, so hatte Mutter diese peinliche Prozedur genannt, war sie vollends verwirrt gewesen. Dem Manne zu Willen sein! Warum musste sie schweigen, wenn ihr nach anderem der Sinn stünde? Wenn sie an Darios Lippen dachte … Sie schluckte, der Fächer schlug gegen ihre Nasenspitze.

      Heftig schüttelte Antonio den Kopf. »Ihr seid töricht! Das ist Fleischeslust, nicht Liebe!« Seine Hände zitterten. »Ihr seid zu jung, um das zu verstehen.«

      »Aber nicht zu jung, um Euch zu heiraten?«

      Er verstummte. Juliana hielt Antonio am Oberarm fest und zwang ihn, sie anzusehen. »Ich weiß von Vaters Absichten, mich zu vermählen. Mit Euch!« Verzweifelt hing sie an Antonios Arm. »Ich mag unerfahren sein, nicht blind. Warum hat mein Vater Mutter vor seinen Gästen beleidigt? Die beiden lieben sich!« Sein Blick ruhte auf ihrer Hand. Juliana dämmerte, dass sie zu weit gegangen war. »Verzeiht«, murmelte sie erstickt und floh mit weichen Knien in den Schatten zurück. Hastig hielt sie ihren Fächer höher, damit er ihre glühenden Wangen verbarg. Was war nur in sie gefahren, dass sie Antonio so nahegekommen war?

      Lag es an den seltsamen Geräuschen und dem Stöhnen, das aus dem Salon unter ihnen hochdrang? Es verstörte sie zutiefst. Urteilte sie gar zu voreilig über die tollwütigen Menschen unter ihnen, die offenbar übereinander herfielen und sich ungeniert liebten? Deshalb verbot man ihr, dabei zu sein. Hatte Mutter darum dieses seltsame Gespräch vorbereitet? Das, was an Julianas Ohren drang, zeugte jedoch weder von Liebe noch von Hingabe. Die Rufe der Frauen erklangen voller Schmerz, ohne Freude. Qualvolle erstickte Schreie, dazwischen ein Grunzen, das sie anwiderte. Nein, so hatte sie sich die Verbundenheit zwischen Mann und Frau nicht vorgestellt, von der Mutter ihr erzählte. Sie hielt sich die Ohren zu und wollte weglaufen.

      Antonio hielt sie zurück. Sanft strich er über ihren Rücken, sprach ihr Mut zu. Es tat gut, sich beschützt zu wissen. »Bewahrt Eure Unschuld, Juliana, solange Ihr könnt«, flüsterte er. Als sie entsetzt aufsah, sprach er hastig weiter. »Ich meinte Eure Gabe, die Dinge ungeschönt zu betrachten und auszusprechen, was Euch auf dem Herzen liegt.«

      Antonios sanfte und anerkennende Worte beschämten sie. Oft hatte sie sich mit Assunita über den unbeholfenen Gehilfen lustig gemacht oder ihn nachgeäfft, wenn er den Befehlen ihres Vaters zu eifrig folgte. Dabei erkannte sie erst jetzt, dass sie dem jungen Mann, der seit einigen Monaten unter demselben Dach lebte, Unrecht getan hatte. Juliana schoss erneut das Blut in den Kopf. Sie dachte an das Gespräch mit ihrer Mutter zurück. Voller Hoffnung hatte Mutter von Antonio gesprochen. Ihr Blick ruhte dabei auf Juliana, die sich immer unwohler gefühlt hatte. Mochte Antonio ein Bewunderer ihres Vaters sein, so hieß er nicht alles redlich, was dieser tat. Vielmehr verurteilte auch Antonio, was geschehen war.

      Als hätte er ihre Gedanken gelesen, lächelte er. »Welcher Frevel. Ferdinando Serrati ist ein kluger Mann und umgibt sich mit den schönsten Skulpturen und Bildern. Dabei erkennt er nicht, welch kostbaren Schatz er vor sich hat und zerstört.« Plötzlich presste er seine Lippen auf ihren Mund. Juliana glitt vor Schreck der Fächer aus der Hand.

      *

      Längst hatte Juliana die schützenden Mauern der Casa Serrati hinter sich gelassen und verharrte atemlos im Schatten eines schmalen Gässchens nahe dem Fluss. Sollte sie umkehren und der Anweisung ihres Vaters folgen, der magischen Grenze des Arnos fernzubleiben? Vielleicht waren ihrem Vater die leuchtenden Augen, die roten Wangen nicht entgangen, mit denen sie neuerdings heimkam. Wahrscheinlich bemerkte er ihr Verschwinden nicht einmal. Seit dem denkwürdigen Empfang verschanzte er sich immer öfter in seinem Arbeitszimmer und verließ es nur, um sich zu Bett zu begeben. Dabei fand er weniger Schlaf als früher, wie Maria ihr anvertraut hatte.

      Die Aussprache mit Antonio hatte sie verwirrt. Manchmal sehnte sie sich danach, ihn fern der Casa zu treffen, und fürchtete zugleich, ihm zum ersten Mal nach diesem Kuss in die Augen sehen zu müssen. Noch immer meinte sie, seine Lippen zu spüren, doch das Kribbeln, von dem Assunita ihr kichernd erzählt hatte, war ausgeblieben. Auch Antonio vermied es, ihr zu begegnen. Seit Tagen war er von frühmorgens bis abends unterwegs. Auch er würde ihr Fortbleiben kaum bemerken. Seit jenem verhängnisvollen Tag im Arbeitszimmer, in dem sie das sonderbare Gespräch ihrer Eltern belauscht hatte, war sie hellhöriger. Hatte Vater mit dem Gedanken geliebäugelt, ihre Stadt zu verlassen? Mit Mutter konnte sie nicht darüber sprechen, ohne ihr unerlaubtes Eindringen einzugestehen. Die ungetrübte Freude, ihre Eltern glücklich zu wissen, war verschwunden. Dina schien ihrem Mann verziehen zu haben. Dafür überhäufte Ferdinando sie mit kostbarem Schmuck und edler Seide. Seinen beiden Frauen, Dina und Juliana, galten seine steten Gedanken, betonte er emsiger denn je, und sein Getue um sie beide nahm zu. Keinem Künstler in der Toskana gelänge es, eine Statue von vergleichbarer Anmut und Schönheit zu schaffen. Danach war er wieder für Tage in seinem Arbeitszimmer verschwunden. Auch Julianas Hoffnung, Vaters Zorn auf Dario verflöge, erlosch bald. Nicht nur Dario bot ihrem Vater die Stirn, auch sein Freund, der capomaestro Brunelleschi, konnte nicht umhin, seine Enttäuschung kundzutun. Nacht für Nacht streifte ihr Vater unruhig durchs Haus und fand kaum Schlaf. Tiefe Augenringe verrieten den unruhigen Geist, der in ihm wachte. In den wenigen Gesprächen, die sich ergaben, schreckte er ständig auf und wirkte verwirrt. Dina behielt ihre Sorge für sich, dennoch spürte Juliana, dass sich in der Casa Serrati etwas verändert hatte. Erfüllten einst Zuneigung und fröhlicher Gesang die Casa, flüsterten die Mägde selbst tagsüber in der Küche, aus Angst, den Zorn des notario auf sich zu ziehen.

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