Saarland-Connection. Greta R. Kuhn
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Im ersten Moment hatte ihn ein Schauer der Erregung durchlaufen. Diese Ergänzung hätte er sich in seinen kühnsten Träumen nicht ausdenken können, aber sie war perfekt. Er hatte sich dabei ertappt, das Gesamtbild in sich aufzusaugen, durchzuatmen. Bis ihm bewusst wurde, dass dies alles zerstörte. Dass es nicht er gewesen war, der diesen Menschen dort platziert hatte. Dass es nicht rechtens war. Dass es sich um ein Verbrechen handelte. Ein Verbrechen, das seine Arbeit zunichtemachte. Sein Kunstwerk zu einem Tatort. Seine Aussage zu einem müden Appell neben dem Tod. Mit dem ersten Aufschrei aus der Besuchermenge hatte er Achim angeschaut, der kalkweiß neben ihm stand. Er war einige Schritte rückwärts gewankt bis zur kühlen Wand, an der er ruckelnd herunterrutschen konnte.
Dort saß er immer noch, als er sich mit den Polizisten unterhielt.
»Herr Pausini, wir möchten Sie bitten, erst einmal in der Nähe zu bleiben. Es wäre gut, wenn wir morgen früh auf dem Präsidium Ihre Aussage aufnehmen könnten. Wäre 9.00 Uhr für Sie in Ordnung?«
Die Kommissarin schaute mit fragendem Blick in Achims Richtung, als er sich nicht rührte. Der nickte kurz und murmelte: »Kein Problem, ich werde mich darum kümmern. Komm, Paulo, lass uns zurück ins Hotel fahren. Es wäre sicher gut, wenn wir hier weg wären, bevor die Presse davon Wind bekommt.«
Nur widerwillig konnte er seinen Blick von seinem Werk lösen.
Die Natur schlug zurück.
13.
Allein dafür, die Gesichter aus nächster Nähe zu sehen, als sie seine Botschaft entdeckten, hatte sich der ganze Aufwand gelohnt. Er selbst hatte die Spannung kaum ausgehalten, dann noch diese dramatische Musik als Einleitung der Enthüllung. Pausini und sein Manager-Schatten waren mit der Moderatorin erst von der Bühne und dann durch die Menge gelaufen, die sich vor ihnen geteilt hatte wie das Meer vor Moses. Irgendwie bekam er diese religiösen Bilder nicht aus seinem Kopf. Aber es passte auch einfach zu gut.
Hätte er den Arm ausgestreckt, hätte er Pausini berühren können, als er an ihm vorbeischritt, den Kopf erhoben, den Blick verklärt nach vorn gerichtet. Was für ein Theater. Als der Vorhang dann fiel und Pausini entdeckte, dass sein Werk verändert, ja verbessert worden war, war seine Fassade, mit etwas Zeitversatz zwar, aber in Sekundenschnelle gebröckelt. Sein Körper war in sich zusammengefallen und sein Blick ungläubig, wie ein kleines Kind vor dem reich geschmückten Weihnachtsbaum, auf seinem Beitrag haften geblieben. Regungslos. Unter Schock.
Und auch im Publikum war nach und nach der Groschen gefallen. Spitze Schreie, Panik, rauschendes Gemurmel waren wie Musik in seinen Ohren gewesen. Ein Crescendo der Erkenntnis, Gläser fielen zu Boden, man schob sich in Richtung Ausgang, angsterfüllte Blicke auf allen Seiten. Nur er blieb ruhig und beobachtete.
Als er vor wenigen Wochen die Einladung zu der Vernissage in den Händen gehalten hatte, wusste er, dass es der richtige Zeitpunkt sein würde. Es war ein Zeichen Gottes. So lange schon beschäftigte ihn sein Plan, hatte er Hunderte von Varianten verworfen, neue Ideen entwickelt, aber nie gewusst, wie und wann er es anfangen sollte. Dann kam der Moment. Die Einladung ging an seinen Chef, aber es war ein Leichtes für ihn gewesen, sich auf die Gästeliste schreiben zu lassen. Er wusste, dass sein Chef solche Veranstaltungen nicht besonders schätzte, und außerdem würde er zu diesem Termin auf Dienstreise sein. Er hatte sie ihm selbst organisiert.
Dass die Polizei so schnell vor Ort sein würde, hätte er sich denken können. Es stand ja wirklich jeder, der in diesem verdammten Bundesland auch nur das kleinste Pöstchen innehatte, auf dieser Gästeliste. Er musste lächeln. Die Hauptkommissarin Veronika Hart hatte er bisher nur aus Pressemitteilungen gekannt. Auch sie war ganz nah an ihm vorbeigestürmt. Wie sehr er doch diese Inkognitoposition genossen hatte und wie gerne er dem Trubel noch weiter zugesehen hätte. Doch da sich die Halle schnell leerte, musste auch er schauen, dass er Land gewann. Schweren Herzens hatte er sich von seinem Posten entfernt, nicht ohne unauffällig ein letztes Bild mit seinem Handy zu schießen. Dann war er in der Menge untergetaucht und über einen der Personaleingänge zu seinem Auto gelangt. Sich noch einmal in die Schlange zu stellen, um seine Daten abzugeben, hätte er nicht ausgehalten. Zu sehr pochte das Adrenalin in seinem Körper. Er musste sich stark zurückhalten, um nicht laut loszulachen.
Sein erster Coup war geglückt. Nun konnte er mit der Planung für Nummer zwei beginnen.
14.
Veronikas Team kam 25 Minuten später am Tatort an und sie war froh, dass ihre Kollegen sie von den schrägen Mutmaßungen und Small-Talk-Versuchen des Staatsanwalts erlösten. Dafür überhörte sie auch gerne Max Langners schnalzende Bemerkung zu ihrem Outfit. Sie schickte ihn gleich in Richtung Ausgang, wo er sich einen Überblick über die Lage dort verschaffen sollte.
Auch Sven Becker kannte das Opfer. Sie wunderte sich immer wieder, wie viele Kontakte ihr Kollege im Saarland hatte. Durch seinen Handballsport und seine langjährige Erfahrung bei der Kripo in Saarbrücken gab es anscheinend niemanden mehr im ganzen Bundesland, dem er nicht schon einmal begegnet war. Hinzu kam sein unverwüstliches Namensgedächtnis. Er war eine wandelnde Saar-Wikipedia und auch deshalb in ihrem Team unverzichtbar. Die Differenzen, die sie während ihres letzten Falls gehabt hatten, hatten sie zum Glück aus dem Weg geräumt. Nach ihrer Zeit im Krankenhaus hatten sie sich bei einem privaten Treffen ausgesprochen und sie rechnete es Becker hoch an, dass er ihr offen Rede und Antwort gestanden und sich für sein Handeln ehrlich bei ihr entschuldigt hatte. Sie ahnte, dass ihm das nicht leichtgefallen war, weshalb sie es noch mehr zu schätzen wusste. Auch wenn es ihr immer noch schwerfiel, ihn zu duzen.
»Es hat irgendwie was Religiöses, wie er so da kniet«, konstatierte Sven in die schweigende Runde. Das Team der Spurensicherung hatte seine Arbeit aufgenommen und damit begonnen, den Fundort der Leiche akribisch zu fotografieren. Das monotone Klicken des Fotoapparats begleitete Veronikas Überlegungen.
»Auf den ersten Blick haben Sie, ähm, hast du sicher recht. Eine betende Position und selbst die Augen scheinen fixiert worden zu sein, damit sie offen bleiben. Auch die Wunde an der Seite erinnert an die Verletzung von Jesus am Kreuz. Mal abwarten, was unser Gerichtsmediziner Thiel zu dem Ganzen zu sagen hat. Da hier absolut kein Blut zu sehen ist, müssen wir versuchen, den Tatort ausfindig zu machen. Lasst euch Verstärkung von der Hundestaffel schicken. Die sollen schauen, ob irgendwo auf dem Gelände was zu finden ist. Herr Jahnke, wie groß ist das hier denn ungefähr?«
Gerrit Jahnke setzte ein schiefes Lächeln auf.
»Also, wenn wir über das Gelände des Weltkulturerbes reden, dann sind das knapp 7,5 Hektar Grundfläche. Insgesamt umfasst das Hüttenareal aber 260 Hektar, mit unzähligen kleinen und größeren Bauten.«
»Na prima«, seufzte Veronika. »Dann packen wir es an. Sven, übernimmst du die Koordination hier vor Ort? Ich würde mich auf den Weg zu den Angehörigen machen. Herr Klein, da Sie das Opfer persönlich kannten, wollen Sie vielleicht mitkommen? Ach so, und Herr Jahnke. Wäre prima, wenn Sie morgen zu uns aufs Präsidium kommen könnten. Wir bräuchten noch Ihre Aussage. 10.00 Uhr?«
Sebastian Kirschmeier hielt sie auf, als sie sich gerade wegdrehen wollte.
»Frau Hart, hier ist meine Karte. Ich habe Ihnen auch meine private Handynummer draufgeschrieben. Was immer Sie von mir brauchen, melden Sie sich einfach. Finden Sie den Täter.«