Saarland-Connection. Greta R. Kuhn
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15.
Das Überbringen von Todesnachrichten gehörte nicht unbedingt zu ihren Stärken. Sie war froh, dass Lothar Klein sie noch zu den Angehörigen von Benno Hartmann begleitet und die Gesprächsführung gleich übernommen hatte. Er kannte Frau Hartmann, die, wie sich herausstellte, dessen dritte Ehefrau war, persönlich und kümmerte sich rührend um sie, während Veronika wie Falschgeld in dem tanzsaalgroßen Wohnzimmer herumstand und dem Muster der Marmorfliesen mit den Augen folgte. Sie war gerade dabei, sich noch einmal die Details zum Leichenfundort ins Gedächtnis zu rufen, als sie eine unvermittelte Berührung zusammenzucken ließ. Eine kleine Hand hatte sich in ihre geschoben und zwei große ozeanblaue Kulleraugen in einem von blonden Locken umrahmten Gesicht schauten sie neugierig an.
»Und wer bist du?«, fragte die helle Kinderstimme flüsternd.
»Oh, ich«, räusperte sich Veronika, um sich schnell wieder zu fangen. »Ich bin Polizistin. Mein Name ist Veronika und wie heißt du?«
»Ich heiße Pauline, aber alle nennen mich Polly. Hat mein Papa etwas Schlimmes gemacht?«
»Wie kommst du denn darauf? Nein, das hat er nicht.«
»Na ja, er hat sich doch immer so viel geärgert«, erwiderte Polly schulterzuckend.
Veronika war in die Knie gegangen, um auf Augenhöhe mit dem kleinen Mädchen zu sein. Jetzt überlegte sie fieberhaft, was sie ihr stattdessen als Grund ihres Besuchs nennen konnte. In dem Moment erblickte die Mutter ihre Tochter und rief sie zu sich. Erleichtert warf Veronika ihrem Chef einen Blick zu. Der redete leise auf die beiden ein, während seine Hand leicht auf Frau Hartmanns Unterarm verweilte. Polly schien nicht zu verstehen, was die beiden Erwachsenen ihr sagten, und schaute immer wieder ungläubig zwischen ihnen hin und her, bis sie ihre Hände vors Gesicht schlug und laut zu schluchzen begann.
Klein trat zu Veronika und flüsterte ihr zu:
»Sie können ruhig schon fahren, ich kümmere mich hier um den Rest und lasse mich später von einem Kollegen abholen. Ich denke, das wird hier noch eine Weile dauern. Ich werde Frau Hartmann für morgen ins Präsidium bitten. Heute Abend macht es keinen Sinn, eine Aussage aufzunehmen. Können Sie noch jemanden vom Kriseninterventionsteam herbestellen? Ich denke, Leonie wird Unterstützung brauchen nach dieser Nachricht. Die beiden haben erst vor sechs Monaten geheiratet, die arme Frau. Sie ist erst 32 und schon Witwe. Wie soll sie das bloß schaffen?«
Veronika irritierte der letzte Satz, eine seltsame Mischung aus Empathie und Alte-Männer-Gehabe. Doch sie ließ sich nichts anmerken, verabschiedete sich leise und verschwand lautlos aus dem Haus. Froh, diesen Tag endlich abschließen zu können.
16.
Sven Becker war schon früh im Präsidium und trug die ersten Ergebnisse des letzten Abends und der Nacht zusammen. Da er in Völklingen wohnte, war es von der Hütte bis zu ihm nach Hause nicht mehr weit gewesen, auch wenn sich der Abstecher für die paar Stunden nicht wirklich gelohnt hatte.
Die Spurensicherung hatte noch bis in die frühen Morgenstunden die Örtlichkeiten akribisch nach Abdrücken und ungewöhnlichen Hinterlassenschaften durchkämmt. In einer Location, in der sich gerade über 500 Menschen plus mehrere Dutzend Mitarbeiter aufgehalten hatten, eine wahre Sisyphosarbeit, an deren Ende Hunderte kleiner Plastiktütchen mit Indizien und Spuren befüllt waren. Es würde Tage, wenn nicht Wochen dauern, um diese alle auszuwerten.
Fest stand, dass der Fundort der Leiche nicht mit dem Tatort übereinstimmte, das hatte nun auch die Forensik offiziell bestätigt. Das Opfer war vorher ausgeblutet worden, denn man hatte so gut wie keine Blutspuren an der Fundstelle gefunden. Auch die Spürhunde waren am Abend nicht mehr fündig geworden. Auf dem Gelände hatten sie nicht angeschlagen, wohl aber vor einem Lastenaufzug, der in der Nähe der Nebenhalle mündete und von der Rückseite des Gebäudes angefahren werden konnte.
Becker hatte gerade per Mail die Bilder der Überwachungskameras auf dem gesamten Gelände der Völklinger Hütte angefragt, als Veronika den Meetingraum betrat, gefolgt von den Kollegen Max Langner, Sylvia Meyer und Philipp Weissmann. Über ihren Kollegen Schneider, der bei ihrem letzten größeren Einsatz tödlich verwundet worden war, verlor niemand mehr ein Wort. Im Nachgang hatten sie beweisen können, dass er im Dienst des Sokolov-Clans gestanden und für diesen innerhalb der eigenen Reihen spioniert hatte. Spielschulden und Drogenprobleme hatten ihn immer tiefer in den Sumpf gezogen. Becker warf sich bis heute vor, dies nicht früher bemerkt zu haben – schließlich hatte er Schneider seit Jahren gekannt.
Er war froh, dass nun alle wieder beisammen waren, und berichtete von seinen Erkenntnissen, die Veronika ihrerseits auf dem Whiteboard festhielt, welches auf der Längsseite des Besprechungsraums prangte. Langner erzählte von Unstimmigkeiten bei den Listen und dass einige der Besucher über Umwege nach draußen gelangt waren. Ob sie damit der Registrierung oder den langen Warteschlangen hatten entgehen wollen, blieb offen, der Stimmung nach zu urteilen, tippte Langner aber auf die zweite Option.
»Ich gehe davon aus, dass viele gar nicht realisiert haben, was da gerade vorgefallen ist. Jeder wollte so schnell wie möglich raus. Dass es nicht noch zu Handgreiflichkeiten gekommen ist, ist echt ein Wunder.«
Becker seufzte gedehnt, er wusste, was das bedeutete. Sie würden jeden Einzelnen, der nicht auf einer der beiden Listen stand, anrufen, besuchen oder herzitieren müssen. Und was war mit den Leuten, die schon am Eingang nicht erfasst worden waren? Niemals würden sie eine hundertprozentige Sicherheit haben, wer alles wirklich vor Ort gewesen war.
Aber spielte das überhaupt eine Rolle? Das Opfer war ja schon eine Weile tot gewesen, bevor es so effektvoll enthüllt worden war.
»Brauchen wir denn wirklich alle Namen? Wenn wir jeden Einzelnen ausfindig machen wollen, dann werden wir ja nie fertig. Alleine die im System zu überprüfen … Und was sollen wir sie fragen? Entschuldigung, haben Sie vielleicht einen Baulöwen umgebracht? Oder gesehen, wer es getan hat?« Er stemmte die Hände in die Hüften.
»Du hast recht, Sven. Vor Ort wird sich keiner die Hände schmutzig gemacht haben, aber wir können nicht ausschließen, dass der Täter nicht noch einmal zurückgekehrt ist, um sich die Wirkung seiner Tat live anzuschauen. Bei der Inszenierung und der religiösen Symbolik spricht das für jemanden, der Aufmerksamkeit will, der vielleicht auch eine Botschaft hat. Dies aber nachzuweisen, wird fast unmöglich sein. Ich denke, wir müssen uns dem Fall über das Opfer nähern. Was wissen wir über Benno Hartmann?«, fragte Veronika in die Runde.
Becker überlegte kurz und stimmte seiner Chefin dann zu. Sie mussten das Pferd von hinten aufsatteln, das Opfer war ihr konkretester Anhaltspunkt. Sie würden herausfinden müssen, wem Hartmann so dermaßen auf die Füße getreten war.
17.
Die Nacht hatte er nur dank der starken Beruhigungsmittel, die Achim immer in seinem kleinen Kosmetiktäschchen bei sich trug, einigermaßen gut verbracht. Auch wenn er sich noch etwas benommen und watteartig im Kopf fühlte