Kommunikations- und Mediengeschichte. Mike Meißner
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6Eine ähnlich technikzentrierte Phaseneinteilung findet sich bei Moran (2010: 8).
7Zu weiteren Vorschlägen solcher Phasen oder »Perioden der Mediengeschichte« vgl. etwa auch Schmolke (2007: 236-238), North (1995: iXf.) und Faulstich (2006: 11-15). Den wohl »frühesten bekannten Periodisierungsversuch des gesellschaftlichen Nachrichtenverkehrs« (WAGNER 2014a: 243) legte Franz Adam Löffler schon 1837 vor.
8Es sei angemerkt, dass diese Ausführungen Luhmanns zu gesellschaftlichen Entwicklungen und ihrem engen Zusammenhang mit Veränderungen in der Kommunikation einige erstaunliche Ähnlichkeiten mit Überlegungen zweier Autoren des 19. Jahrhunderts (Albert Eberhard Friedrich Schäffle und Franz Adam Löffler) aufweisen (vgl. BAUER 2016: 74ff.; WAGNER 2009: 92ff.).
9Vgl. dazu auch Schönhagen (2008a), wo diese Überlegungen – damals in Teilen einem unveröffentlichten Manuskript Wagners (2005) folgend – bereits aufgegriffen wurden.
10Es handelt sich hierbei um einen theoretischen Ansatz zur gesellschaftlichen Kommunikation und Massenkommunikation, der seit den späten 1920er-Jahren von Wissenschaftlern am Münchner Institut für Kommunikationswissenschaft entwickelt wurde.
11Die Begriffe ›Gesellschaft‹ und ›Gemeinschaft‹ werden in der Literatur häufig, basierend auf einer Unterscheidung von Tönnies (1979 [1887]), voneinander abgegrenzt. Nach Tönnies ist Gemeinschaft u. a. gekennzeichnet durch interpersonale Bezugsgruppen sowie ›direkte Kommunikation‹ und wurde, historisch betrachtet, v. a. durch Religion bzw. Glaubensinhalte zusammengehalten. Gesellschaft dagegen ist geprägt durch partikulare Interessen, funktionale Differenzierung und (medien-)vermittelte Kommunikation (vgl. AVERBECK-LIETZ 2015: 64f.). Teilweise wird stattdessen das Begriffspaar ›Vergemeinschaftung‹ und ›Vergesellschaftung‹ verwendet, um unterschiedliche Phänomene sozialer Beziehungen (in heutigen, modernen Gesellschaften) zu charakterisieren (vgl. SCHWIETRING 2011: 24-28; SCHERR 2006: 56-61).
12Zu einer sehr ähnlichen wie der hier dargelegten Sichtweise auf die Entwicklung von der Versammlungs- zur Massenkommunikation und zum Journalismus, wenn auch nur sehr knapp dargelegt, vgl. Domingo et al. (2008: 327-329) sowie Beierwaltes (1999: 28-32).
13Auch daran wird der grundlegende Umbruch deutlich: Lange Zeit ergänzten einfache Formen der Kommunikation über Distanz die zentrale Versammlungskommunikation, während seit der Frühen Neuzeit die Versammlungskommunikation nur noch eine ergänzende Rolle spielt und die journalistisch vermittelte Kommunikation die gesellschaftsweite Öffentlichkeit herstellt.
14Im Kontext der Kommunikations- und Mediengeschichte ist auf recht unterschiedliche Weise von Revolutionen und Evolution(en) die Rede. In der Regel werden mit dem Revolutionsbegriff »tiefgreifende [strukturelle] Veränderungen« (BEHRINGER 2003: 9f.; vgl. auch WAGNER 2009: 107) verbunden. Behringer (2003: 9ff.) unterscheidet dabei nochmals zwischen Medien- und Kommunikationsrevolutionen. Für Wagner (2009: 106) ist die »Umstellung von der Versammlungskommunikation zu einer wirklich effektiven Kommunikation über Distanz« aufgrund des »Wechsel[s] der Prinzipien der Nachrichtenverbreitung« klar »eine Kommunikationsrevolution«. Dem folgen auch die Autor*innen des vorliegenden Buchs. Bisweilen wird jedoch schon die Einführung neuer Techniken oder gar einzelner Geräte oder Angebote als revolutionär bezeichnet. So wird z. B. die Erfindung von beweglichen Lettern durch Johannes Gensfleisch, genannt Gutenberg, in Mainz als Revolution bezeichnet (vgl. u. a. WELKE 2008: 9f.; EISENSTEIN 1979; kritisch dazu BEHRINGER 2003: isff.; BRIGGS/BURKE 2009: 19; WÜRGLER 2013: 81-83). Tatsächlich wurde das Prinzip jedoch schon früher in Asien entwickelt, wenn auch nicht mit dem Gutenberg’schen Bleiguss-Verfahren (vgl. SCHÖNHAGEN 2008a: 54). Zudem veränderte diese Erfindung nicht sofort grundlegend die soziale Kommunikation, weil weitere wichtige Voraussetzungen fehlten. Insofern stellte die Versammlungskommunikation zunächst weiter die dominierende Form gesellschaftlicher Kommunikation dar. Mosco (2005) zeigt am Beispiel mehrerer Medien(technologien) im Detail, dass deren Einführung jeweils, im wissenschaftlichen wie populären Diskurs, sehr ähnliche Erwartungen radikaler Umbrüche (vgl. u. a. ebd.: 115) hervorgerufen hat – im Sinne von »enthusiasm and awe« (ebd.: 121). Typischerweise ist es dann jedoch zu derartigen Umbrüchen nicht gekommen (vgl. u. a. ebd.: 8, 118f.).
15Nach Schätzungen der International Telecommunication Union (ITU) der Vereinten Nationen ist jedoch zu beachten, dass zwar mehr als 90 Prozent der Weltbevölkerung technisch die Möglichkeit haben, das Internet zu nutzen, aber nur etwas mehr als die Hälfte der Menschen dies auch tatsächlich tut (vgl. INTERNATIONAL TELECOMMUNICATION UNION (ITU) (2019): Measuring digital development. Facts and figures 2019. Genf: ITU Publications, S. 8. Online unter: https://www.itu.int/en/ITU-D/Statistics/Documents/facts/FactsFigures2019.pdf [13.10.2020]).
16Vgl. dazu auch den von Kinnebrock, Schwarzenegger und Birkner (2015) herausgegebenen Tagungsband mit diversen Beiträgen von Wilke, Stöber, Ziemann und Latzer. Dennoch wird immer wieder darauf hingewiesen, dass sich evolutionstheoretische Ansätze nicht breit durchgesetzt hätten (vgl. STUDER 2018: 41). Grundsätzlich kritisch zur Verwendung des Evolutionsbegriffs in Verbindung mit Kommunikations- und Mediengeschichte äußert sich Prokop (2001: 8).
2.VERSAMMLUNGSKOMMUNIKATION
Wie eingangs erwähnt, erfordert jedes menschliche Zusammenleben kommunikativen Austausch über »das, was alle angeht«, wie es Peter Schneider in seinem Rechtsgutachten im Rahmen der Spiegel-Affäre formulierte (zit. nach MARCIC 1965: 165). So müssen Probleme diskutiert und Lösungen gefunden, Aufgaben auf die Mitglieder einer Gemeinschaft aufgeteilt sowie Entscheidungen getroffen werden. Auch werden die für alle gültigen Regeln und Normen kommunikativ etabliert und durchgesetzt. Ohne umfassende Kommunikation kann keine Gemeinschaft oder Gesellschaft entstehen und (fort)bestehen – die Mitglieder konstruieren mithilfe von Kommunikation ihre gemeinsame Wirklichkeit (siehe Kap. 1). Frühe Gesellschaften basierten weitgehend auf mündlicher Kommunikation (sog. orale Gesellschaften) (vgl. WILKE 2008: 4f.). Der Staatsphilosoph René Marcic (1965: 64; Hervorh. d. Verf.) spricht daher auch von der »Redegesellschaft« als dem »Urschema der