Kommunikations- und Mediengeschichte. Mike Meißner

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Kommunikations- und Mediengeschichte - Mike Meißner

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stattfindender Kommunikation wie etwa bei Festen und Märkten, sog. »okkasionellen« Öffentlichkeiten (THUM 1990: 47; BELLINGRADT 2011: 22). Daneben findet man schon früh auch formalisierte Kommunikation im Rahmen von speziellen Versammlungen. Meist wurden dafür besondere Orte genutzt, wie z. B. Versammlungshäuser oder der Fest- bzw. Marktplatz, im antiken Athen die Agora bzw. das Forum (vgl. MARCIC 1965: 166; WELWEI 1996: 25).

      Der Ethnologe Nigel Barley (2013: 191) beobachtete solche »Palaver« z. B. in den 1980er-Jahren beim Volk der Dowayo in Kamerun, wo man sich »unter einem Baum auf dem öffentlichen Rund vor dem Dorf« versammelte. Detailliertere Beispiele finden sich in Franz-Josef Eilers’ publizistikwissenschaftlicher Studie über die schriftlosen Kulturen Nordost-Neuguineas. Derartige ›Redeveranstaltungen‹ oder ›Dispute‹ wurden zu den unterschiedlichsten Themen abgehalten und konnten stundenlang dauern. Die Verhandlung von sechs Stämmen über ein gemeinsames Fest lief z. B. wie folgt ab:

      »In einem Rechteck angeordnet lagerten sich die Männer der verschiedenen Stämme, insgesamt wenigstens 180 männliche Personen, auf einer Wiese neben der Straße. Immer wieder standen die Redner der einzelnen Gruppen auf, beredeten oder bedrohten sich gegenseitig oder versuchten, den Vorredner zum Schweigen zu bringen. Jede Rede wurde vom Kommentar der zugehörigen bzw. auch angesprochenen Männer begleitet. […] Die räumliche Anordnung der einzelnen Clans auf dem Versammlungsplatz […] entsprach in etwa der Himmelsrichtung, in der ihre Wohngebiete lagen« (EILERS 1967: 69).

      Hier ist, bei einer schon relativ großen Gruppe von Beteiligten, sehr deutlich zu beobachten, dass nicht jeder Einzelne während dieses Disputs selbst das Wort ergriff, sondern dass bestimmte Redner für größere Gruppen sprachen. Zudem verdeutlichte ihre räumliche Ausrichtung für die Zuhörer, für wen sie sprachen. Bei Eilers finden sich eine Reihe weiterer deutlicher Hinweise auf dieses Phänomen der Kommunikationsrepräsentanz, das weiter unten noch näher erläutert wird.

      Während langer Zeiträume der Menschheitsgeschichte – in Europa bis weit ins Mittelalter, in Stammesgesellschaften noch bis ins 20. Jahrhundert hinein – erfolgte umfassender öffentlicher Austausch in ähnlicher Art und Weise. Meist waren an dieser Form der Kommunikation allerdings nicht sämtliche Mitglieder einer Gemeinschaft oder Gesellschaft beteiligt. Im antiken Athen z. B. verfügten nur die freien, männlichen Bürger über ein Rederecht bei der Volksversammlung, der sog. Ekklesia. Um 322 v. Chr. waren dies etwa 30.000 Männer, wobei durchschnittlich nur 5.000 bis 6.000 an den Versammlungen teilnahmen (vgl. WELWEI 1996: 31, 37). Ein solcher Austausch nahm erhebliche Zeit in Anspruch, sodass andere Teile der Gesellschaft gleichzeitig für den Erhalt der Lebensgrundlagen sorgen mussten – meist waren dies v. a. Frauen und Sklaven (vgl. SCHÖNHAGEN 2004: 137). Dies gilt auch für das antike Athen. Aber nicht nur in der Frühzeit der Menschheit und der Antike, sondern auch noch im Mittelalter wurde ein großer Teil des kommunikativen Austauschs mündlich abgewickelt, z. B. bei Dorf- oder Volks- und Gerichtsversammlungen, den sog. Ding- oder Thing-Versammlungen (vgl. RÖSENER 2000: 47). Hintergrund ist dabei auch die im mittelalterlichen Sozialleben »elementare dominante Erwartung […]: daß die betroffene Gemeinschaft an der Herstellung und Beurteilung dieser [politischen und rechtlichen; die Verf.] Ordnungen teilhaben konnte« (THUM 1980: 18). Somit besaß die »Dingversammlung […] eine starke Integrationskraft« (RÖSENER 2000: 51).

      ABBILDUNG 1

       Landsgemeinde in Glarus (2014)

      EXKURS I

       Historischer Hintergrund I: Die Alte Eidgenossenschaft bis 1798

      Mit der Erweiterung der Eidgenossenschaft war ein kontinuierlicher Austausch und »ein Minimum gemeinsamer Beschlussfassung« (REINHARDT 2010: 42) notwendig geworden. Zu diesem Zweck kam seit der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts zuerst einmal jährlich die sog. Tagsatzung (französisch: diète; italienisch: dieta) zusammen, die Versammlung der Abgesandten der Orte bzw. später Kantone. Diese wurde von zwei Vertretern je Ort besucht, die ein sog. ›imperatives Mandat‹ hatten, d. h., sie waren an vorher gefasste Beschlüsse zu den einzelnen Tagesordnungspunkten gebunden. Gleichzeitig setzte sich eine Mischform aus Einstimmigkeit, z. B. für eine Bundesrevision, und Majoritätsprinzip, etwa für Angelegenheiten, welche die gemeinsam verwalteten

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