Der Rhein: Das malerische und romantische Rheinland. Karl Simrock

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Der Rhein: Das malerische und romantische Rheinland - Karl Simrock

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Gesicht zeigt einen mageren Greis, die Runzeln der Stirn sind scharf ausgegraben, das Haupt deckt die Königskrone, ein faltenreicher Talar geht ohne Gürtel zu den Füßen, die auf einen ruhenden Löwen gestellt sind. Brust und Schultern zieren Wappenschilder mit dem Adler und dem springenden Löwen.

      König Albrecht von Österreich und Kaiser Adolf von Nassau, im Leben Nebenbuhler und erbitterte Feinde, ruhen in Speyer friedlich nebeneinander aus, beide Opfer des Königsmordes, Adolf von Albrechts – aber in offener, ehrlicher Schlacht –, Albrecht gleich jenem Philipp, mit diesen Schicksal das seinige große Ähnlichkeit hat, meuchelmörderisch von der Hand eines Verwandten gefällt. Wenig großmütig hatte Albrecht seinem Gegner das Grab in Speyer versagt, um ihm noch im Tod die königliche Würde zu verweigern. Nach Albrechts Hingang ließ sein Nachfolger, Heinrich VII., beide Gegenkönige an demselben Tag und nur eine Handbreit voneinander in die Kaisergruft senken. Wie gerecht richtet die Geschichte! Adolf gab sie einen beneidenswerten Tod; sein Mörder Albrecht fiel durch Mörders Hand. Adolfs Ruhe im Grab wurde nicht gestört; Albrechts Grab schändeten und beraubten die Franzosen. Über Adolfs Asche erhebt sich jetzt, nach der Zerstörung der alten Denkmäler, ein neues von seltener Schönheit, das der Herzog von Nassau seinem königlichen Ahnherrn errichten ließ.

      Wir haben Speyer die Totenstadt unserer Kaiser genannt. Galt sie aber unseren Altvorderen vielleicht für die Totenstadt überhaupt? Da es schwer ist, in diesen mythischen Halbfinsternissen klarzusehen, so wollen wir die Leser selber urteilen lassen. Man weiß aus Grimm, daß hier und da auch bei den Deutschen die Vorstellung auftaucht, als ob die Seelen der Verstorbenen durch ein stygisches Wasser müßten, welches das Reich der Lebendigen von dem der Toten scheide. Selbst die Sitte, den Leichnamen eine Münze in den Mund zu legen, damit sie das Fährgeld zahlen könnten, muß uns einst nicht fremd gewesen sein. An einigen Orten, und darunter auch zu Speyer, weiß der Volksglaube, dem uralte heidnische Erinnerungen zugrunde liegen mögen, von gespenstischen Erscheinungen zu erzählen, die durchaus an solche Vorstellungen erinnern. In stürmischer Nacht wird z.B. ein schlaftrunkener Schiffer von einer unheimlichen Gestalt geweckt, die ihm den Fährlohn in die Hand drückt und über den Strom gebracht zu werden verlangt. Statt des einen steigen dann sechs ein, und wenn der Schiffer nicht gleich abstößt, so füllt sich der Kahn mit schwarzen und weißen Gästen, daß der Fährmann keinen Raum für sich selber behält. Ist er endlich drüben, so wirft ein Sturm den Kahn an die Stelle der Abfahrt zurück, wo schon neue Reisende harren und die gespenstische Überfahrt von neuem angeht. Zuweilen haben die Unbekannten auch ihre eigenen Nachen, die so gedrängt vollgeladen werden, daß der Rand kaum fingerbreit über dem Wasser steht. Nicht immer sind die Reisenden sichtbar, aber deutlich werden ihre Stimmen vernommen. Schon Prokop hat eine solche Überlieferung aufgezeichnet, jene zu Speyer von den überschiffenden Mönchen hat Georg Sabinus nach Melanchthons Erzählung in Reime gestellt. Es ist gewiß nicht zufällig, daß diese weitverbreitete Sage unter allen Rheinstädten gerade in Speyer heimisch ist. Doch könnte man fragen, ob die Gräber unserer Kaiser zu der Ansiedlung der Sage Veranlassung waren oder ob umgekehrt die fränkischen Kaiser ihre Begräbnisse nach Speyer verlegten, weil die dortige Gegend unseren Vätern für das Land der Seelen galt?

      Der Dom zu Speyer ist nicht allein durch seine Kaisergräber merkwürdig. Hier war es auch, wo der heilige Bernhard in Gegenwart des ersten Hohenstaufen, Konrads III., den Kreuzzug mit so hinreißender Beredsamkeit predigte, daß der einem Krieg in so entlegenem Land ungeneigte König ihr nicht widerstehen konnte und sich gerührt das Kreuz auf den Königsmantel heften ließ. Ja, als beim Ausgang aus dem Dom das begeisterte Volk seine Huldigung so ungestüm an den Tag legte, daß der Heilige im Gedränge fast erdrückt worden wäre, nahm ihn der König ehrerbietig auf die Schultern und trug ihn aus dem Gewühl vor das Münster. Daran hängt die Wundergeschichte von dem redenden Marienbild zu Speyer. Der heilige Bernhard hatte in dem dortigen Dom dem »Salve Regina«, dem bekannten Lobgesang der Himmelskönigin, in unwillkürlicher Anwandlung dichterischen Gefühls die Worte zugesetzt: »O Clemens! o Pia! o dulcis Maria!«, welche seitdem in allen Kirchen der Christenheit bis auf den heutigen Tag gesungen werden. In Speyer aber wurde nicht nur das »Salve Regina« jahraus, jahrein täglich gesungen, es wurden auch jene zugesetzten Schlußworte in vier Messingplatten gegraben und in den Boden des Langhauses in solchen Entfernungen eingelegt, daß die erste mit den Worten »O Clemens!« beim großen Tor, die letzte mit der Inschrift »Maria!« vor den Königschor zu den Füßen des hochberühmten Marienbildes zu liegen kam. Von diesem wird nämlich erzählt: Als der heilige Bernhard einst um einige Minuten zu spät in die Kirche kam und das Bild in drei Absätzen und Zwischenräumen mit obigen Worten begrüßte, da habe dieses den Mund aufgetan und dem Heiligen mit der Frage: »O Bernharde, cur tam tarde?« sein Versäumnis vorgeworfen. Aber Bernhard legte ihm mit der Bibelstelle: »Mulier taceat in ecclesia« Stillschweigen auf, und wirklich soll es, wenn der Versicherung der Wundergläubigen zu trauen ist, seitdem geschwiegen haben.

      Anderthalbhundert Jahre war Speyer der Sitz des Reichskammergerichts. Auch in der Reformation spielte es eine Rolle, denn hier wurde auf dem Reichstag von 1529 der Name der Protestanten zuerst vernommen. Wie im Orleansschen Krieg, wenn das ein Krieg heißen soll, was ein Mordbrennerzug war, Speyer nebst Worms, Oppenheim und den meisten Städten der Pfalz in einen Aschenhaufen verwandelt wurde, mag ich nicht wiederholen. Ich kann Erinnerungen dieser Art nicht ohne Ingrimm wecken, der zu heftig ist, um sich schön zu äußern. Er gilt nicht den modernen Vandalen, die uns Barbaren zu schelten gewohnt waren, denn von ihnen durfte sich ein deutsches Land nichts Besseres versprechen, nicht jenem vierzehnten Ludwig, den die Boileaus, die wir einst auswendig lernten, für seine kannibalischen Siege als den Helden des Jahrhunderts priesen, nicht seinen Henkersknechten, jenen Louvois, Montclars und Melacs, nach denen in der Pfalz noch heute die Hunde genannt werden; er gilt nur der deutschen Langmut, Franzosensucht und Verblendung, denn sie allein trugen die Schuld.

      Aus der unmenschlichen Zerstörung Speyers ist uns kaum eine kostbarere Reliquie erhalten als die Ruländer Traube, und die wollen wir am Rhein pflanzen und pflegen. Schon der Name Ruland, deutsch für Roland, empfiehlt sie, obgleich sie nicht an Roland, den Paladin, mahnt, sondern an einen ehrlichen Speyerer Bürger dieses Namens. Als Speyer zehn Jahre lang in seinem Schutt gelegen hatte und man jetzt anfing, es wiederaufzubauen, ließ sich auch Ruland dort nieder und kaufte eine Brandstätte mit einem Garten. Der frühere Besitzer, ein Reichskammergerichtsassessor, hatte daselbst ausländische Reben gebaut. Als Ruland den Schutt wegräumte, waren einige Stöcke unbeschädigt geblieben, welche im Herbst voller Trauben hingen. Diese drückte er in ein kleines Fäßchen aus, das er mit Rebenlaub, zuspundete und in dem noch vorhandenen Kellergewölbe aufbewahrte. Den Winter über vergaß er darnach zu sehen; als er aber im Frühjahr im Garten war, besuchten ihn einige Männer und Frauen und verwiesen es ihm scherzhaft, daß er ihnen bei so heißer Witterung nicht einen Trunk anbiete. Nun fiel Ruland das Fäßchen im Keller ein; er lieh sich vom Nachbarn ein Schoppenglas, ließ es vollaufen und brachte es in den Garten. Der erste trank es rein aus, der zweite blieb nicht dahinter: so ging es reihum, und Männer und Frauen kamen angetrunken nach Hause. Dies erregte Aufsehen, die Angesehensten der Stadt versuchten und rühmten diesen Wein als Vinum bonum. Jedermann suchte Ableger davon, und Ruland verkaufte zuletzt einen fingerlangen Schnittling um einen Taler. So verbreitete sich diese edle Rebe unter verschiedenen Benennungen als Ruländer, Speyerer, Viliboner (Vinum bonum) usw. am Rhein und am Neckar. Ihr wissenschaftlicher Name ist roter Clävner, von Chiavenna oder Cläven in Oberitalien, ihrer ursprünglichen Heimat. Wir empfehlen beiläufig ihren Anbau besonders auf wenig sonnigen Hügeln, wo sie doch jährlich reift und einen äußerst feinen, angenehmen Wein liefert. Wer diesem Rat folgt, sei es an den Ufern des Rheins oder in anderen Flußtälern, die der Sonne Zutritt gewähren, der wird uns danken und, hätte er dann auch nichts weiter aus diesem Buch gelernt, seine Anschaffung nicht bereuen.

      Der Weinbau leitet uns schicklich hinüber nach Worms, dessen wir schon oben gedachten. Bei welchem Zipfel wir diese uralte Stadt zuerst erfassen, immer ist sie anziehend und bedeutend. Und der Weinbau ist uns keine so unwichtige Sache, als daß mich meine Landsleute wegen dieser Anknüpfung schelten sollten. Bei der zweiten Teilung des Frankenreichs unter die Söhne Ludwigs des Frommen bekam bekanntlich Lothar mit Italien und der Kaiserwürde jenen schmalen Landstrich zwischen Rhein, Maas und Saône,

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