Kirche der Armen?. Группа авторов

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wird; aber auch auf die Kontigenz theologischer Konzepte, die immer wieder von konkreten gesellschaftlichen und politischen Umständen beeinflusst werden. Deutlich ist, dass das Motiv der „Kirche der Armen“ im Nachgang zum II. Vatikanischen Konzil (und nicht zuletzt angestoßen durch die Teilnehmer des Katakombenpakts) eine erste große Aufmerksamkeit in der Katholischen Kirche erhalten hat – und zugleich nicht zum zentralen Motiv katholischer Theologie geworden ist.

      Dies hat komplexe Gründe, die noch näher zu untersuchen wären. So birgt die Auseinandersetzung mit Armut und deren Ursachen immer auch macht- und gesellschaftskritisches Potential, das nicht nur die Frage nach einer gerechten Gesellschaftsordnung stellt, sondern auch die Kirchen verpflichtet, selbstkritisch ihren Ort innerhalb der Gesellschaft zu reflektieren. Weiters spiegelt sich darin wieder, dass Systematische Theologie und Sozialethik innerhalb der Theologie nicht im nötigen Ausmaß zusammenarbeiten. Da das Thema Armut eng mit der Frage nach der Gerechtigkeit verbunden ist, wirkt hier überdies das jahrhundertelange Vergessen und Ignorieren der jüdischen Herkunft des Christentums nach – steht doch die Bekämpfung von Armut durch das Etablieren einer gerechten Ordnung im Zentrum des Alten Testaments.

       2. Kontextualisierung des Armutsthemas

      Damit aber plädiert Ganne bereits vor 50 Jahren, im Nachgang zum Zweiten Vatikanum, für eine kontextualisierte Theologie. Wie sehr das Thema einer „Kirche der Armen“ nicht nur grundsätzlich, theologiegeschichtlich und ideengeschichtlich zu analysieren ist, sondern letztlich nur kontextuell behandelt werden kann, zeigen zwei Ereignisse, die die Entstehungsgeschichte des vorliegenden Buches einrahmen. Den Ausgangspunkt nahm das Buch in der Zeit der großen Migrations- und Flüchtlingsbewegungen im Jahr 2015, die im Hintergrund ja nicht nur die vielen Kriegs- und Verfolgungserfahrungen in Ländern wie Syrien oder Afghanistan hatten, sondern vor allem die Armutserfahrungen in vielen Herkunftsländern und auf den Fluchtwegen.

      Zum Erscheinungsdatum dieses Buches ist die Welt beinahe erstarrt aufgrund der Covid-19 Pandemie und den damit verbundenen Restriktionen in vielen Ländern der Erde. Dies führt aktuell viele Menschen in Arbeitslosigkeit und Existenznöte – und es kommt leicht zum Vergessen der vielen Armen in jenen Ländern, denen nicht die medizinischen oder technischen Ressourcen zur Verfügung stehen wie in Europa. Die Pandemie mit ihren immensen wirtschaftlichen Folgen trifft aber auch nachweislich in Europa die Ärmsten stärker und vertieft soziale Unterschiede. Die Corona-Krise hat nicht nur einfach soziale Folgen, sie ist eine soziale Krise.

      Die Diakonie-Leiterin Österreichs, Maria Katharina Moser, benennt die Konsequenzen dieser sozialen Unterschiede: „Eine österreichweite Cluster-Analyse der AGES (Mai 2020) hat gezeigt, dass sich ein Drittel der untersuchten Fälle in Senioren- und Pflegeheimen infiziert haben (1.127 von 3.800 Personen und 60 von 169 Clustern). Die 460.000 Pflegegeldbezieher/innen haben Expert/innen zufolge im Vergleich zu den unter 50jährigen ein 50- bis 80-fach erhöhtes Risiko zu versterben, und die Wahrscheinlichkeit, dass sie ein Krankenhausbett oder intensivmedizinische Versorgung brauchen, ist 100 bis 1.000-fach höher. Menschen aus dem unteren Fünftel der Gesellschaft haben ein zwei- bis dreifach höheres Risiko für chronische Krankheiten als Menschen aus dem oberen Fünftel. Das gilt für Krebs, Diabetes, koronare Herzkrankheit oder schweres Asthma – Erkrankungen, die besonders anfällig für eine Covid19-Infektion machen. Wer in beengten, prekären Verhältnissen wohnt und arbeitet, kann kaum Abstand halten – und so erleben wir Superspreading-Events in Flüchtlingsheimen, Obdachlosenunterkünften, Erntehelferquartieren, Fleischfabriken und Postverteilerzentren.“14

      In beiden Fällen waren und sind die Kirchen und Religionen herausgefordert, sich einzusetzen für die Menschen „am Rande“, für die VerliererInnen der jeweiligen Entwicklungen. Und es gab und gibt auch sehr viele Zeugnisse von institutionellen Hilfestellungen, aber auch von privaten Initiativen von Seiten der Kirchen und Religionsgemeinschaften.15

       3. Inhaltliche Logik des Buchs

      Das vorliegende Buch führt vor diesem Hintergrund von grundsätzlichen Überlegungen hin zu praxisbezogenen Analysen. In einem ersten Abschnitt wird eine Annäherung an zentrale Begriffe geboten – von Armut, über Caritas und Diakonie hin zu Barmherzigkeit, Gerechtigkeit und Freiheit, jeweils kurz definiert von unterschiedlichen AutorInnen. Dabei geht es nicht um eine endgültige Definition, sondern um eine plurale Annäherung an die Begriffe und Konzepte. Dieses Angebot unterschiedlicher Begriffsdefinitionen stellt eine Aufforderung dar, die eigenen Begrifflichkeiten zu hinterfragen und zu einem eigenen, kritisch fundierten Verständnis zu kommen.

      Die Diskussion zur Armut muss dabei kontextuell geführt werden. Der Zugang des Buches fokussiert daher auf Europa, mit einigen ausgewählten Herausforderungen (wie Migration oder die ökonomischen Aspekte). Während im zweiten Abschnitt des Buches der ehemalige Politiker Erhard Busek Osteuropa ins Zentrum seiner Überlegungen stellt, benennt der Armutsforscher Martin Schenk die Situation der Armut in Westeuropa (mit Stand 2019). Die sozioökonomische Sicht wird einerseits von Karin Heitzmann dargelegt, andererseits vom Finanzfachmann Guenter Benischek. Regina Polak thematisiert Migration und Flucht als wichtige Faktoren der aktuellen Entwicklung.

      Zu diesen Kontexten gehört ebenso der Blick auf die Geschichte, denn auch sie stellt einen zentralen Horizont des heutigen Sprechens von der „armen Kirche“ dar. Der dritte Abschnitt des Buches bringt einige zentrale geschichtliche Schlaglichter. Schon in der Alten Kirche war das Thema der Armut zentral (Andreas Müller); in Mittelalter und Neuzeit spielten Armut und Armutsfürsorge ebenfalls eine wichtige Rolle (Bernhard Schneider). Aber auch der Begriff „Kirche der Armen“ hat selbst eine spezielle Geschichte, deren theologischen Aspekten Sebastian Pittl auf den Grund geht.

      Der vierte Abschnitt des Buchs entfaltet die theologischen Grundlagen der Rede von der Kirche der Armen. Die Alttestamentlerin Rita Perintfalvi hält ein bibeltheologisches und befreiungstheologisches Plädoyer für die Kirche der Armen. Die Bischöfe Manfred Scheuer (Linz) und Benno Elbs (Feldkirch) sowie der österreichische Caritasdirektor Michael Landau benennen aus lehramtlicher Sicht die Bedeutung einer Kirche, die „Zeugin der Freiheit, Mutmacherin und Horizonterweiterin“ ist. Herbert Haslinger führt in seinen beiden Beiträgen einerseits die Frage nach Gott als zentrale Frage einer Theologie der Diakonie aus, andererseits fragt er auch nach dem, was zumeist vergessen oder übersehen wird – nämlich nach den „Rückseiten der Diakonie“. Bei aller Bedeutung der Diakonie ist aber auch mit Doris Nauer zu fragen, warum das diakonische Engagement „typisch christlich“ ist und welche Gemeinsamkeiten, aber auch Unterschiede es zwischen der katholischen Caritas und der evangelischen Diakonie gibt.

      Der fünfte Abschnitt wendet den Blick auf andere Konfessionen und Religionen und versucht ansatzweise deren Perspektiven auf das Thema der Diakonie bzw. der Kirche der Armen darzulegen. Die jüdische Sicht auf Armut wird von Willy Weiß ausgeführt; die islamische Perspektive von Amena Shakir und Adam Shehata. Aus evangelischer Sicht legt die österreichische Direktorin der Diakonie, Maria Katharina Moser, dar, was „diakonisch Kirche sein“ bedeuten kann. Frank Sauer greift auf den Missionsbegriff zurück in der Ausfaltung der anglikanischen Perspektive.

      Im letzten Abschnitt werden Konkretionen bzw. „Landschaften des Diakonischen“ angeboten: angefangen von der Frage, wie eine diakonische Gemeindebildung geschehen kann (Johann Pock), über die Analyse von konkreten diakonischen Orten wie der „Solwodi“, der „Solidarität mit Frauen in Not“ (Anita Ofner und Katja Fraunbaum). Georg Steininger berichtet, was Armut aus der Sicht von Menschen mit Behinderung bedeutet. Abgeschlossen wird dieses Kapitel mit der Darstellung von Franz Helm SVD und Karin Weiler CS, wie OrdenschristInnen an der Seite der Armen wirken.

       4. Ergänzende Überlegungen zur orthodoxen Sicht

      Das vorliegende Buch versteht sich als Handbuch – als ein kleines Nachschlagewerk

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