Kirche der Armen?. Группа авторов

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Mangel. Arm ist, wer zu wenig Geld hat, seine Bedürfnisse in einem gesellschaftlich als notwendig anerkannten Maße zu befriedigen. Der Blick auf die Lebenslagen sieht die Chancen der Lebensführung, die nicht allein von den verfügbaren finanziellen Ressourcen abhängig ist. Allerdings ist es schwierig, Verwirklichungsmöglichkeiten und Handlungsspielräume jenseits der finanziellen Ressourcen methodisch angemessen zu bewerten.

      Schon deshalb kommt dem Ressourcenansatz weltweit größere Bedeutung zu: Absolut arm ist, wer weniger als 1,90 $ am Tag zur Verfügung hat. Diesen zurzeit noch ca. 700 Millionen Menschen fehlt das finanzielle Minimum zum Überleben. Neben der Unterschreitung des Existenzminimums ist die Unterschreitung des normalen Lebensstandards relevant. Als „arm“ gilt der, dessen Einkommen weniger als 50% des Durchschnittseinkommens beträgt. Arme gibt es dann auch in Wohlstandsgesellschaften.

       2. Regina Polak

      Die Armut gehört mit dem Gehorsam und der Keuschheit zu den drei „evangelischen Räten“. Sie ist eine Empfehlung Jesu, wie man ihm nachfolgen und „vollkommen“ sein kann (Mt 19,21). Dieser Rat idealisiert keinesfalls Mangel, Not und Elend, sondern empfiehlt Besitzlosigkeit und fordert dazu auf, das eigene Leben den Armen zur Verfügung zu stellen. Deshalb ist dieser Rat auch nur für jene verpflichtend, die sich freiwillig für ein in besonderer Weise Gott geweihtes Leben entscheiden, z.B. Ordensmitglieder. Alle anderen Christ*innen können, müssen aber nicht so radikal leben.

      Ein Leben in Armut zu führen bedeutet, einen einfachen, bescheidenen Lebensstil zu pflegen. So werden Menschen nicht von irdischen Wirklichkeiten abhängig, z.B. von Sicherheit, Besitz, Wohlstand und Macht. Freiheit und Unabhängigkeit werden dadurch geschützt. Armut kann aber auch mit Verletzbarkeit und Zerbrechlichkeit, Bedürftigkeit und Ohnmacht konfrontieren, kann daher auch Angst auslösen. Anders als ein reicher ist sich ein armer Mensch daher eher bewusst, dass er, sie andere Menschen und Gott braucht.

      Armut meint also auch eine Tugend, eine Lebenseinstellung, die um die Angewiesenheit auf Gott weiß. Deshalb – so das biblische Zeugnis – sind die Armen Gott in besonderer Weise nahe. Auch Jesus von Nazareth preist die Armen als glücklich, denn „ihnen gehört das Himmelreich“ (Mt 5,3).

       3. Rainald Tippow

      Armut ist eine Situation, die durch einen Mangel an gesellschaftlicher Teilhabe sowie von sozialer Ausgrenzung gekennzeichnet ist. Zugleich sind die Möglichkeiten, dieser Situation aus eigener Kraft zu entkommen, nur eingeschränkt oder gar nicht vorhanden. Neben den bekannten Ausprägungen materieller Natur gibt es sie auch in ideeller Form, z.B. infolge von Einsamkeit oder dem Tod naher Bezugspersonen.

      Da insbesondere in reichen Ländern arme Menschen Reichtum und Wohlstand nicht selten als Ergebnis von Leistung sehen, wird materielle Armut als beschämend und stigmatisierend empfunden, etwa als Folge von Faulheit oder Schwäche. Die EU definiert Armut als „erhebliche materielle Deprivation“ und erfasst sie statistisch. Demnach spricht man von Armut, wenn das Haushaltseinkommen unter 50% des Einkommensmedians des jeweiligen Landes liegt. Was als Armut „gilt“, steht somit in Relation zur materiellen Lage des konkreten Lebensumfelds und stellt sich global daher anders dar als in Europa. Sie ist „immer auch ein gesellschaftlich definierter Status“. Je nachdem, ob sie sich an wissenschaftlichen Konzepten, der öffentlichen Wahrnehmung oder am subjektiven Notgefühl der Betroffenen orientiert, wird Armut verschieden definiert.

       Barmherzigkeit

       1. Regina Polak

      Barmherzigkeit beschreibt eine Form der Liebe: jenes Mitgefühl, das einen Menschen erfasst, wenn er Menschen begegnet, die – z.B. an Armut – leiden. Das hebräische, griechische und lateinische Wort dafür verweisen jeweils auf seine seelisch-leibliche Dimension: „rachamim“ (Erbarmen) bedeutet Mutterschoss, Gebärmutter; eusplanchnizomai (sich erbarmen) heißt „die Eingeweide ziehen sich zusammen“ und misericordia beschreibt das mitfühlende Herz.

      Barmherzigkeit kann und muss als in diesem Sinn spirituelle Erfahrung geübt werden. Laut biblischem Zeugnis ist die Barmherzigkeit untrennbar mit der Gerechtigkeit verbunden. Sie ist nicht deren Gegenteil, sondern ihre innere Kraft. Sie ist der „Raum“, in dem Gerechtigkeit erst möglich und menschlich wird. Freilich sind nur in Gott beide einig und eins. Menschen müssen um deren Verbindung in der Praxis immer wieder ringen.

      In der christlichen Tradition helfen dabei die sieben leiblichen und die sieben geistigen Werke der Barmherzigkeit: Hungernde speisen, Dürstenden zu trinken geben, Nackte bekleiden, Fremde aufnehmen, Kranke und Gefangene besuchen, Tote bestatten; Unwissende lehren, Zweifelnden recht raten, Sünder zurechtweisen, Betrübte trösten, Lästige geduldig ertragen, Beleidigern verzeihen und für die Lebenden und Toten beten.

      Die Barmherzigkeit hat auch eine politische Dimension: Sie beschreibt die Freiheit des Einzelnen, angesichts von Unrecht einem Menschen Gutes widerfahren zu lassen. Deshalb kann die Notwendigkeit, barmherzig zu handeln, auch auf mangelnde Gerechtigkeit verweisen. Jeder Akt der Barmherzigkeit stellt daher die Frage, wie gerecht ein System ist.

       2. Johann Pock

      Barmherzigkeit ist biblisch eine Eigenschaft Gottes (Ex 34,6) und Teil seiner Gerechtigkeit. Die biblischen Worte meinen vor allem den konkreten Erweis des Erbarmens.

      Für Papst Franziskus ist Barmherzigkeit „der letzte und endgültige Akt, mit dem Gott uns entgegentritt“. Sie „öffnet das Herz für die Hoffnung, dass wir, trotz unserer Begrenztheit aufgrund unserer Schuld, für immer geliebt sind.“ (Misericordia Vultus 2) Barmherzigkeit steht in unmittelbarem Zusammenhang mit Solidarität und Versöhnung – im Blick auf die Nächsten um uns, vornehmlich im Blick auf die Armen. Das lateinische miseri-cor-dia bedeutet: Sein Herz bei den Armen haben. Damit ist eine Optionalität des Handelns mitgegeben.

      Barmherzigkeit wird so zu einem „prophetischen Einspruch“, indem sie die Kirche auf ihre primäre Sendung zu den anderen hin verpflichtet (vgl. Evangelii Gaudium 15).

      Barmherzigkeit hat individuelle und institutionelle Aspekte: Indem man persönlich die Werke der Barmherzigkeit tut (die nach Mt 25 Reich-Gottes-Kriterien sind), kann ein jeder/eine jede ZeugIn für das Handeln Gottes im Leben werden. Zugleich gibt es die Kirche nur aufgrund der versöhnenden Barmherzigkeit Gottes. Indem die Kirche sakramental das Wirken Gottes präsent hält, ist barmherziges Handeln für ihre Sendung konstitutiv – und zwar in allen ihren Grunddiensten.

      Barmherzigkeit hatte immer wieder den (negativen) Anstrich von Paternalismus (einem Helfen, das andere klein hält). Befreit von solchen Vorurteilen zeigt Barmherzigkeit das Göttlichste an Gott und gleichzeitig das Menschlichste am Menschen – und auch umgekehrt: das Menschlichste an Gott und das Göttlichste am Menschen.

       3. George Augustin

      Die Botschaft der Barmherzigkeit steht im Zentrum der biblischen Offenbarung und sie bildet die Mitte der christlichen Berufung: „Seid barmherzig, wie es auch euer Vater ist!“ (Lk 6,36). Diese Botschaft ist nicht nur zentral für die Heilige Schrift, sondern Barmherzigkeit ist ein Begriff, der universal über die Grenzen der Nationen, Kulturen und Religionen hinweg verstanden wird. Barmherzigkeit ist eine Sprache des Herzens und als solche ist sie universal kommunikabel.

      Um die tiefere Bedeutung der Barmherzigkeit für unser Leben und Tun zu erfassen, müssen wir verschiedene Dimensionen der Barmherzigkeit unterscheiden: 1. die Barmherzigkeit Gottes als Ausdruck seiner wohlwollenden Liebe; 2. die uns geschenkte Barmherzigkeit durch die Teilhabe an der Barmherzigkeit Gottes und ihre verwandelnde Kraft in unserem Leben; 3. die Barmherzigkeit als Ausdruck der gelebten Nächstenliebe in unseren Handlungen, besonders das Erweisen von Barmherzigkeit gegenüber den

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