Von Casanova bis Churchill. Barbara Piatti

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Von Casanova bis Churchill - Barbara Piatti страница 9

Von Casanova bis Churchill - Barbara Piatti

Скачать книгу

hinter einen Stuhl, von wo aus ich sie unauffällig vorzüglich sehen konnte. Besser gesagt: ich hatte nur für sie Augen. Sie war erstaunt; die anderen beehrten mich nicht einmal mit einem Blick, und dies war das beste, was sie tun konnten. Nach der Suppe eilte ich zu ihr und wechselte ihren Teller; denselben Dienst verrichtete ich auch bei den anderen, worauf sie sich selber bedienten.

      Während sie assen, nahm ich einen gepökelten Kapaun vor und zerlegte ihn kunstgerecht.

      «Dieser Kellner», sagte meine Schöne, «bedient sehr gut. Sind Sie schon lange in diesem Gasthof?» – «Erst seit wenigen Wochen, Madame.» – «Sie servieren ausgezeichnet.» – «Madame sind sehr gütig.»

      Ich hatte meine Manschetten von prachtvoller englischer Spitze in meine Ärmel hineingesteckt; aber die Hemdenkrause sah ein wenig aus der Weste hervor, die ich nicht sorgfältig zugeknöpft hatte. Sie bemerkte diese und rief: «Warten Sie, warten Sie!»

      «Was wünschen Sie, Madame?» – «Lassen Sie doch mal sehen. Da haben Sie ja prachtvolle Spitzen.» – «Ja, Madame, das hat man mir gesagt; aber sie sind alt. Ein vornehmer italienischer Herr, der hier wohnte, hat sie mir geschenkt.» – «Haben Sie auch solche Manschetten?» – «Ja, Madame.»

      Mit diesen Worten streckte ich meine Hand aus und knöpfte mit der anderen den Westenärmel auf. Sie zog langsam die Manschetten hervor und schien sich absichtlich so vorzubeugen, dass meine Blicke sich an ihrem Gesicht berauschen konnten. Welch köstlicher Augenblick! Ich wusste, dass sie mich wiedererkannt hatte, und als ich sah, dass sie darüber schwieg, empfand ich eine wirkliche Qual bei dem Gedanken, dass ich mit dieser Maskerade nur bis zu einem gewissen Punkt gehen konnte.

      Als sie die Spitzen ziemlich lange betrachtet hatte, sagte ihre Nachbarin zu ihr: «Aber, meine Liebe, was für eine Neugier! Man sollte meinen, du hättest in deinem Leben noch keine Spitzen gesehen.»

      Meine liebenswürdige Neugierige errötete.

      Nach dem Essen zogen sich alle vier in eine Ecke zurück, um sich auszukleiden, während ich den Tisch abräumte, und meine Schöne begann zu schreiben. Ich gestehe, es fehlte nicht viel daran, so hätte ich in meiner Eitelkeit mir eingebildet, dass sie an mich schriebe; ich hatte aber doch eine zu gute Meinung von ihr, um nicht diesen Gedanken sofort zu verwerfen. Als ich abgedeckt hatte, stellte ich mich neben die Tür.

      «Worauf warten Sie?» fragte die Schöne mich. – «Auf Ihre Befehle, Madame.» – «Ich danke Ihnen; ich brauche nichts.» – «Sie tragen Stiefel, Madame, und wenn Sie sich nicht etwa gestiefelt zu Bett legen wollen …» – «Da haben Sie allerdings recht; aber ich möchte Ihnen nicht die Mühe machen.» – «Bin ich denn nicht dazu da, Sie zu bedienen, Madame?»

      Mit diesen Worten kniete ich vor ihr nieder und schnürte langsam ihre Halbstiefel auf, während sie ruhig weiter schrieb. Ich ging aber noch weiter: ich löste die Schnalle ihres Hosenbandes, um ihre Strümpfe herunterzuziehen, und weidete mich am Anblick und noch mehr am Betasten ihrer wundervoll geformten Waden; aber zu früh für meine Wünsche hörte sie auf zu schreiben, wandte den Kopf um und sagte: «Nun ist es aber genug, ich bemerkte gar nicht, dass Sie sich zu viel Mühe gaben; gehen Sie! Morgen abend werden wir uns wiedersehen.»

      «Sie werden also hier zu Abend speisen, meine Damen?» – «Ja, gewiss.»

      Ich nahm ihre Stiefel mit, indem ich sie fragte, ob ich die Tür verschliessen solle. «Nein, mein Lieber», antwortete sie, «lassen Sie den Schlüssel von innen stecken.»

      Als Leduc die Stiefel der Fee mir abnahm, lachte er wie ein Besessener und sagte: «Sie hat Sie angeführt.» – «Wieso?» – «Ich habe alles gesehen, Monsieur. Sie spielten Ihre Rolle wie der beste Pariser Schauspieler, und ich bin überzeugt, morgen früh wird sie Ihnen einen Louis Trinkgeld geben; aber wenn Sie den nicht mir geben, plaudere ich die ganze Geschichte aus.» – «Da, du Spitzbube, da hast du ihn schon im voraus; lass mir schnell das Abendessen auftragen.»

      Dies, lieber Leser, sind Freuden, die ich mir in meinem Alter nicht mehr verschaffen kann, die ich aber noch in der Erinnerung geniessen darf. Gewisse Unmenschen predigen die Reue, und närrische Philosophen erklären unsere Freuden für nichts als Eitelkeiten.

      Ein barmherziger Traum liess mich die Nacht mit meiner Amazone verbringen, ein künstlicher, aber makelloser Genuss.

      Quelle: Giacomo Casanova Chevalier de Seingalt: Geschichte meines Lebens, Hrsg. und kommentiert von Günter Albrecht in Zusammenarbeit mit Barbara Albrecht. Band 6, München: Verlag C. H. Beck 1985, S. 108–116.

      Editorische Notiz: Casanovas Muttersprache war Italienisch, aber seine Schriften verfasste er auf Französisch, der bevorzugten Sprache der damaligen gebildeten Schichten. Die 3700-seitige Handschrift seiner Memoiren vermachte er kurz vor seinem Tod seinem Neffen. 1821 wurden sie an den Leipziger Verleger Friedrich Arnold Brockhaus verkauft. Der Text erschien im gleichen Jahr erstmals in gedruckter Form, allerdings stark zensiert und entstellt. Dennoch landete er sofort auf dem päpstlichen Index der verbotenen Bücher. Jahrzehntelang wurden nur stark bereinigte Fassungen veröffentlicht, die dann in Raubdrucken und eigenwilligen Übersetzungen erschienen. Die Luftangriffe im Zweiten Weltkrieg überstand das Manuskript unbeschadet (siehe Einleitung, Seite 12). Erst 1960 erschien die erste vollständige Ausgabe, eine erste englische Übersetzung 1966, gerade rechtzeitig im Umfeld der sexuellen Revolution.

      2010 hat die Bibliothèque Nationale in Paris das Manuskript für die sagenhafte Summe von 7,5 Millionen Euro erworben – noch nie wurde ein höherer Preis für eine Handschrift bezahlt; die Lebenserinnerungen sind, wie Fachleute und Kuratoren attestieren, in einem wunderbaren und lebendigen Französisch verfasst. Und Blätter und Tinte sind so gut erhalten, dass es so aussieht, als hätte Casanova erst gestern das Löschpapier drauf gepresst. 2012 bis 2015 ist eine dreibändige kritische Gallimard-Ausgabe erschienen, die erstmals den ganzen, den unverfälschten Casanova zugänglich macht, wissenschaftlich kommentiert.

      Jens

      Immanuel

      Baggesen

      Bad Pyrmont —

      Basel —

      Biel —

      St. Petersinsel —

      Solothurn —

      Aarau —

      Zürich —

      Schaffhausen —

      Luzern —

      Gotthard —

      Furka —

      Grimsel —

      Grindelwald —

      Lauterbrunnen —

      Thun —

      Bern

image

      Die St. Petersinsel von Norden – Ziel literarischer Pilgerfahrten auf den Spuren Jean-Jacques Rousseaus. Gouachemalerei von Johann Jakob Hartmann (1811).

      Wir

Скачать книгу