Milieusensible Pastoral. Группа авторов

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wiederholte Sinus-Studien aber zeigen, dass – erstaunlicherweise – der Prozentsatz von (katholischen) Kirchenmitgliedern in den „kirchenfernen“ modernen und postmodernen Milieus nahezu auf der Höhe des Prozentsatzes der Katholiken an der Gesamtbevölkerung liegt, dann scheint es hier doch ein massives Verteilungsproblem zu geben. Die Kirchensteuermittel, die von allen Milieus aufgebracht werden, kommen vor allem einigen wenigen zu Gute. Speziell das ortsgemeindliche Leben, das vor allem den Bedürfnissen traditionsorientierter Christen dient, erhält den Löwenanteil der Kirchensteuermittel. Das bislang oft zu hörende Argument, jeder könne sich ja zur Kirchengemeinde halten, diese stehe ja allen offen, lässt sich im Licht der Lebensweltforschung nicht mehr aufrechterhalten. Eine solche Argumentation ist eben nicht milieusensibel. Sie übersieht die ebenso inkludierende wie exkludierende Wirkung bestimmter Milieus außerhalb und eben auch innerhalb der Kirche. Zum Kapitel Ressourcengerechtigkeit gehört auch die Frage: Für welche Zielgruppen wird kirchliches Personal angestellt? Wie steht es mit Zielgruppen außerhalb der Alten und Jungen? Was ist mit den Singles? Es gibt doch nicht nur die Familien, im Gegenteil, es gibt immer weniger. Wo kommen Arbeitslose und Akademiker, wo Arbeiter und leitende Angestellte in Regelangeboten von Kirchengemeinden vor? Warum sollen Menschen in der Kirche bleiben, wenn sie von ihren sich im Laufe der Zeit enorm summierenden Beiträgen keinen persönlichen Profit haben, abgesehen von punktuellen Berührungen an einigen Schnittpunkten des Lebens?

      Das sind ziemlich radikale Fragen. Es fällt nun noch einmal anderes Licht auf die Frage: Wer verhält sich hier letztlich unchristlich: Alteingesessene Christen, die anderen den Zugang zur Kirche versperren, oder Menschen, die den Weg in die Kirche nicht finden, weil es nicht ihre Kirche ist?

      b) Theologische Konsequenzen

      (1) Kirche neu und anders denken: neue Formate von Kirche in einer sich verändernden Gesellschaft

      Wir müssen darüber nachdenken, welche Gestalt Kirche in einer sich radikal verändernden Gesellschaft braucht, wenn sie bei den Menschen sein will. Die Ortskirchengemeinde hat sich über mehrere Jahrhunderte sehr bewährt. Sie hat sehr viele Menschen erreicht und ein flächendeckendes Netz über die Menschen gespannt. Heute müssen wir wahrnehmen: die Lebensweisen der Menschen haben sich nicht nur sehr ausdifferenziert. Die Biographien sind bruchstückhafter, zeigen weit weniger Konstanz als früher, sind durch hohe Erwartungen an Flexibilität und Dynamik gekennzeichnet. Wir nehmen wahr, dass zu der dem Selbstverständnis der Kirchen nach wichtigsten Regelveranstaltung, dem Gottesdienst, im evangelischen Bereich nur noch 3–10%, im Durchschnitt 4% Kirchenmitglieder finden. Die Ortskirchengemeinde hat sich sehr bewährt, und sie muss ein Regelangebot von Kirche bleiben. Aber sie erreicht nur noch einen kleinen, eher älteren, eher traditionsorientierten Teil der Bevölkerung. Wenn sich unsere Gesellschaft in Lebenswelten mit sehr unterschiedlichen Prägungen ausdifferenziert, dann liegt es nahe, dass Kirche diese Ausdifferenzierung nachvollzieht. Das bedeutet: Neben der parochialen Gestalt von Kirche brauchen wir ergänzende alternative Gestalten, mit denen wir Menschen in ihrer Lebenswelt erreichen – etwa da und dann, wenn die gegebene Ortskirchengemeinde vor Ort ihre Lebenswelt nicht ist, für sie nicht anschlussfähig ist. Die anglikanische Kirche, die vor ähnlichen Herausforderungen steht wie die Volkskirchen in Deutschland, aber noch einem sehr viel härteren Säkularisierungsdruck ausgesetzt ist, spricht von der Notwendigkeit von fresh expressions of church.24 Sie strebt programmatisch eine mixed economy von herkömmlichen, ortskirchengemeindlich organisierten Gemeindeformen und alternativen Gestalten von „Kirche“ an, die sich dort ergeben, wo sich Christen – im Auftrag ihrer Kirche und mit ihrer Unterstützung – auf die Lebenswelten der Menschen in ihrer Gesellschaft einlassen.

      (2) Mentale Umorientierung: von der Komm-Struktur zur Geh-Struktur

      Neben die traditionelle und bewährte Komm-Struktur von Kirche muss die Geh-Struktur treten. Wir dürfen und müssen Menschen weiterhin einladen, zu unseren Gottesdiensten, in unsere Räumlichkeiten, zu unseren kirchlichen Veranstaltungen. Wir müssen aber realisieren, dass wir mit dieser Struktur nur einen Bruchteil der Menschen erreichen und interessieren, auch wenn sie sich zum gegebenen kirchlichen Leben vor Ort halten. Milieusensibilisierung heißt in diesem Zusammenhang: verstehen, dass auch das gegebene kirchliche Leben immer eine bestimmte Prägung ist, die – hoffentlich – Menschen erreicht, aber eben dadurch, dass sie für bestimmte Menschen interessant ist, die sich in ihr wohl fühlen und zu ihr passen, andere ebenso sicher abschreckt, abstößt und ausschließt. Die Pluralisierung der Lebensumstände zieht es nach sich, dass es nicht nur ästhetische und mentale Barrieren sind, die Menschen abhalten, sich dem kirchlichen Leben vor Ort anzuschließen. Sehr viele sind am Wochenende beschäftigt; sehr viele sind unterwegs; viele haben am Sonntagmorgen oder Samstagabend die einzige Möglichkeit, als Familie zusammen zu sein. Viele empfinden freilich auch kirchliche Gebäude, kirchliche Umgangsformen und Redeweisen, Rituale und Einstellungen als Teil einer Lebenswelt, die nicht zu ihnen passt und – das spüren sie instinktiv – zu der sie nicht passen. Wer das bewerten will, muss sich vergegenwärtigen, dass ebendas kirchengemeindliche Leben vor Ort nicht die christliche Lebensweise an sich repräsentiert, auch wenn dieser Kurzschluss je eher naheliegt, je weniger man sich öffnet – sondern eben nur eine mögliche Prägung darstellt. Wer Menschen erreichen will, die sich durch unsere Regelangebote einer Komm-Kirche nicht ansprechen lassen (von Kasualien einmal abgesehen), der muss die Komm-Struktur durch eine Geh-Struktur ergänzen. Wer Menschen in ihre Lebenswelten folgt und in ihnen Gemeinde baut, folgt damit dem Vorbild des lebendigen Gottes, der seine himmlische Herrlichkeit verlässt, auf die offenbar nicht sehr erfolgreiche Komm-Struktur verzichtet, sich in Jesus selbst auf den Weg macht und in unsere Lebenswelt(en) eintaucht, Mensch wird wie wir, in allem versucht wird wie wir und in der Begegnung mit den Abgründen und Untiefen menschlicher Lebenswelten Barmherzigkeit lernt.25 Diese Kommunikationsweise des lebendigen Gottes ist beispielhaft für Kirche und Christen, die Menschen erreichen wollen, die sich interessieren, indem sie zwischen, bei den Menschen sind.

      Was bedeuten diese Überlegungen für Kirche als Institution? Was können wir „einrichten“, um Kirche den Prozess mentaler und spiritueller Umorientierung zu erleichtern?

      (3) Kommunikation des Evangeliums im Kontext der Postmoderne

      Wenigstens ansatzweise möchte ich auf vier Gesichtspunkte hinweisen, die sich ergeben, wenn wir Postmoderne als eine der Basismentalitäten begreifen und uns um milieu- bzw. mentalitätssensible Glaubenskommunikation in postmodernen Kontexten bemühen:

      – (1) Postmoderne – nicht unchristliche, sondern achristliche Lebenswelt: die spezifisch missionstheologische Herausforderung

      Wir müssen als Kirche einen theologischen bzw. religionsphilosophischen Schwerpunkt unserer missionstheologischen Reflexion auf die milieusensible Glaubenskommunikation in postmodernen Lebenszusammenhängen legen. Deutschland ist Missionsland geworden, aber doch nicht nur in dem Sinne, dass es weite Bereiche v.a. im Osten und Norden und in den Großstädten gäbe, die weitgehend säkularisiert wären. Ich sehe noch eine weitere Bedeutung dieses inzwischen viel zitierten Satzes. Es geht nicht nur um den Sachverhalt, dass wir es in weiten Teilen Deutschlands mit einer Kultur zu tun haben, die sich von Kirchen und Glaube abgewandt hat und Christentum nun kritisch gegenübersteht. Es ist vielmehr eine Kultur entstanden, oder besser eine unüberschaubare Vielfalt von Subkulturen und Lebenswelten, die als Ergebnis des Säkularisierungsprozesses weitgehend ohne Bezug, auch ohne kritischen, zum christlichen Glauben entstanden ist. Postmoderne Mentalität und postmoderne Milieus sind nicht unchristlich, sie sind achristlich. Sie stellen ein kulturelles Setting dar, das vom Evangelium noch gar nicht erreicht wurde. Das stellt vor Herausforderungen, die spezifisch missionstheologischer Natur sind. Es geht exakt um die Aufgaben, vor denen auch Missionare stehen bzw. standen, wenn sie in der Dritten Welt das Evangelium in eine Kultur hinein kommuniziert haben, die diesem komplett fremd war.

      – (2) Kontextualisierung des Evangeliums in

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