Im Austausch mit der Welt. Andrea Franc

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Im Austausch mit der Welt - Andrea Franc

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(1792–1872), Tuchhändler, britischer Unterhausabgeordneter und späterer Gouverneur von Hongkong.

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      Titelblatt des Bowring-Reports, 1836.

      Aus der Einleitung des Bowring-Reports (1836)

      It could not, indeed, but excite the attention of any reflecting person, that the manufactures of Switzerland – almost unobserved, and altogether unprotected, had been gradually, but triumphantly, forcing their way into all the markets of the world, however remote, or seemingly inaccessible. That such a remarkable result was not the consequence of geographical position is obvious, for Switzerland neither produces the raw material which she manufactures, nor, when manufactured, has she any port of outlet, except on the conditions which her maritime neighbours impose upon her. No one of her fabrics owes its prosperity to a protecting or interposing legislation; yet it is not the less true that without custom-houses to exclude or laws to prohibit the full action of foreign competition on her various industries, her progress has been almost unexampled in manufacturing prosperity. I anticipated, certainly, that Switzerland would exhibit a living and instructive example of the truth and importance of the great principles of political economy when brought into practical operation; but I scarcely expected to find that they had been instrumental in producing such a vast mass of content and happiness as I found existing in the manufacturing cantons, or that they would have raised so large a proportion of the labouring class to independence and comfort.

      Für die Schweiz bestanden nebst Zollschranken vor allem Unsicherheiten beim Aufbau von Handel mit den Staaten des Deutschen Zollvereins. Würden auch diese zum Protektionismus tendieren? Das Überseegeschäft wurde für die schweizerische Industrie zum Rettungsanker. Schon im 18. Jahrhundert hatten Schweizer Unternehmer in die ganze Welt expandiert und diese Kontakte während der Kontinentalsperre weiter ausgebaut. In Genf und Neuenburg war die Indienne, die Baumwolldruckerei, während der Kontinentalsperre zugrunde gegangen, aber in der Ostschweiz und vor allem in Glarus florierte die Textilindustrie Mitte des 19. Jahrhunderts. Insbesondere war es die Nachahmung orientalischer, indischer und afrikanischer Kleiderstoffe, die der ostschweizerischen Textilindustrie einen neuen, grossartigen Aufschwung verlieh. Die farbenprächtigen Zeugdruckstoffe und die Mouchoirs der Toggenburger Handweberei sowie die berühmten Sarongs und Batikstoffe der Glarner Baumwolldruckerei fanden ihren Weg über die Türkei nach Persien (heute Iran) und Hinterindien, auf die Malaiischen Inseln, die Philippinen und nach Japan wie auch ins Innere Afrikas. Mit einer modernen Finanzierung der Industrieunternehmen ging auch die moderne Expansion in Handelsgeschäften einher. So finanzierte das kaufmännische Directorium St. Gallen-Appenzell eine Expedition nach Schanghai, um neue Absatzmärkte für die Ostschweizer Textilindustrie zu erschliessen. Andere Expeditionen führten Schweizer Kaufleute nach Ostafrika und auf die Insel Sansibar. Die Zusammenstellung von Wirtschaftsdelegationen für alle Regionen der Welt ist heute noch eine Domäne von Econonomiesuisse.

      In der frühkapitalistischen Epoche des 18. Jahrhunderts hielt sich die Schweiz als einziges europäisches Land von der merkantilistischen Handelspolitik fern, die unter der Führung Frankreichs zur langsamen Aufspaltung der ursprünglich europäischen Wirtschaftseinheit in eine Vielzahl von gegeneinander mehr oder weniger abgeschlossenen Wirtschaftsräumen geführt hatte. Dem Protektionismus des 19. Jahrhunderts setzte die Schweiz als erstes und lange Zeit einziges Land ihre aus der Frühen Neuzeit übernommene, freihändlerische Praxis entgegen. Der vorübergehende Durchbruch freihändlerischer Gesichtspunkte in der Mitte des 19. Jahrhunderts unter der Führung Grossbritanniens bedeutete aus schweizerischer Perspektive eine Annäherung der protektionistischen Umwelt an die freihändlerische Tradition der Eidgenossenschaft, nicht umgekehrt.

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      Etikette für den osmanischen Markt der Firma Tschudi in Schwanden, undatiert, vermutlich Ende 19. Jahrhundert.

      Der Glarner Textilkaufmann Peter Jenny trieb die Gründung eines nationalen Handels- und Industrievereins voran. Auf Jennys Initiative hin schrieb die Glarner Handels-Commission im Frühjahr 1869 die verschiedenen kantonalen Handelskammern an. Nach der Gründung des Schweizerischen Handels- und Industrievereins (SHIV) amtete er bis 1877 als Ausschussmitglied des Verbands. Jenny war Bauernsohn, absolvierte aber eine kaufmännische Ausbildung in Wattwil und Ancona sowie Lehrjahre bei einer deutschen Handelsgesellschaft in Singapur. Mit seiner Schwiegerfamilie führte er die Textildruckerei und die global tätige Handelsgesellschaft Blumer & Jenny mit Sitz im glarnerischen Schwanden. Im heute denkmalgeschützten Hänggiturm der Textildruckerei, wo die farbigen Stoffe in langen Bahnen zum Trocknen aufgehängt wurden, befindet sich heute das Glarner Wirtschaftsarchiv.

      Peter Jenny eröffnete eine Firma in Manila auf den Philippinen. Diese importierte Textilien des Stammhauses in Schwanden sowie Uhren und Musikdosen und exportierte philippinischen Tabak, Zigarren und Zucker. Wie im schweizerischen Bundesstaat üblich, war Jenny Unternehmer, Politiker und Diplomat zugleich. In Manila war er zwangsläufig auch Konsul. Er amtete von 1863 bis 1879 als Glarner Ratsherr und war Mitglied der Glarner Standeskommission, sass zwischen 1866 und 1872 im Nationalrat und zwischen 1875 und 1877 im Ständerat. Peter Jenny gehörte zu jenen Fabrikanten, die eine gesetzliche Regelung der Industriearbeit guthiessen. Glarus gab sich als erster Schweizer Kanton ein Fabrikgesetz; Jenny gehörte der entsprechenden Kommission an. Nachdem mit der neuen Bundesverfassung von 1874 der Bund für das Arbeitsrecht zuständig geworden war, arbeitete Jenny 1877 in der Expertenkommission für das eidgenössische Fabrikgesetz mit. Er war zudem von 1864 bis 1878 Verwaltungsrat der Vereinigten Schweizerbahnen und initiierte die 1879 eröffneten Bahnlinie ins Glarner Hinterland.

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      Hänggiturm der Firma Blumer & Jenny in Schwanden. Hier wurden die farbig bedruckten Tücher für die überseeischen Märkte zum Trocknen aufgehängt.

      Die Industrialisierung in Europa sowie die Expansion nach Asien, Afrika und Lateinamerika zogen auch die Frage nach dem ethischen Verhalten der modernen Unternehmen nach sich. Inwieweit waren Fabrikbesitzer verantwortlich für das Wohlergehen ihrer Arbeiter? Welche moralischen Verpflichtungen erforderte der Handel mit Nichtchristen? Während fast zwei Jahrhunderten war die Frage nach der Unternehmerverantwortung eine religiöse Frage. Die ersten, wohl bedeutendsten Schritte waren die sogenannte Abolition, das Verbot des transatlantischen Handels mit Sklaven durch das britische Parlament 1807, und das Verbot der Sklaverei durch den Wiener Kongress 1815. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts gab es in der Schweiz zahlreiche Publikationen, Gesellschaften oder Aktionen zur Befreiung von Sklaven in den USA oder in Afrika. Die «äussere» Mission, das heisst die christliche Mission in den nicht christlichen Gebieten der Welt, fokussierte insbesondere darauf, Landwirtschaft und Handwerk zu fördern. Ziel war, den Handel mit Sklaven durch den Handel mit Baumwolle, Palmöl oder anderen Gütern zu ersetzen. Die Basler Mission, eine der weltweit bedeutendsten protestantischen Missionen im 19. Jahrhundert, gründete dafür 1859 die Basler Missionshandelsgesellschaft AG, die im heutigen Ghana mit Kakaopflanzen experimentierte und 1892 den ersten Sack afrikanischen Kakao nach Hamburg exportierte. Die Tatsache, dass Basler Unternehmer zu dieser Zeit ausgerechnet eine Aktiengesellschaft gründeten, weist auf die karitative Absicht hin. Bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden Aktiengesellschaften in der Schweiz für kulturelle und karitative Zwecke benutzt. Protestantische Unternehmer leiteten und finanzierten die Basler, Lausanner und Neuenburger Missionen. Die gleichen Unternehmer engagierten sich auch in der «inneren» Mission, also in der Besserstellung der Arbeiterschaft in den Industriebetrieben. Sehr typisch für das christliche Unternehmertum war etwa der Bau von Arbeitersiedlungen, wie sie ab

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