Grundfragen des Staatskirchen- und Religionsrechts. Группа авторов

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Grundfragen des Staatskirchen- und Religionsrechts - Группа авторов Mainzer Beiträge zum Kirchen- und Religionsrecht

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      Der aus dem 19. Jahrhundert überlieferte und bis heute definitorisch verwendete, aber nicht mehr ideologisch belastete Begriff „Staatskirchenrecht“ insinuiert die soeben angesprochene Verwobenheit als eine Superiorität des Staates über die Kirche und wird daher bisweilen nicht als glücklich angesehen. Synonym kann dazu in der multireligiösen Gesellschaft auch der Begriff des „staatlichen Religionsrechts“ verwendet werden, den der Bochumer Jurist und zeitweilige nordrhein-westfälische Kultusminister Paul Mikat bereits 1980 in die wissenschaftliche Diskussion eingebracht hat.17 Dieser Begriff ist bisher aber (noch) eher weniger verbreitet, wird aber im Hinblick auf eine multireligiöse oder multiweltanschauliche Gesellschaft an Bedeutung gewinnen18 und scheint auch für den internationalen Dialog, z.B. das Religionsrecht in der EU betreffend, besser geeignet zu sein.19 Als weiterer Begriff taucht in der wissenschaftlichen Literatur der des „Religionsverfassungsrechts“ auf. Dieser unterscheidet sich von dem neutraleren des Religionsrechts durch die zumindest latente Ein- bzw. Unterordnung dieses Rechtsgebiets unter die verfassungsrechtlichen Vorgaben des Grundgesetzes.20 Das muss vor dem Hintergrund der Grundrechte der Art. 1-19 GG nicht negativ gesehen werden, weist aber auf eine weitere Tendenz hin, die dazu neigt, das gesamte Rechtsgebiet nur aus staatlicher Sicht zu betrachten. Geht man jedoch davon aus, dass es sich bei dem Staat und den Religionsgemeinschaften um jeweils autonome Entitäten handelt, greift dieser Begriff zu kurz. Daher wird das hier zu beschreibende Rechtsgebiet, wenn und insofern es nicht nur um die christlichen Konfessionen geht, besser mit Religionsrecht umschrieben.

      Der Begriff bleibt so weit, dass er für eine Fülle von religiösweltanschaulichen Auffassungen, die mehr oder weniger organisiert auftreten, anwendbar ist. Daneben muss man die Tatsache berücksichtigen, dass durch die Pluralisierung der Bekenntnisse in Deutschland Religionen und Weltanschauungen heimisch geworden sind, die keinerlei Verkirchlichungstendenzen aufweisen. Das gilt im Besonderen für den Islam und das Judentum. Daher ist die Etablierung des Begriffs Religionsrecht angemessen, wenn damit nicht eine dezidiert antichristliche Haltung verbunden ist. Dieser Begriff entspricht auch der Wortwahl in den religionsrechtlichen Artikeln des Grundgesetzes und der Weimarer Reichverfassung.

      Merke: Das Staatskirchen- und/oder Religionsrecht ist ein Teilgebiet des deutschen öffentlichen Rechts. Es umfasst die vom Staat erlassenen Gesetze und Verwaltungsvorschriften, die sich auf die Rechtsstellung von Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften sowie deren Verhältnis zum Staat beziehen. Das Staatskirchenrecht ist nicht der Anwendung auf die in Deutschland etablierten Religionsgemeinschaften vorbehalten. Solange jedoch bewusst ist, dass durch den Gebrauch des Begriffs „Staatskirchenrecht“ nicht eine vorweggenommene Einordnung des Verhältnisses von Staat und Kirche erreicht werden soll, sondern er als neutraler Begriff für eine juristische Disziplin verwendet wird, welche als einen Schwerpunkt das Verhältnis von Staat und Kirche zum Gegenstand hat, kann an diesem Begriff festgehalten werden.21

      Der Begriff Religionsrecht greift auf die Terminologie in den religionsrechtlichen Artikeln des Grundgesetzes zurück und eignet sich für die Diskussion der Rechtsbeziehung zwischen dem Staat und allen Religionen unbeachtlich seines historischen Herkommens.

      1 Vgl. Ansgar Hense, Kirche und Staat in Deutschland, in: Stephan Haering, Wilhelm Rees, Heribert Schmitz (Hrsg.), Handbuch des katholischen Kirchenrechts (HdbkathKR), Regensburg 32015, 1830-1865,1836.

      2 Vgl. Friedhelm Hufen, Staatsrecht II. Grundrechte, München 22009, 371.

      3 Vgl. Alexander Hollerbach, Grundlagen des Staatskirchenrechts, in: Josef Isensee, Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. VI, Heidelberg 1989, 471-556, 472.

      4 Vgl. BVerfGE 24, 236 (247 f.); 32, 98 (106); 33, 23 (28 f.); 41, 29 (50).

      5 Die nachfolgenden kursiv gedruckten Entscheidungsnachweise sind dem Urteil entnommen und wegen der Lesbarkeit in die Fußnoten verschoben worden.

      6 BVerfGE 24, 236 (246) BVerfGE 24, 236 (247).

      7 BVerfGE 24, 236 (247) BVerfGE 24, 236 (248).

      8 BVerfGE 10, 59 (84 f.); 12, 45 (54); 19, 1 (8); 19, 226 (238 ff.); 19, 268 (278 ff.).

      9 BVerfGE 18, 385 (386 f.).

      10 BVerfGE 83, 341(353).

      11 Vgl. ebd.

      12 Siehe dazu: Dietrich Pirson, Die geschichtlichen Wurzeln des deutschen Staatskirchenrechts, in: Joseph Listl, Dietrich Pirson (Hrsg.), Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland (HdbStKR), Bd. II, Berlin 21994/95, 3-46, 11, Anm. 18; Alexander Hollerbach, Grundlagen des Staatskirchenrechts, in: Josef Isensee, Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. IV, Heidelberg 22001, 471-556, 472.

      13 Helmuth Pree, Österreichisches Staatskirchenrecht, Wien 1984, 1.

      14 Vgl. Ansgar Hense, Staatskirchenrecht oder Religionsverfassungsrecht: mehr als ein Streit um Begriffe?, in: Andreas Haratsch, Norbert Janz, Sonja Rademacher, Stefanie Schmahl, Norman Weiß (Hrsg.), Religion und Weltanschauung im säkularen Staat: 41. Tagung der Wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Fachrichtung „Öffentliches Recht“, Potsdam 2001, 9-47, 9 ff.

      15 Vgl. Alexander Hollerbach, Grundlagen des Staatskirchenrechts, (Fn. 3), 472.

      16 Vgl. Alexander Hollerbach, Staatskirchenrecht, in: Stephan Haering, Heribert Schmitz (Hrsg.), Lexikon des Kirchenrechts, Freiburg 2004, 904-909, 905.

      17 Vgl. Paul Mikat, Zur rechtlichen Bedeutung religiöser Interessen, in: ders. (Hrsg.), Kirche und Staat in der neueren Entwicklung, Darmstadt 1980, 319 ff, 323, Anm. 9.

      18 Als erste wissenschaftliche Einrichtung hat sich der Lehrstuhl für Kirchenrecht und Staatskirchenrecht der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Fribourg in Institut für Religionsrecht umbenannt. Heinrich de Wall, Christian Walter und Stefan Korioth haben 2010 eine neue Schriftenreihe zum Religionsrecht etabliert (Nomos). 2014 wurde an der Johannes Gutenberg-Universität das Zentrum für Interdisziplinäre Studien zum Religions- und Religionsverfassungsrecht gegründet.

      19 Vgl. zum Stand der Diskussion: Axel Frhr. von Campenhausen, Heinrich de Wall, Staatskirchenrecht, München 42006, 38 f.

      20 Vgl. Ansgar Hense, Kirche und Staat in Deutschland, (Fn. 1), 1836ff.

      21 Vgl. hierzu Ansgar Hense, Staatskirchenrecht oder Religionsverfassungsrecht (Fn. 14), 9 ff.

      Kapitel 1: Normative Grundlagen für das deutsche Religionsrecht – heute nur noch deutsches Recht?

      Trotz aller Probleme mit denen die Europäische Union in den zurückliegenden Jahren und auch gegenwärtig zu kämpfen hat, sie berühren das Feld des Religions- und Staatskirchenrechts nicht. Es ist eine Tatsache, dass die politischen Handlungsträger in nahezu allen Rechtbereichen eine Harmonisierung und Rechtsangleichung der Bestimmungen anstreben. Trotz aller bestehender Unterschiede in den Details der Verfassungen der Mitgliedsstaaten wird man jedoch bereits, ohne hier harmonisieren zu müssen, die essentiellen Freiheitsrechte überall als gegeben ansehen dürfen. Freilich sagt das noch nichts über das jeweilige Verhältnis von Staat und Religionsgemeinschaften aus. Auf dieser verfassungsrechtlichen Ebene ist es ohnehin fraglich, ob eine Harmonisierung unbedingt erstrebenswert erscheint, oder ob nicht gerade hier unterschiedliche Konzeptionen im Lichte der jeweiligen historischen Entwicklungen bewahrenswert sind. Das gilt umso mehr, als diese Entwicklungen

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