Grundfragen des Staatskirchen- und Religionsrechts. Группа авторов

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Grundfragen des Staatskirchen- und Religionsrechts - Группа авторов Mainzer Beiträge zum Kirchen- und Religionsrecht

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1997 (Erklärung Nr. 11 zur Schlussakte des Vertrages von Amsterdam). Er lautet: „Die Union achtet den Status, den Kirchen und religiöse Vereinigungen oder Gemeinschaften in den Mitgliedstaaten nach deren Rechtsvorschriften genießen und beeinträchtigt ihn nicht.“ Damit erkennt die EU die Vielfalt der europäischen Staatskirchensysteme an und akzeptiert die grundsätzliche nationale Regelungskompetenz für das Verhältnis von Staat und Kirche.

      Trotzdem sind Kirchen und Religionsgemeinschaften nicht vor einer zumindest mittelbaren Einflussnahme durch EU-Gesetzgebung und die Rechtsprechung der europäischen Höchstgerichte geschützt. Die Nicht-Zuständigkeit der EU für das Religions- bzw. Staatskirchenrecht schaffte keinen europarechtsfreien Raum. Vielmehr sind Folgewirkungen der Ausübung bestehender Kompetenzen auf das Kirchen- und Staatskirchenrecht grundsätzlich möglich, etwa im Bereich des Datenschutz- oder des Antidiskriminierungsrechts. Die Kompetenzausübungsnorm des Art. 17 Abs. 1 AEUV bewirkt letztlich ein Rücksichtnahmegebot zugunsten des Patrimoniums der Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften, das sich in Ausnahmeklauseln konkretisieren kann. So enthält etwa die sog. Beschäftigungsrahmenrichtlinie (2000/78/EG), die Diskriminierungen wegen der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung im Bereich Beschäftigung und Beruf verbietet, in Art. 4 Abs. 2 Ausnahmen für Tätigkeiten bei religiös-weltanschaulich geprägten Arbeitgebern. Auch im europäischen Datenschutzrecht finden sich in Art. 8 der »Datenschutzrichtlinie« (95/46/EG) Ausnahmevorschriften für Religionsgemeinschaften. Der dortige Abs. 2d findet Anwendung, wenn es um die Verarbeitung von Daten durch diese Gemeinschaften geht. Abs. 2 bezieht sich auf die Verarbeitung von religionsbezogenen Daten durch den Staat (Bsp.: Verwaltungsvoraussetzungen des Kirchensteuereinzugs).

      Der sog. „Kirchenartikel“ im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union bringt zudem eine wichtige rechtliche Klarstellung hinsichtlich der Rolle von Kirchen und Religionsgemeinschaften im europäischen Institutionengefüge. Art. 17 Abs. 3 AEUV formuliert die institutionelle Anerkennung der Kirchen als gesellschaftliche Kraft, indem er festschreibt, dass die Union „mit diesen Kirchen und Gemeinschaften in Anerkennung ihrer Identität und ihres besonderen Beitrag einen offenen, transparenten und regelmäßigen Dialog pflegt.“ Freilich bleibt festzuhalten, dass diese Norm über den Grad einer selbstverpflichtenden Absichtserklärung zum Dialog nicht hinausreicht. Damit steht Art. 17 Abs. 3 AEUV jedoch im Gefüge der europarechtlichen Normen nicht allein.

      Allgemein ist im Bereich des sekundären Europarechts zwischen ausschließlichen und nichtausschließlichen Kompetenzen zu unterscheiden. Daneben wird die EU in Bereichen, in denen ihr keine ausschließliche Gesetzgebungskompetenz zusteht, nur tätig, wenn die verfolgten Ziele auf Unionsebene besser erreicht werden können als auf nationaler Ebene (Subsidiaritätsprinzip).

      Das Staats-Kirchen-Vertragsrecht (oder Vertragsstaatskirchenrecht) beinhaltet jenes Recht, das staatliche und kirchliche Autoritäten gemeinsam setzen, indem sie miteinander einen Vertrag schließen. Dieses Recht setzt voraus, dass Staat und Kirche(n) sich gegenseitig als souveräne Vertragsparteien anerkennen. Sie lassen erkennen, dass beide Entitäten die Absicht haben, sich berührende Interessen gemeinsam, dauerhaft und einvernehmlich zu regeln. Das Vertragsstaatskirchenrecht ist eine wichtige und weltweit verbreitete Quelle und eine Grundlage für die Ordnung der Verhältnisse von Staat und Kirchen. Das gilt nicht nur für Deutschland oder Länder deutscher Sprache.37

      Die Geschichte der Konkordate nimmt ihren Anfang zu Beginn des 12. Jahrhunderts. Es diente zunächst der Befriedung des fortdauernden Investiturstreits. Die Konkordate von London (1107) und vor allem das gut dokumentierte Wormser Konkordat (1122) sind zwar nicht der Form, aber der Sache nach die Vorreiter der folgenden Konkordate. Für Deutschland sind die Frankfurter Fürstenkonkordate (1447) für die Zeit bis zum Ende des alten Reiches (1803) und die Neuaufbrüche im 20. Jahrhundert mit dem Bayerischen (1924), dem Preußischen (1929), dem Badischen (1932) Konkordat und dem Reichskonkordat [nachfolgend kurz: RK]38 (193 3) für die vertragsrechtliche Gestaltung der gegenwärtigen Beziehungen von Staat und Kirche von dauerhafter Bedeutung.39 Nach dem Abschluss des Reichskonkordats trat in Deutschland im Hinblick auf den Abschluss von Staatskirchenverträgen, wegen der NS-Diktatur, eine zwei Jahrzehnte dauernde Zäsur ein. Erst dann hat die Entwicklung des Konkordats-Rechts nach dem 2. Weltkrieg in Deutschland, begünstigt durch den föderalen Staatsaufbau der Bundesrepublik, zum Abschluss zahlreicher Konkordate und mit ihnen inhaltlich und formal korrespondierender evangelischen Kirchenverträge geführt. Kein Land der Welt besitzt so viele Staatskirchenverträge wie die Bundesrepublik. Das ist vor allem der föderalen Struktur und darin der Kulturhoheit der Länder zu verdanken, die hier Vertragspartner des Heiligen Stuhls sind.

       Entstehungsgeschichte der drei „alten Weimarer“ Länderkonkordate

      Seit dem Ende des 2. Weltkriegs hat der Heilige Stuhl immer wieder weltweit den Weg über Staatskirchenverträge, Konkordate oder Konventionen gesucht, um die Beziehungen zwischen Kirche und Staat auf ein beständiges rechtliches Fundament zu stellen. So wurden ab 1950 eine große Zahl an Konkordaten zwischen dem Heiligen Stuhl und einzelnen Staaten geschlossen. Man kann sogar so weit gehen und sagen, dass die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts aus vatikanischer Sicht eine große Zeit der Konkordate geworden ist. Während in der Zeit von 1801 bis 1945 gerade einmal fünf Staatskirchenverträge zustande gekommen sind, hat der Vatikan mit den Staaten der Welt von 1950 bis 2000 142 Verträge geschlossen, die entweder grundsätzlich das jeweilige Staat-Kirche-Verhältnis regeln oder aber bestimmte Fragen einheitlich und auf Dauer klären.40 Aus vatikanischer Perspektive wird die Ansicht vertreten, dass diese Art der einvernehmlichen Regelung des Verhältnisses von Staat und Kirche noch nicht ihren Endpunkt erreicht habe. Gerade die globalen Veränderungen und die theologischen Ausrichtungen des 2. Vatikanischen Konzils haben diesem altehrwürdigen Instrument einvernehmlicher, partnerschaftlicher Verhältnisbestimmung neue Wege eröffnet, u.a. auch dieses Verhältnis den Erfordernissen der Zeit entsprechend zu gestalten.41

      In Deutschland sind im 21. Jahrhundert noch die Konkordate mit Brandenburg (2003), Bremen (2003), Hamburg (2005) und Schleswig-Holstein (2009) hinzugekommen. Neben den völkerrechtlich anerkannten Verträgen gibt es aber auch Verträge einzelner Diözesen mit der zuständigen staatlichen Autorität. Diese sind entweder geschlossen worden, weil eine völkerrechtliche Vereinbarung nicht zustande gekommen ist, oder die obwaltenden politischen Umstände ein Konkordat nicht zugelassen haben.42 Diesen Verträgen wird völkerrechtsgleiche Geltung zugesprochen, ebenso wie den Verträgen zwischen den evangelischen Landeskirchen und den zuständigen staatlichen Vertragspartner aus dem Bund oder den Bundesländern. In den letzten zwei Jahrzehnten (Stand 2015) sind noch eine Reihe von Verträgen mit anderen Religionsgemeinschaften und nichtchristlichen religiösen Gemeinden bzw. Gemeinschaften hinzugekommen, welche die verfassungsrechtliche Offenheit für jedwede Religionsgemeinschaft in Deutschland dokumentieren. Konkordate und Staatskirchenverträge binden unmittelbar nur ihre Vertragsparteien. Um innerstaatlich Rechtsverbindlichkeit zu erlangen, bedürfen sie der Transformation in das nationale bzw. supranationale Recht.43 Daraus wird in der Literatur ein gewisser Europäisierungsdruck abgeleitet, der die Anpassung wohl nicht der grundlegenden, aber doch mancher detaillierteren Vertragsgegenstände, wie etwa die Regelungen zu den Konkordatslehrstühlen (= nichttheologische Lehrstühle, die aber überwiegend oder teilweise der Theologenausbildung dienen), Studienanforderungen oder der sogenannten politischen Klausel.44 Einige der nach 1990 abgeschlossenen Länderkonkordate in der Bundesrepublik unterscheiden sich in diesen Regelungsgegenständen von den älteren Länderkonkordaten, jüngst vor allem mit Blick auf die sogenannte politische Klausel.45

      Das Konkordat ist ein spezieller Staatskirchenvertrag

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