Personalentwicklung im Bereich Seelsorgepersonal. Christine Schrappe
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Nach Luhmann hat Personalentwicklung auf diesem Hintergrund wenig Einfluss auf Organisationsveränderungen. Sie kann aus organisationssoziologischer Perspektive nur mit größten Schwierigkeiten die Art und Weise, wie Entscheidungen in Organisationen gefällt werden, verändern. Personalentwicklung dient in der Regel der sinnvollen Ausstattung von Arbeitsplätzen, stellt Hilfen für persönliche und berufliche Probleme bereit, plant Eingewöhnungszeiten für Neuankömmlinge und Abkühlzeiten für Versager und Opfer von Stellenkürzungen. Diese angesichts der meisten Managementkonzepte sehr bescheidenen Ansprüche von Personalentwicklung reduziert Luhmann weiterhin auf „Angebote von Ersatzbefriedigungen für Personen ohne Aussicht auf ein Weiterkommen“ bis hin zu „Scheinhierarchien, die Beförderungsmöglichkeiten bieten, ohne dass dem auf der Ebene der Kompetenzen ein Bedarf entspräche.“119
Kühl verweist auf das Dilemma, in welchem Personalverantwortliche stehen: Latente Funktionen wie das Etablieren von Scheinhierarchien oder das Installieren von Ersatzbefriedigungen für Mitarbeiter ohne Karriereaussichten dürfte weder den Mitarbeitenden noch der Unternehmensleitung gegenüber offen formuliert werden. Latenz bedeutet nicht, dass die Beteiligten gegenüber dieser Funktion zwangsläufig blind sein müssen. „Häufig weiß man, dass eine Outplacement-Beratung dazu dient, die Wut der entlassenen Mitarbeiter ‚auskühlen‘ zu lassen, aber man kann dies eben nicht immer genauso formulieren. Auch ist dem Kollegen häufig bewusst, dass eine Managerin die zweite Sekretärin nicht nur wegen der Arbeitsüberlastung, sondern wegen dem Statusgewinn anstrebt.“120 Auch Personalentwicklung in der Kirche hat ihre eigenen „Auskühlmechanismen“ und „Scheinhierarchien“. Zu nennen wären im kirchlichen Arbeitsmarkt das „Ruhigstellen“ von leitungswilligen Laienmitarbeitern auf Pfarreiebene, die statt Leitungsaufgaben innerhalb einer Pfarrei zusätzliche Dekanatsaufgaben übernehmen oder Spezialfortbildungen machen. Um nicht unfähige Mitarbeiter entlassen zu müssen oder um schwelende Dauerkonflikte einzugrenzen, werden schwierige Mitarbeitende „geparkt“ auf neu geschaffenen Stellen, die nach Stellenplan unnötig wären. Individuelle Kränkungen können durch die Vergabe von Ämtern und Ehrentiteln gemildert werden.
Die hier aufgeworfenen Anfragen an den Wirkungsgrad von Personalentwicklungsmaßnahmen führen zu einer kritischen Grundhaltung gegenüber jeglichen allzu glatten Managementkonzepten. Wenn der Personalentwicklung nur in begrenztem Umfang Veränderungskraft auf der Ebene einer großen Organisationseinheit zugestanden wird, liegt dies auch an einem zu engen Verständnis von Personalentwicklung. Dies ist der Grund, warum im Rahmen dieser Arbeit das Verständnis von Personalentwicklung bewusst geweitet wird. Es geht um mehr als um Fortbildung und Führungstrainings. Personalentwicklung umfasst die strategische Gestaltung von Prozessabläufen und die Einflussnahme auf Arbeitsstrukturen und Räume. Der Aufruf zur Selbstbescheidung der Personalentwicklungsansprüche soll an dieser Stelle Impuls sein, die „Umprogrammierbarkeit“ der „Hardware Personal“ gerade in der katholischen Kirche nicht zu überschätzen. Pfarreien sind einflussreiche Systeme, welche die Veränderungsimpulse des einzelnen Pfarrers oder Gemeindereferenten „aufsaugen“ und „neutralisieren“ können. Kirchliche Sozialisation und studienbegleitende Berufsausbildung in einer diözesanen Einrichtung prägen das eigene Berufsverständnis. Hier werden einzelnen Fortbildungsmaßnahmen oder Trainings in späteren Jahren nicht mehr als Impulse geben können und im besten Fall Irritationen verursachen, welche Suchbewegungen auslösen. Allmachtsphantasien von Fortbildnern und Persönlichkeitstrainern ist Einhalt zu gebieten. Darauf wird im Kapitel 7 („Kirchenspezifische Probleme“) noch näher einzugehen sein.
3.6 Personalentwicklung als Teil von Organisationsentwicklung – Die Bedeutung von Arbeitsstrukturen
„Personalentwicklung“ muss in engem Bezug zur Organisationsentwicklung bzw. zum organisationalen Lernen des Unternehmens definiert werden. Neben die traditionellen laufbahn-, positions- und qualifikationsbezogenen Maßnahmen treten deshalb in immer stärkerem Maße organisations- und strukturbezogene Aktivitäten. Das Verständnis von Personalentwicklung darf sich nicht beschränken auf die personenbezogenen Schwerpunkte wie Fort- und Weiterbildung. Wer den Vorrang der Person will, muss sich auch mit den Strukturen beschäftigen, die diese Personen umgeben.
Jede Organisation als Gesamtsystem ist eingebettet in ein komplexes Beziehungsgefüge interschiedlicher Wirkfaktoren. Ein im Kontext der Personalentwicklung sinnvolles Konzept zur Planung und Steuerung in Organisationen bezieht soziale, technologische und bauliche Faktoren ein. Von Interesse sind dabei die Gesetzmäßigkeiten und Wechselwirkungen innerhalb einer Organisation. Vier Subsysteme kristallisierten sich, eingebettet in den Kontext und die Vision eines Unternehmens, als besonders wirksame Faktoren mit hohem Einfluss auf das Verhalten von Mitarbeitern heraus:
Abbildung 2: Wirkungsweise von Veränderungen. Organisationsmodell von Porras et al, aus: Schubert, Hans-Joachim, Change Management, Studienbrief PE 0910, Kaiserslautern 2001, 98.
Unter der Überschrift „Organisatorische Regelungen“ sind spezifisch formale Elemente zusammengefasst, mit denen die Koordination gewährleistet werden soll. Sanktions- und Belohnungssysteme beeinflussen das Mitarbeiterverhalten ebenso wie Ablauf- und Aufbaustrukturen.
Mit „Sozialen Faktoren“ sind die eher informellen Merkmale der Zusammenarbeit beschrieben. Auf der Ebene der Gesamtorganisation sind es Normen und Werte, die sich in Interaktionsprozessen und Führungsstilen niederschlagen. Unter den Begriff „Technologie“ fallen Merkmale wie Stand der technischen Ausstattung, Gestaltung von Kommunikations- und Arbeitsabläufen. Die Einrichtung technischer Kommunikationsmittel (z.B. Intranet) verändert die Kommunikation in einer Organisation. Die Handhabbarkeit moderner Kommunikationstechniken erhöht die Geschwindigkeit der organisationsinternen „Wissensströme“. Wissensmanagement trägt Sorge dafür, dass vorhandenes Wissen und Kompetenz flächendeckend genutzt werden und zum Einsatz kommen. Das hat mit Arbeitsstrukturen und Technik zu tun. Transparente Postverteilungssysteme, Systeme zur fristgerechten Beantwortung von eingehender Post erhöhen den Dienstcharakter von Behörden.
Die Kategorie „Bauliche Bedingungen“ meint Aspekte wie Anordnung und Gestaltung von Arbeits- und Aufenthaltsräumen und die architektonische Gesamterscheinung. Die Planung von Pfarrhäusern beeinflusst die Kommunikationsstruktur zwischen Pfarrer, Pfarrbüro und haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitern. Dies hat Einfluss auf Arbeitsstil und Arbeitsleistung.