Personalentwicklung im Bereich Seelsorgepersonal. Christine Schrappe
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In Arbeitsfeldern, in denen ein Bündel hoher personaler, sozialer und fachlicher Kompetenz gefragt ist, muss der Arbeitgeber, auch in Zeiten knapper Ressourcen und Stellenabbaus, das Anliegen haben, psychisch gesunde, gut qualifizierte, hoch motivierte und zu lebenslangem Lernen bereite Mitarbeiter zu gewinnen und dauerhaft zu halten, damit erworbene Kompetenz erhalten bleibt und die betrieblichen Investitionen in die Personalentwicklung dem Unternehmen zugutekommen. In dem Maße, wie ein Unternehmen sich als attraktiver und zuverlässiger Arbeitgeber präsentiert, ist es möglich, die besten jungen Mitarbeiter zu halten und nicht die kompetentesten Auszubildenden und flexibelsten Mitarbeiter an andere Arbeitgeber zu verlieren.111 Professionelle und transparente Personalauswahl gehört zu einer erfolgreichen Unternehmensführung, um externe Stellenbewerber nach ihrer Kompetenz und Lernbereitschaft auswählen und interne Bewerbungen sachgerecht und menschlich fair abwickeln zu können.112
Laufbahnplanung als zentrales Instrument der Personalentwicklung ist Voraussetzung für die Planung individueller Weiterbildung des einzelnen Mitarbeiters und für das Bildungskonzept einer Gesamtorganisation. Es geht bei Laufbahnplanung nicht um die jährlichen Mitarbeitergespräche mit dem direkten Dienstvorgesetzten, sondern um übergeordnete Personalgespräche, in welchen eine Planung des individuellen beruflichen Werdegangs in Abstimmung mit den Entwicklungen des Gesamtunternehmens erarbeitet wird. Entwicklungspläne orientieren sich am Wunsch nach individueller beruflicher Veränderung des Einzelnen, aber auch am zukünftigen Bedarf des Gesamtunternehmens. Es geht um die gezielte Planung und Vorbereitung der Übernahme spezieller Verantwortlichkeiten oder neuer Fachbereiche in naher oder ferner Zukunft. Daran ausgerichtet können entsprechende Maßnahmen der Fort- und Weiterbildung strategisch geplant werden. Bereits vorhandene Kompetenzen gilt es festzustellen und den Erwerb zukünftiger Kompetenzen in einem individuell angepassten Modus der Weiterbildung (z.B. am Arbeitsplatz, berufsbegleitend oder in Freistellung) zu vereinbaren. Als Kurzdefinition gilt: Es geht darum, die richtige Person auf die richtige Stelle zu bringen. Dies ist Steuerungsaufgabe von Personalverantwortlichen, in deren Auftrag Personalentwicklung geleistet wird.
3.4 Zielperspektiven einer antizipierenden Personalentwicklung
Personalentwicklung verlängert nicht das, was bislang gewesen ist (Fortschreibungsmuster) oder setzt das um, was „von oben kommt“ (Umsetzungsmuster), sondern hat mit proaktivem Blick und aus eigener professioneller Zuständigkeit zu verfolgen und aufzuzeigen, welche Gegebenheiten den betrieblichen Wandel und das betriebliche Lernen behindern oder welche Faktoren der Förderung der Mitarbeiter dienlich sind.
„Unübersehbar lässt sich eine Erosion der relativen Bedeutung des Fachlichen in der Personalentwicklung feststellen, eine Feststellung, die immer wieder dahingehend missverstanden wird, man wolle oder könne in der Personalentwicklung auf das Fachliche im engeren Sinne stärker verzichten. Dies ist jedoch keineswegs der Fall. Folgt man der aktuellen Qualitätsdebatte in Deutschland, so wird es zwar auch in Zukunft nach wie vor wichtig sein, neben den Kulturtechniken ein ausreichendes Grund-, Orientierungs- und Anwendungswissen zu erwerben, doch kann man gleichzeitig feststellen, dass heute Fachwissen alleine nicht mehr ausreicht.“113 Entscheidender Erfolgsfaktor eines Unternehmens wird in Zukunft das „Know-how-to-know“ der eigenen Mitarbeiter sein. Moderne Qualifizierung und Kompetenzentwicklung kann sich kaum noch auf Wissensvermittlung zur Schließung von Qualifikationslücken oder Beseitigung von Kompetenzdefiziten beschränken. Vielmehr kommt es darauf an, die „Kompetenz zur Kompetenz“ des Personals zu fördern. Qualitätsprofile lassen sich dabei immer weniger als inhaltsreiche Anforderungskataloge definieren. Vorrangig ist die systematische Stärkung der Selbsttätigkeits- und Selbstorganisationsfähigkeit der Individuen. Personalentwicklung muss hierfür Lerngelegenheiten schaffen, in denen ein Individuum – auch durch Lernen am Arbeitsplatz – die Voraussetzungen dafür erwirbt, sich selbsttätig, selbstorganisiert sowie mit kritischem Urteil und gestaltend zu verhalten. Dadurch wird es darauf vorbereitet, sich dann mit den erforderlichen Handlungs- und Lernanforderungen auseinandersetzen zu können, wenn es sich mit diesen konfrontiert sieht. Personalentwicklung muss diese Gestaltungspotenziale entwickeln bzw. Gelegenheiten schaffen, damit diese entstehen können.
Ziel von Personalentwicklung ist, dass Mitarbeiter über „Werkzeuge“ und „Strategien“ verfügen, in Veränderungen zu reagieren, vorhandenes Wissen neu einzuordnen oder bewusst zu „verlernen“. Die Selbsthilfeperspektive steht dabei im Vordergrund. Antizipierende Potenzialorientierung bedeutet zunächst eine Bewusstseinshaltung. Prospektive Personalentwicklung lenkt den Blick auf die Mitarbeiter als dem wertvollsten Potenzial einer Einrichtung. Hierbei geht es darum, zukünftig besonders relevante Verhaltenspotenziale wie Unternehmergeist, Führungsqualität, die Fähigkeit zu Selbstmanagement und Zeitmanagement aufzubauen, zu fördern und zu nutzen. Ziel ist es, vorhandene Potenziale auszuweiten, zu variieren, der jeweiligen Aufgabe anzupassen und mehr noch: die Kompetenz zu fördern, in veränderten Bedingungen selbstbewusst, der Sache und den Menschen dienend und in Treue zum eigenen Ethos handlungsfähig zu bleiben.
Personalentwicklung bedeutet immer auch eine antizipierende Auseinandersetzung mit der Größe „Veränderung“ und verhindert, unter ständigen Reaktionsdruck zu geraten und mit der Überlebensberechtigung einer Organisation konfrontiert zu werden. Antizipierende Personalentwicklung in der Kirche bedeutet die im kirchlichen Dienst Tätigen zu befähigen, ihre menschlichen, beruflichen und geistigen Fähigkeiten so weiterzuentwickeln, dass sie den Auftrag der Kirche in der Begegnung mit der sich wandelnden Situation wahrzunehmen und auch in Zukunft zu gestalten in der Lage sind.
3.5 Personalentwicklung – ein überschätztes Instrument mit geringer Hebelwirkung? Ein Aufruf zur Bescheidenheit
Menschen sind durch Verhaltens- und Wertedispositionen geprägt und lassen sich durch einzelne Fortbildungsmaßnahmen nicht in ihrer biographischen Verfasstheit ändern. Organisationen steuern das Arbeitsverhalten ihres Personals über Strukturen und Kommunikationsabläufe.
Der Soziologe Stefan Kühl warnt davor, die Hebelwirkung von Personalentwicklungsinstrumenten bei der Veränderung von Organisationen überzubewerten. Er hinterfragt gerade die inhaltliche Verknüpfung von Personal- und Organisationsentwicklung als „Heilmittel“ jeder Veränderungsgestaltung und konstatiert, dass es in der Praxis weniger um eine Balance beider Prozesse, als vielmehr um Entscheidungen zwischen dem einen oder anderen Ansatz geht. Als zusätzliche Relativierung konstatiert Kühl, dem Organisationskonzept von Luhmann folgend und allen Behauptungen von „Personal als Software“ widersprechend: „Die Strukturen der Organisation sind die Software. Sie sind bei allen Verhärtungen durch einfache Entscheidungen ‚umzuprogrammieren‘. Die Personen sind dagegen Hardware, weil sie sich diesen einfachen Programmierungsprozessen entziehen.“114 Und selbst wenn der Einzelne bereit wäre sich zu ändern, sieht er sich durch die sozialen Erwartungen festgelegt, mit denen er sich tagtäglich konfrontiert findet. Veränderte Anforderungen treffen immer noch auf dieselbe Person, die für viele Kontakte ihre Identität wahren muss.
Bei der Planung und Steuerung von Veränderungen in Organisationen ist es wichtig zu beachten, dass es sich bei den von Veränderungsmaßnahmen betroffenen bzw. daran beteiligten Mitarbeitern um erwachsene Menschen handelt, die bereits mit relativ überdauernden Ausprägungen unterschiedlicher Verhaltens- und Wertdispositionen (also Motiven) ausgestattet sind. Die Beeinflussbarkeit der Ausprägung von Motiven ist deutlich geringer anzusiedeln als die Gestaltung von situativen Bedingungen und deren Wahrnehmung durch die Organisationsmitglieder.
Aus der Perspektive der Organisationssoziologie ertönt der Ruf nach Bescheidenheit: Personalentwicklung ist kein Allheilmittel zur Umgestaltung von Organisationen. Organisationspraktiken stehen in der Gefahr, dass sie Programme, Technologien und Dienstwege als Hardware betrachten, während alles, was „den Menschen betrifft“, unter die Software gerechnet wird. Angemessener aber wäre