Seelsorge: die Kunst der Künste. Группа авторов

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Seelsorge: die Kunst der Künste - Группа авторов Studien zur Theologie und Praxis der Seelsorge

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eine Brücke zu diesem Beruf. S. Borck schlägt einen Studiengang vor „… ohne drei alte Sprachen, aber bewusst im Studium auf Auslegung, Hermeneutik und Deutung setzend (…) mit umfangreichem Seelsorge-Lernen, mit kommunikativer und humanwissenschaftlicher, mit ethischer und mit gottesdienstlicher und Ritualkompetenz“ (Borck 2017). Denkbar wäre, dass die theologischen Nachweise aus den Fakultätsbereichen der evangelischen, der katholischen Theologie oder auch anderer Religionen erbracht werden. Unverzichtbar für die spätere Praxis bleibt jedoch die Einbindung in und die Beauftragung durch eine Religionsgemeinschaft. Eine mehrjährige berufspraktische Ausbildung (vergleichbar einem Vikariat), die sich an das mehr wissenschaftlich geprägte Studium anschließt, fände ihren Ort in Feldern des geistlichen Lebens der jeweiligen Kirche oder Religionsgemeinschaft und diente auch der persönlichen Entfaltung der geistlichspirituellen Beheimatung. Am Ende käme für nicht ordinierte Seelsorger*innen eine Art ‚Missio‘ in Frage, vergleichbar der Regelung für die Religionslehrer*innen im Deutschen Schulsystem. Kircheneigene Schulämter nehmen hier die Fachaufsicht wahr, bei kirchlich bestellten Lehrer*innen ebenso die Dienstaufsicht. So fiele die Krankenhausseelsorge nicht unter die Qualitätssicherung und den Abrechnungsmodus des Gesundheitssystems und verlöre nicht ihr unabhängiges Profil.

      Die Akademisierung der Krankenhausseelsorge durch einen eigenen Lehrstuhl würde auch den Anforderungen gerecht, die vermehrt aus dem Gesundheitssystem an die Seelsorge gerichtet werden: die akademische Aus- und Weiterbildung der medizinischen und pflegerischen Berufe in Kompetenzen wie Spiritual Care, Kultursensibilität, Medizinethik und Berufsethik. Seelsorge und Gesundheitsberufe könnten sich in Studium, Aus- und Weiterbildung wechselseitig um die professionelle Perspektive des je anderen ergänzen.

      Ein akademischer Studiengang ‚Seelsorge im Gesundheitswesen‘ ermöglicht es auch, sich zwei weiteren Herausforderungen zu stellen, die seit den 10 Jahren meiner Dissertation erst jetzt mehr ins Zentrum gerückt sind: der wachsenden Bedeutung von Spiritual Care im Gesundheitswesen und der vermehrten Berücksichtigung von Interkulturalität und Interreligiosität im Behandlungskontext.

       Verhältnisbestimmung Krankenhausseelsorge und Spiritual Care

      Nicht durch Initiative der Kirchen sondern des Gesundheitssystems selbst hat Spiritual Care zugunsten einer ganzheitlichen Betreuung des Menschen in Praxis und Forschung an Bedeutung gewonnen. Vorreiterin ist die Palliativmedizin, welche laut WHO-Definition die Berücksichtigung spiritueller Bedürfnisse und spirituellen Schmerzes (Total-Pain-Konzept von Cicely Saunders) als Grundbestandteil der Behandlung betrachtet. Spiritual Care beruht hier auf einem weiten Spiritualitätsbegriff, der für Patient*innen aller Religionen und Weltanschauungen kompatibel ist. Die derzeit am weitesten rezipierte Definition für ‚Spiritualität‘ formulierte 2010 die Europäische Gesellschaft für Palliativmedizin: „Spiritualität ist die dynamische Dimension menschlichen Lebens, die sich darauf bezieht, wie Personen (individuell und in Gemeinschaft) Sinn, Bedeutung und Transzendenz erfahren, ausdrücken und/oder suchen, und wie sie in Verbindung stehen mit dem Moment, dem eigenen Selbst, mit Anderen/m, mit der Natur, mit dem Wesentlichen (significant) und/oder dem Heiligen“ (www.eapcnet.eu Übersetzung T. Roser).

      Gegenwärtig entspannt sich eine Diskussion um das Verhältnis zwischen Krankenhausseelsorge und Spiritual Care. Wie definiert und positioniert sich christliche Krankenhausseelsorge gegenüber einem solchen von der Medizin favorisierten Verständnis von Spiritualität? Kritische Stimmen wenden sich gegen die Vagheit des Spiritualitätsbegriffs. Sie sei „der Preis der Entkonkretisierung und Entsinnlichung der Religion“ (Karle 2010, 554). Des Weiteren befürchtet I. Karle eine Tendenz der Seelsorge, sich therapeutischem Zweckdenken und ‚spirituellen Copings‘ anzugleichen und somit ihre Rolle zu verwässern. Therapeutisches Denken sei allzu einseitig auf Akzeptanz von Krankheit und Tod ausgerichtet und gebe kaum Raum für Widerstand und Klage und die Würde, die auch in der Untröstlichkeit liege. Sicherlich sind diese Einwände berechtigt und können nicht oft genug für die Schärfung des seelsorglichen Selbstverständnisses vorgebracht werden. Auch die von D. Nauer aufgeführten ‚Inkompatibilitäten‘ (z. B. das Neutralitäts-Postulat als Anspruch an eine christlich motivierte und inspirierte Seelsorge) gilt es ernst zu nehmen (Nauer 2015, 144 ff).

      Jedoch liegt dieser Debatte häufig ein Missverständnis zu Grunde: Krankenhausseelsorge kann ja nicht gleich gesetzt werden mit der Spiritual Care eines Behandlungsteams bzw. einer Klinik. „Spiritual Care ist kein Synonym für Krankenhausseelsorge“, so E. Frick, „und auch nicht an die Seelsorge delegierbar“ (Frick 2012, 68). T. Roser sieht keine, wenn auch oft befürchtete, Konkurrenz zwischen Seelsorge und Spiritual Care (Roser 2015, 233). Für ihn ist Spiritual Care ein übergreifender Organisationsbegriff. Spiritual Care sei eine Anforderung an alle Professionen im Krankenhaus, zu der die Krankenhausseelsorge auf Basis kirchlicher Trägerschaft und organisationaler Unabhängigkeit einen spezifischen Beitrag leiste, gemäß ihrer Rolle und ihres Selbstverständnisses. Spiritualität ist kein Begriff mehr, auf den die Kirche ein Patentrecht hat. „[D]er Begriff Spiritualität ist aus dem Bereich von Kirche und Religion in die säkulare Welt hinübergewandert“ (Weiher 2009, 218). Trotzdem bleibt es Aufgabe der kirchlichen Krankenhausseelsorge, eine theologisch verantwortbare Begleitung und Unterstützung auch für ‚Nicht- oder Andersgläubige‘ innerhalb ihrer je eigenen Spiritualität zu gewährleisten. E. Weiher hebt diese Aufgabe hervor als kirchlichen Grundvollzug in Form einer ‚Spirituellen Diakonie‘ (Weiher 2009, 219). So gesehen sollte Krankenhausseelsorge nicht Abgrenzung sondern Sprachfähigkeit zeigen gegenüber Nicht-Kirchenmitgliedern bei der Frage, was eine in Krisen tragfähige Spiritualität sein kann. Konkurrenz ist allenfalls zu befürchten, wenn die Kirchen kein eigenes, gut qualifiziertes Personal mehr dafür zur Verfügung stellen.

      Die Debatte um Spiritual Care spiegelt letztlich die Auseinandersetzung wider, die auch meiner Dissertation zugrunde lag: geht die Krankenhausseelsorge ganz auf im pflegerisch-medizinischen Denksystem zugunsten einer ‚Behandelnden Seelsorge‘ (Haart 2007, 239 ff) oder etwa im betriebswirtschaftlichen Management (Haart 2007, 255 ff), oder bleibt sie ihrem Auftrag durch das Evangelium treu? Krankenhausseelsorge bleibt eine Gratwanderung im Gesundheitswesen, und umso wichtiger bleibt das stete Ringen um die eigene, theologisch reflektierte Position. Bisher erfährt die Selbstreflexion allerdings durch schwache kirchliche Strukturen nur geringe Unterstützung. Ein Lehrstuhl ‚Seelsorge im Gesundheitswesen‘ böte hier andere Möglichkeiten der Forschung und Lehre. S. Peng-Keller, Theologe und Professor für Spiritual Care in Zürich, will aus der Perspektive interprofessioneller Forschung den Begriff Spiritual Care weniger auf eine bestimmte Konzeption angewandt sehen sondern als ‚Gattungsbegriff‘ behandeln und als Überbegriff für sehr unterschiedliche Modelle und Ansätze. Für die Praxis der Krankenhausseelsorge merkt er an: „Zu den Fragen, die innerhalb des interdisziplinären Spiritual Care-Diskurses geklärt werden müssen, gehört auch jene nach dem spezifischen Beitrag und Profil einer durch religiöse Gemeinschaften beauftragten Krankenhausseelsorge. Wenn es eine Pluralität von Spiritual Care-Modellen gibt und ‚Spiritual Care‘ nicht mit einem einzigen Modell identifiziert werden darf, stellt sich für die Praktische Theologie die Aufgabe differenzierter Verhältnisbestimmung zu spezifischen Modellen und Ansätzen“ (Peng-Keller, 180).

      Spiritual Care als Forschungsgebiet liegt heute überwiegend in der Hand anderer Professionen wie Medizin, Soziologie, Psychologie und Pflegewissenschaften mit eigener Methodik. „Auffällig ist, dass dabei in der Regel nicht auf Forschungsmethoden der Religionswissenschaften oder Theologie zurückgegriffen wird, sondern ganz eigene, zumeist empirisch validierbare Verfahren sozial- und naturwissenschaftlicher Art entwickelt werden“ (Leget 2015, 227). Hier wären eigene theologische wissenschaftliche Studien notwendig. Im anglo-amerikanischen Spiritual-Care-Diskurs ist etwa die rein medizinische Sichtweise nicht unumstritten. Soziologische und theologische Beiträge kritisieren eine Engführung des klinisch-therapeutischen Spiritual-Care-Modells mit seiner individualisierten Sicht. Ausgeblendet blieben hier die gemeinschaftlichen und gesellschaftlichen Kontexte und Ansätze, die für mehr Gerechtigkeit und Solidarität im Gesundheitswesen stehen (Peng-Keller, 180).

      

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