Die Katholische Grundschule NRW Öffentliche Grundschule im konfessionellen Gewand. Petra Lillmeier

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Die Katholische Grundschule NRW Öffentliche Grundschule im konfessionellen Gewand - Petra Lillmeier Studien zur Theologie und Praxis der Seelsorge

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aufklärt, geht es im zweiten Teil um eine argumentative Legitimation. In diesem Abschnitt seiner Abhandlung nimmt Kardinal Frings Bezug auf „Divini illius magistri“, fasst wesentliche Aspekte daraus zusammen und rekurriert dann auf das in der Schöpfungsordnung verbürgte elterliche Recht auf Erziehung: Dieses Recht auf Erziehung, welches physische, staatsbürgerliche und religiös-sittliche Aspekte umfasse, verfolge das Ziel einer „Erziehung für Gott“ und das „ewige Leben“140. Aus dieser Grundannahme entwickelt Frings nun seine Argumentation: Zunächst skizziert er das Wesen einer Simultanschule, welches aus katholischer erzieherischer Sichtweise abzulehnen sei, um dann positiv das Bild einer Katholischen Bekenntnisschule zu zeichnen. Diese Gegenüberstellung fällt weitgehend agitatorisch aus: „Wer will denn eigentlich die Simultanschule? Zunächst die Gegner des Christentums und der Kirche.“141

      Das Ziel dieses Hirtenbriefs liegt zweifellos in der Mobilisierung weiter Teile der katholischen Bevölkerung begründet. So nimmt die Beschreibung der Simultanschule stellenweise den Charakter eines Schreckensszenariums an. Lässt man aber einmal die Art der Argumentationsführung, Ton und Duktus außer Acht, so lassen sich einige historische Wesensmerkmale Katholischer Bekenntnisgrundschulen ausmachen, denen in Teil II142 dieser Untersuchung wiederum begegnet wird:

      •Derselbe Glaube verbindet Eltern, Lehrer, Kinder als Schulgemeinschaft.

      •Katholische Lehrerinnen und Lehrer stehen fest und spirituell verwurzelt in ihrem Glauben und sind Vorbilder in Wort und Tat auch über den Unterricht hinaus.

      •Kinder haben ein Recht auf eine religiöse Erziehung, auch unabhängig von der religiösen Auffassung ihrer Eltern.

      •Ziel der katholischen Schule ist die Treue zum Glauben in der katholischen Kirche durch Unterweisung in die katholische Glaubenslehre, die Vorbereitung auf die Sakramente und den Besuch der Eucharistiefeier.

      •Einübung in die Praxis einer katholischen Lebensführung.

      •Vernetzung des Religionsunterrichts mit anderen Fächern auf der Grundlage des Bekenntnisses.

       2.3.3Der nordrhein-westfälische Episkopat zur Landesverfassung 143

      In ihrem Schreiben „Grundsätzliche Darlegungen und Forderungen der Erzbischöfe von Köln und Paderborn, des Bischofs von Aachen und des Kapitularvikars von Münster zur Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen“ vom 7. Oktober 1947 wenden sich die (Erz-)Bischöfe an die verfassungsgebenden Organe. Es werden folgende Forderungen erhoben,144 die hier im Hinblick auf die erkenntnisleitende Fragestellung zusammenfassend wiedergeben werden:

      •Gottesbezug: Die Grundlage der Gesetzgebung ist ein auf Gott als dem „Urheber der Staatsgewalt“ und dem „Lenker der Staatsgeschicke“ fußendes Staatsverständnis.

      •Die Erziehung ist vorrangiges und natürliches Recht der Eltern.

      •Die Katholische Bekenntnisschule ist die Schule für katholische Kinder; auf eine Vorrangstellung der Simultanschule ist zu verzichten.

      •Erziehung ereignet sich im Geiste des katholischen Glaubens und auf der Grundlage der katholischen Glaubenslehre und der katholischen Erziehungswerte.

      •In Katholischen Bekenntnisschulen arbeiten nur solche Lehrer, die geeignet und bereit dazu sind, ihre Arbeit an der katholischen Lehre auszurichten.

      •In Katholischen Schulen145 wird „deutsches Volkstum gepflegt“, zu „sozialer Gesinnung und zur Achtsamkeit vor den Überzeugungen anderer“ und „zum Frieden unter den Völkern“ erzogen.

      In den Forderungen der Bischöfe zur Ausgestaltung der Landesverfassung fehlt eine konkrete substanzielle Ausformulierung dessen, was genau unter einer Erziehung im Geiste des katholischen Glaubens zu verstehen ist, was also Inhalte und Ziele einer solchen Erziehung sein sollen. Auch fehlt eine inhaltlich kohärente Begründung der Forderungen. Denn tatsächlich bewegen sich die erhobenen Postulate lediglich auf der Ebene (natur)rechtlicher Begründung: zum einen überpositiv mit Verweis auf das „natürliche Recht der Eltern“ und das Recht der Kirche auf Beteiligung an der Erziehung und Bildung der Kinder im Staat, so dass es keines weiteren positiven Rechtsgrundsatzes bedarf, zum anderen, indem positiv auf das Preußische Volksschulunterhaltungsgesetz und Eiga Nr. 1 verwiesen wird.

       2.4Die Grundschule in NRW als eigenständige Schulform 146

      Im Jahr 1964 wurde auf der Grundlage des sogenannten Hamburger Abkommens147 in der gesamten Bundesrepublik Deutschland die Volksschule in eine eigenständige Grund- und Hauptschule unterteilt. Damit wurde auch die nordrhein-westfälische Grundschule innerhalb der Primarstufe des Bildungswesens zur eigenständigen Schulform im Bildungssystem des Landes. Die Verfassungsänderung erfolgte mit Wirkung vom 01.03.1968 und fand mit Beginn des Schuljahres 1968/69 ihre Realisierung: Die Grundschule war fortan nicht nur die für alle Kinder verbindliche Eingangsstufe in das schulische Bildungssystem, sie war nun eine eigenständige Schulform; der als „Oberstufe der Volksschule“ bezeichnete Bildungsabschnitt wurde zur Hauptschule148 und damit zur „weiterführenden Schule“.

      Im Rahmen dieses schulstrukturellen Umwandlungsprozesses innerhalb des bundesdeutschen Schulsystems kam es in der Frage der Konfessionalität der beiden neuen Schulformen erneut zu Auseinandersetzungen zwischen der Katholischen Kirche und dem Staat. Die Katholische Kirche wandte sich in Petitionen teils vehement, teils moderat gegen die Bestrebungen der jeweiligen Landesregierung. Auch gesellschaftspolitisch wurde das Thema in mancher Hinsicht außerordentlich polemisch diskutiert.149 Im Zuge dieser Schulstrukturreform entschieden die meisten Bundesländer, die Grundschule insgesamt in eine „christliche Gemeinschaftsschule“ zu überführen. Nicht so in Nordrhein-Westfalen: Unabhängig von der Fragestellung, ob das Reichskonkordat, das eine konfessionelle Ausrichtung der Volksschule (theoretisch) ermöglichte, auch nach 1945 landesverfassungsrechtlich bindend sei, entschied die SPD/FDP-geführte nordrhein-westfälische Landesregierung schließlich, die Bestimmung der Schulart an das Bestimmungsrecht der Eltern zu binden.

      Betrachtet man die (historische) Auseinandersetzung um die Bekenntnisschulfrage zwischen der Landesregierung und der Katholischen Kirche, die bei der Neugestaltung des Schulwesens 1967 neu entbrannte, nun genauer, so zeigt sich, dass diese wohl in erster Linie eine Auseinandersetzung um die künftige Hauptschule war.

      Die kirchlich heftig umstrittene „Kalkumer Empfehlung von 1967“ der Regierungskoalition, die für eine konfessionsgeprägte Hauptschule die Privatschullösung vorsah, formulierte für die Grundschule, dass diese entsprechend der Wahl der Eltern Bekenntnis-, Gemeinschafts- oder Weltanschauungsschule sein könnte.150 Dies wird auch in einer Nachbemerkung Böckenfördes im o. g. Rechtsgutachten deutlich, in der er auf die weltanschaulich nicht homogene Gesellschaft abhebt und feststellt: „Gleichwohl ist die Neuordnung des (Haupt-)Schulwesens im Sinne der Kalkumer Empfehlungen vor allem an der Ablehnung durch die katholischen Bischöfe gescheitert.“151 Es zeigt sich an dieser Stelle, dass Böckenförde einen Bezug zur Grundschule, um deren Schulartbestimmung es ja in gleicher Weise ging, erst gar nicht herstellte.

      Die Auseinandersetzungen in den 1960er Jahren über die strukturellen Veränderungen in der Schullandschaft, die sich aus der Neuordnung des Schulwesens ergaben, gingen einher mit einem weitreichenden bildungspolitischen Diskurs über die inhaltliche und pädagogische Ausgestaltung der Grundschule. Die Kritik war weitreichend. Sie berührte

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