Die Katholische Grundschule NRW Öffentliche Grundschule im konfessionellen Gewand. Petra Lillmeier
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Auf welchem kulturhistorischen und soziologischen Selbstverständnis und Hintergrund sind diese im Folgenden exemplarisch näher zu untersuchenden Texte zu lesen?
Michael Klöcker80 legt dar, dass die Vorstellung und Idee einer Katholischen Schule als ein „geschlossenes Bildungsgehäuse“ prägend war für weite Teile des deutschen Katholizismus und insbesondere des Episkopats. Diese Vorstellung entsprang, soziologisch betrachtet, der Idee einer katholischen Gesellschaft innerhalb einer nichtkatholischen Umwelt; eines „katholischen Milieus“ also, dessen Besonderheit in der Geschlossenheit und Abgeschlossenheit lag, innerhalb einer „Außenwelt“, die als Bedrohung wahrgenommen wurde.81 Niederschlag und Sicherung fand dieses „katholische Milieu“ in einem katholischen Werte- und Normensystem, welches sich zwar nicht in einem einheitlichen Sozialmilieu realisierte, wohl aber im Rahmen einer gemeinsamen, verbindenden norm- und wertegebundenen, spezifischen Fest- und Feiertagskultur (in schichtspezifisch unterschiedlich konkreter Ausgestaltung und Ausprägung)82 – flankiert von einem zunehmenden binnenkirchlichen Bestreben um Vereinheitlichung.83 Für das „geschlossene Bildungsgehäuse“ der Katholischen Bekenntnisschule können im Rahmen des „katholischen Milieus“ folgende konkrete, typische Merkmale einer katholischen Erziehung und Bildung84 benannt werden:
•die Einteilung der Welt in „Gut und Böse“,
•das Auswendiglernen nach dem Prinzip „klare Frage – klare Antwort“ (Katechismuswissen),
•eine Lohn-Strafe-Pädagogik (Hölle = Pein und Himmel = Seligkeit),
•das Einüben in Gehorsam, Disziplin und Genügsamkeit,
•klare Hierarchisierung: „Gottvater – Heiliger Vater – Landesvater – Beichtvater – Familienvater“85,
•die Frau als mütterlich fürsorgendes, vielgebärendes Herz der Familie,
•Heilige („himmlische Helfer“) als Vorbilder normgerechten Verhaltens,
•Jesus als der „gehorsame Musterknabe“.
Klöcker skizziert damit Merkmale katholischer Bildung und Erziehung, die sich vorrangig in den ländlichen Gebieten, aber auch in den Großstädten vor dem Hintergrund zunehmender, Unsicherheit hervorrufender ökonomischer Veränderungen in der Gesellschaft als attraktiv erweisen sollten: Sicherheit und Klarheit in den Aussagen, Ausrichtung auf das Jenseits und Geborgenheit im Milieu erwiesen sich für einige Bevölkerungsteile als ausgesprochen anziehend.
Es ist dieser Hintergrund katholischer Milieubeschreibung, vor dem es nun reizvoll erscheint, nach einem möglichen historischen Proprium Katholischer Bekenntnisgrundschulen zu fragen.
Drei Schreiben werden nachfolgend daraufhin – in chronologischer Reihung – exemplarisch befragt und untersucht:
•die Denkschrift der katholischen Bischöfe von 1920,
•die Hirtenworte der deutschen Bischöfe zur Schulfrage aus den Jahren 1919 und 1920 sowie
•die Enzyklika von Papst Pius XI.: Divini illius magistri – Über die christliche Erziehung.
Verzichtet werden kann an dieser Stelle auf eine Untersuchung der Stellungnahmen katholischer Verbände und Initiativen, wie sie zum Beispiel seitens der „Katholischen Schulorganisation“ vorliegen, die 1911 vom preußischen Zentrumsabgeordneten Marx gegründet wurde und deren Ziel es u. a. war, das Elternrecht auf katholische Erziehung zu stärken. Da diese Organisationen zwar über großen, auch politischen Einfluss86 verfügten, ihre Schriften allerdings keine Verbindlichkeit erreichten, kann an dieser Stelle auf eine eingehende Aufarbeitung verzichtet werden.
2.2.1Denkschrift der katholischen Bischöfe von 1920 87
Im November 1920 wandten sich die katholischen Bischöfe mit Bezug auf das diskutierte und geforderte Reichsschulgesetz in einem als „Denkschrift“ bezeichneten Schreiben über den Reichskanzler an die Reichsregierung und den Reichstag. Die „Denkschrift“ hebt auf eine naturrechtlich legitimierte, moralische Verpflichtung katholischer Eltern zur religiösen Erziehung ihrer Kinder als „heilige Pflicht“ ab. Unveräußerliche Pflicht der Kirche (im Sinne einer ihr eigens übertragenen göttlichen Pflicht) sei es, zum einen die Eltern in dieser ihrer Pflicht anzuleiten und zum anderen auch selbst Kinder durch Bildungs- und Erziehungsmaßnahmen „zu guten Christen“ heranzubilden. Dem Staat, so stellen die Bischöfe unmissverständlich fest, sei es nicht erlaubt, Eltern und Kirche in der Ausübung dieser Pflichten und Rechte zu behindern.
Das Schreiben endet mit zwölf Forderungen, die an dieser Stelle zunächst zusammengefasst werden, um die gesamte Schrift nachfolgend auf ihre Substanz hin zu untersuchen.
•Die Katholische Volksschule als gleichberechtigte Schule gegenüber der „Simultanschule“ ist für katholische Schüler auch dann einzurichten, wenn aufgrund regionaler Bevölkerungszusammensetzung Katholiken die Minderheit darstellen. In diesem Fall ist ein geordneter Schulbetrieb auch dann als solcher anzuerkennen, wenn dadurch einklassige Konfessionsschulen entstehen. Bestehende Konfessionsschulen sind in ihrem Bestand zu sichern.
•Der Katholische Religionsunterricht ist an „Minderheitenschulen“ dann einzurichten, wenn mindestens zehn katholische Kinder diese Schule besuchen.
•An Katholischen Konfessionsschulen verantworten gläubige, katholische Lehrer den Unterricht. Zu deren Ausbildung erhält die Kirche das Recht einer konfessionellen Lehrerausbildung unter „wohlwollender“ finanzieller Unterstützung der öffentlichen Hand, damit eine ausreichende Anzahl an konfessionell ausgebildeten Lehrern zur Verfügung steht. Die Entscheidung über die Eignung zur Erteilung des Religionsunterrichts und die Überwachung der „Erziehung im katholischen Geiste“ obliegen der Kirche bzw. zumindest im Sinne einer Mitwirkung. Eltern und Kirche verfügen über ein „Beschwerderecht“.
•Die Schulbücher sind auf ihre „Konfessionsverträglichkeit“ hin zu überprüfen.
•Es sind Zeiten und Räume einzurichten, die die Ausübung religiöser Praxis erlauben.
Die „Denkschrift“ umschreibt aus der Sicht der Katholischen Kirche das Idealbild einer kirchlichen Schule, einer Schule, die durchzogen ist von kirchlicher Lehre und Praxis, die sich in starken religiösen Überzeugungen, Grundsätzen und Übungen ausdrückt. Es entsteht das Leitbild einer „Glaubensschule“, deren Ziel eine kindliche Charakterbildung durch die Vermittlung der kirchlichen „Gnadengaben“ ist. Der Religionsunterricht bildet in diesem Kontext die Mitte allen unterrichtlichen Geschehens; er durchzieht die gesamte unterrichtliche Gestaltung. Zugespitzt könnte man formulieren: Jeder Unterricht ist immer auch Religionsunterricht, denn Unterricht verfolgt das Ziel eines „Einübens in den Glauben“.
Aus dieser Zielsetzung ergibt sich zwangsläufig die Notwendigkeit einer kirchlich verantworteten und gestalteten Lehrerbildung.88 Der Lehrer ist gegenüber dem Kind Zeuge und Sämann des Glaubens, indem er über Gott, die Lehre der Kirche und die religiösen und sittlich-moralischen Pflichten spricht. „Dadurch kommt erquickende Wärme in das Erziehungswerk hinein,