Die Katholische Grundschule NRW Öffentliche Grundschule im konfessionellen Gewand. Petra Lillmeier

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Die Katholische Grundschule NRW Öffentliche Grundschule im konfessionellen Gewand - Petra Lillmeier Studien zur Theologie und Praxis der Seelsorge

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eingegangen werden, die weite Teile des katholischen Deutschlands vertrat, weil sich dabei Hinweise auf eine an der Substanz einer Bekenntnisschule orientierten Argumentation ausmachen lassen.65 So findet sich etwa ein Hinweis auf Möglichkeiten einer inhaltlichen Ausgestaltung und Abgrenzung zwischen Gemeinschaftsschule einerseits und Katholischer Bekenntnisschule andererseits in dem 1924 diskutierten eigenen Reichsschulgesetzentwurf der Zentrumspartei. Nachfolgendes Zitat verdeutlicht eine angedachte, inhaltlich substanziell begründete Definition und Beschreibung der Ausrichtung einer Volksschule als Bekenntnisschule: „Die Gemeinschaftsschule (allgemeine Volksschule) erteilt den Unterricht auf religiös sittlicher Grundlage ohne Berücksichtigung der Besonderheiten einzelner Bekenntnisse. […] Die Bekenntnisschulen sind entweder evangelische oder katholische oder jüdische Volksschulen und als solche zu bezeichnen. […] Die dem Bekenntnis eigenen religiösen Übungen und Gebräuche, soweit sie für die Schule herkömmlich sind, werden gepflegt, ohne daß dadurch der Unterrichtsbetrieb im ganzen beeinträchtigt werden darf.“66 Hier wird also im gesetzlichen Rahmen eine kurze Umschreibung dessen versucht, was zuvor als „Unterricht und Erziehung im Geiste des Bekenntnisses“ bezeichnet wurde. Die Pflege eines konfessionell geprägten Brauchtums und die für das Bekenntnis konstitutiven religiösen Übungen sind Ausdruck einer konfessionsgebundenen Schule.

      Auch zur Fragestellung der Teilnahme von Kindern anderer Bekenntnisse, die „ausnahmsweise oder vorübergehend“ die Bekenntnisschule besuchen, macht die Vorlage einen Vorschlag: Sie sollen nicht zur Teilnahme an den religiösen Übungen verpflichtet werden. Die Bekenntnisschule verliere dadurch aber nicht ihre Eigenart.67 Eine personelle Verzahnung zwischen der Schule und der „Bekenntnisgemeinschaft“ soll dadurch unterstrichen werden, dass der zuständige Vertreter im Schulvorstand68 mit Sitz und Stimme vertreten ist.69

      Teile dieser inhaltlichen Programmatik einer Bekenntnisschule finden sich später im Entwurf eines Reichsschulgesetzes des Reichsinnenministers Walter von Keudell (1884-1973) wieder.70 Die Bekenntnisschule, so formuliert er, „erfüllt die Unterrichts- und Erziehungsaufgaben der deutschen Volksschule gemäß dem Glauben, in dem die Kinder erzogen werden“71. Aufschlussreich sind für uns folgende sog. „Keudell’schen“ Merkmale einer Bekenntnisschule, die sich teilweise auch in den oben skizzierten Vorschlägen der Zentrumspartei wiederfinden:

      •Aufnahme in eine Bekenntnisschule finden die Kinder des entsprechenden und verwandten Bekenntnisses. Durch eine Aufnahme von Kindern anderer Bekenntnisse verliert die Schule nicht ihren Bekenntnischarakter. Damit wird einer stärker werdenden konfessionellen Mischung der Bevölkerung Rechnung getragen. Konfessionsschulen sind nicht zwangsläufig konfessionshomogen.

      •Lehrkräfte gehören dem entsprechenden Bekenntnis der Kinder an; zur Erteilung des Religionsunterrichts eines anderen Bekenntnisses sind Lehrer dieses Bekenntnisses anzustellen.

      •Die Lehrpläne, Lehr- und Lernbücher sind dem Bekenntnis anzupassen.

      •Die dem Bekenntnis eigenen religiösen Übungen und Gebräuche sind zu pflegen.

      •Die dem Bekenntnis eigenen Feier- und Gedenktage sind zu berücksichtigen.72

      Zusammenfassend lässt sich aus diesen Vorlagen mit von Keudell folgende substanzielle Umschreibung vornehmen: Eine Bekenntnisschule ist eine Schule, die sich der Einübung in die dem Bekenntnis eigene Fest- und Feierkultur verschreibt und die in ihrer inneren Gestaltung Orientierung nimmt an den Festen und Feiern des Kirchenjahres und der Pflege religiöser Übungen und Bräuche.

      Schon bald entbrannte innerhalb des Gesetzgebungsverfahrens allerdings ein Streit zwischen dem Zentrum und dem Entwurf von Keudells: Sind die drei Schularten als gleichberechtigt nebeneinander zu bewerten, oder gilt die Gemeinschaftsschule im Sinne einer Simultanschule als „Regelschule“, so dass die Bekenntnisschule als Ausnahme von der Regel anzusehen ist? Das Zentrum beharrte auf einem gleichberechtigten Nebeneinander und damit faktisch auf einem Fortbestand der geltenden Zustände. Die Zahlen gaben ihm Recht: Von den 1 647 462 katholischen Schülerinnen und Schülern Preußens besuchten im Schuljahr 1926-1927 insgesamt 1 522 477 Kinder katholische Volksschulen.73 Dennoch ist festzuhalten, dass die Festschreibung einer inhaltlichen Programmatik und „Kurzdefinition“ dessen, was unter Erziehung und Unterricht im Geiste eines Bekenntnisses aus Sicht der Zentrumspartei einerseits und im Rahmen des „Keudell’schen Entwurfs eines Reichsschulgesetzes“ andererseits zu verstehen sei, dass also eine gesetzliche Umschreibung dessen, was genau unter einer Bekenntnisschule zu verstehen sei, durchaus im Bereich des Möglichen lag – letztlich aber an der Frage scheiterte, welche Schulart die Regel und welche die Ausnahme darstellt.

      Zusammenfassend kann nun folgendes Resümee gezogen werden: In der Zeit von Weimar wurde öffentlich vehement besonders um die Frage der Konfessionalität der Volksschule gestritten, deren „Grundschule“, wie aufgezeigt, die unterste für alle Kinder gemeinsame Grundstufe der Bildung war. Dieser Disput um die Bekenntnisschule prägte die Weimarer Republik, konnte aber nicht gelöst werden. Dies gilt nicht nur für die organisatorische Ausrichtung des Volksschulwesen sondern insbesondere auch für die inhaltliche Ausgestaltung. So stellt Grünthal fest: „[…] obgleich die Bekenntnisschule in den meisten Ländern als regelmäßige Schulform gesetzlich anerkannt war, gab es […] keine juristische Kennzeichnung der inneren Merkmale der Konfessionsschule.“74

      Die Auseinandersetzungen um eine auf ein Bekenntnis ausgerichtete Volksschule (und damit eine Grundschule) für alle Kinder sind politisch auf dem Hintergrund eines schmalen historischen Zeitfensters zu lesen und zu verstehen. Die in diesen Fragen parteipolitisch zerstrittene Regierung und der föderale Zuschnitt der Verantwortlichkeiten in Fragen des Bildungssystems zeigen eine in ihren Wurzeln ungeklärte pädagogische Ausrichtung der „Grundschule“ in einer Zeit großer pädagogischer Entwürfe75.

      Was unter einer konfessionellen Ausrichtung der Grundschule – als der untersten allgemeinen Grundstufe des Bildungswesens – zu verstehen ist, lässt historisch keine eindeutige Antwort zu. Die widerstreitenden Positionen machen deutlich, dass die „Konfessionsfrage“ wenig substanziell befeuert war und viel um die Frage kreiste, wem die Erziehung und Bildung denn nun eigentlich „gehörten“, wer also zu bestimmen habe, in welcher Weise und auf welcher Grundlage Kinder im öffentlichen Raum der Grundschule unterrichtet und erzogen werden. Der Blick „back to the roots“ zeigt also auf, dass die Grundschule als Bekenntnisschule ein „Zankapfel“ parteipolitischer und machtpolitischer Interessengruppen war; die entschiedene Ausrichtung am Kind und seinen Interessen blieb sie schuldig.

      Was die religiöse Gestaltung des Schullebens in ihrer konkreten Ausgestaltung betrifft, lässt sich mit Geißler zusammenfassen: „Zwar als Pflichtveranstaltungen hinfällig geworden, so bleiben die tägliche Morgenandacht, das Schulgebet, die Schulandacht zu Beginn und Ende der Woche, der sonntägliche Kirchenbesuch der Schüler […] doch sämtlich zulässig und üblich.“76

      Die meisten öffentlichen Volksschulen blieben Konfessionsschulen, nicht selten waren jedoch die Grenzen zur Gemeinschaftsschule in Bezug auf eine konfessionelle Homogenität fließend, wie Geißler feststellt,77 denn manchmal ließen die örtlichen Verhältnisse gar nichts anderes zu.

      Nachfolgend steht die Frage nach der Rolle der Katholischen Kirche in der Auseinandersetzung um eine konfessionelle Ausrichtung der Volksschule im Fokus. Dabei wird primär nach Motiven, Zielen und konkreten Ausprägungen des auf Konfessionalität ausgerichteten Schulstreits zu fragen sein.

       2.2Der Klerus zur Schulfrage der Weimarer Republik

      Die beschriebenen Schwierigkeiten um eine Schulgesetzgebung in Reich und Land und die langwierigen Verhandlungen in den politischen Auseinandersetzungen

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