Die Katholische Grundschule NRW Öffentliche Grundschule im konfessionellen Gewand. Petra Lillmeier
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2Historische Wurzeln
Mit Karl-Heinz Nave wird eine historische Eingrenzung vorgenommen, die aus der Definition des Begriffs „Grundschule“ ableitbar ist: Die Institution Grundschule ist eine „organisatorisch nicht in wesensverschiedene Institutionen gegliederte (undifferenzierte) Elementarschuleinrichtung eines Staates“37. Von einer Grundschule im Sinne einer für alle Kinder38 verbindlichen, gemeinsamen und verpflichtenden Einrichtung (als Teil der Volksschule) kann somit erst im Kontext der Weimarer Reichsverfassung von 1919 gesprochen werden. Bis zu diesem Zeitpunkt besuchten – wenn überhaupt – die Kinder der ärmeren sozialen Schichten die Volksschule, die unter der Aufsicht der Kirche stand. Kinder aus den wohlhabenderen Familien hingegen besuchten diese Schulen in der Regel nicht, sie durchliefen beispielsweise sogenannte Vorschulen, die das Ziel der Vorbereitung auf das Gymnasium verfolgten. Auch Privatunterricht war für Kinder privilegierter Kreise des Adels und des reichen Bürgertums nicht selten.
Die Grundschule von Weimar als Bekenntnisschule wurde trotz des 1933 zwischen dem Deutschen Reich und dem Vatikan geschlossenen Reichskonkordats, das den Erhalt und die Neuerrichtung von Konfessionsschulen rechtlich absicherte, in dieser Form aufgelöst und schließlich 1941 in eine achtjährige Volksschule überführt.39 Insofern lässt die Zeit des Nationalsozialismus keine deutliche Fokussierung auf den Aspekt einer „Grundschule als Bekenntnisschule“ zu und wird daher schulgeschichtlich in dieser Untersuchung unberücksichtigt bleiben.
Nach der Befreiung vom Nationalsozialismus und dessen Zusammenbruch stellte sich die Frage einer „Bekenntnishaftigkeit und Bekenntnisgebundenheit“ der Grundschule erneut. Die Besatzungsmächte, denen nach dem Krieg an der zügigen Wiedererrichtung der Schulen gelegen war, suchten in dieser Frage nach Lösungen, die man letztendlich in der „Zeit von Weimar“ fand.
1968 schließlich provozierten die Auflösung der Volksschule und die damit verbundene Gründung einer Grundschule innerhalb der Primarstufe und einer Hauptschule innerhalb der Sekundarstufe I des Bildungswesens – als jeweils eigenständige Schulformen – erneut die Frage nach der Bekenntnishaftigkeit einer staatlichen Regelschule.
So ergeben sich nun vier historische Abschnitte, in denen es die Grundschule als Bekenntnisschule zu untersuchen gilt:
•die Grundschule der Weimarer Republik (2.1 und 2.2),
•die Grundschule nach dem 2. Weltkrieg (2.3),
•die Grundschule in NRW von 1968 (2.4) sowie
•die Grundschule in NRW in den Folgejahren bis heute (2.4).
2.1Die Grundschule der Weimarer Verfassung
Der Blick und das Hauptaugenmerk gelten zunächst der „Gründungsphase“ der Grundschule innerhalb der Weimarer Republik und den damit einhergehenden Auseinandersetzungen um ihre Bestimmung und Ausrichtung, dem Für und Wider einer auf ein Bekenntnis ausgerichteten „grundschulischen“ Bildung und Erziehung.
Bis zum Ende des Deutschen Kaiserreiches 1918 waren die Schulen hinsichtlich ihrer Organisationsstruktur und ihrer inhaltlichen Programmatik an eine durch Klassen und Stände bestimmte Sozialordnung gebunden. Die meisten Kinder besuchten die einklassige Volksschule. Daneben gab es private oder öffentliche, häufig in eine weiterführende Schule integrierte Vorschulen oder auch Privatunterricht.40
Auf die Entwicklung dieser Volksschule wirkten sich nach den Erfahrungen der Revolution von 1848 vornehmlich die stark regulativen Maßnahmen des preußischen Königs Friedrich Wilhelm IV,41 prägend aus. Dabei kam namentlich der religiösen Erziehung eine besondere Bedeutung zu. Einen eindrucksstarken Einblick gewährt diesbezüglich Friedrich Paulsen in seiner „Kritik an einer Landschule um 1850“: „Hatte sich einer in ein, zwei Jahren, es konnten auch drei oder vier und mehr werden, durch die Tabellen[42] durchgearbeitet, dann kam er in den Katechismus, zuerst den kleinen, hierauf den großen, um endlich die Frucht der Lesekunst zu genießen, das Auswendiglernen.“43 Und 1908 schreibt er: „Wie sie war? Sie war in ihrem Ursprung Bekenntnisschule. […] Was sie ist? Ein Mittelding zwischen der alten Bekenntnisschule und der neuen Volkserziehungsanstalt. […] Immerhin so, dass das kirchliche Bekenntnis noch als der anerkannte Maßstab aller Wahrheit gilt, dass das alte Ziel: bekenntnisfeste Glieder der Kirche zu erziehen, an keinem Punkt aufgegeben ist.“44
Dieses Zitat verdeutlicht exemplarisch, dass die am Bekenntnis ausgerichtete „Volksschule“ längst schon vor „Weimar“ infrage gestellt wurde. Die Problematik einer an einem Bekenntnis orientierten Grundschule kann also durchaus als „pränatales“ Erbe betrachtet und interpretiert werden, als eine Art „Mitgift“, die sie in ihre eigentliche Gründungsphase bereits mit einbrachte.
Nach der Novemberrevolution von 1918 trat am 06.02.1919 in Weimar die im Januar 1919 gewählte Weimarer Nationalversammlung (kurz: W.N.) zusammen. Sie war in erster Linie mit der Aufgabe betraut, eine Reichsverfassung zu kreieren und zu erlassen sowie den von den Siegermächten vorgelegten Versailler Vertrag zu verhandeln. Parteipolitisch bildeten in der W.N. die SPD, das Zentrum und die linksliberale DVP die Mehrheitskoalition, Parteien also, die schulpolitisch und religiös unterschiedlich verortet und motiviert waren. Die Weimarer Verfassung wurde schließlich am 31.07.1919 verabschiedet. Am 21.05.1920 löste sich die W.N. auf und wurde nach den Reichstagswahlen im Juni 1920 vom Reichstag abgelöst. Die „Weimarer Koalition“ verlor bei diesen Wahlen bereits die Mehrheit, konnte sich in Preußen allerdings bis 1932 halten.45 In dieser kurzen Zeitspanne zwischen der W.N. und den Reichstagswahlen zum deutschen Reichstag liegt die Gründungsphase der Grundschule als Bekenntnisschule, denn in eben jener Periode ihrer Geschichte wurden die einschneidenden Entscheidungen für ihre weitere Entwicklung getroffen. Dabei traten unterschiedliche Vorstellungen und Vorschläge zur Ausgestaltung der Schullandschaft zutage. In den Ländern und im Reich überschlugen und entluden sich teils heftige und kontrovers geführte Diskussionen. So heißt es in einem programmatischen Aufruf der preußischen Regierung vom 13.11.1918: „Ausbau aller Bildungsinstitute, insbesondere der Volksschule, Schaffung der Einheitsschule, Befreiung der Schule von jeglicher Bevormundung, Trennung von Staat und Kirche.“46 Im Gefolge dieser Programmatik sind dann die Verfügungen der preußischen Minister Haenisch und Hoffmann zu lesen, wonach:
•die Schulaufsicht künftig nicht mehr bei den Kirchen liegt, sondern auf staatliche „Kreisschulinspektoren“ übertragen wird (Verordnung vom 27.11.1918),47
•die Verpflichtung der Lehrer zur Erteilung von Religionsunterricht entfällt48 und
•die Verpflichtung zum Schulgebet aufgehoben wird (Verordnung vom 29.11.1918).49
Diese Verordnungen führten im Raum der Katholischen Kirche zu einem Sturm der Entrüstung und zu apologisierender Widerrede. Im gemeinsamen Hirtenschreiben vom 20.12.1918 wandten sich die preußischen Bischöfe postwendend an die Gläubigen. Sie beklagten eine drohende Trennung von Staat und Kirche, befürchteten finanzielle Einbußen, Enteignung, Macht- und Einflussverluste. „Aus den Schulen schwindet jegliche Religion. Lehrer und Lehrerinnen werden für ihr hohes Amt vorbereitet ohne Religions- und ohne Glaubensbekenntnis.“50 Dabei richteten die Bischöfe ihren Appell besonders auch an die Vertreter der Vereine und Organisationen und riefen zum offenen Widerstand auf. Betrachtet, befragt und analysiert man nun die inhaltliche Seite der Auseinandersetzung, so muss resümierend festgehalten werden, dass seitens des Episkopats zwar ein ideeller und substanzieller Mehrwert einer katholischen