Die Katholische Grundschule NRW Öffentliche Grundschule im konfessionellen Gewand. Petra Lillmeier
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Grundsätzlich unterscheidet diese Untersuchung zwischen dem Recht zur Erziehung und Bildung und dem Recht des Kindes als Rechtsträger auf Erziehung und Bildung. Daher wird den Kinderrechten in einem eigenen Abschnitt nachgegangen.
Dem rechtlichen Begründungs- und Bezugsrahmen schließt sich das vierte Kapitel an, welches sich – in Orientierung an eine eigenständige Grundschulpädagogik, wie sie sich in den ausgehenden 1960er Jahren durchsetzte – theologischen, pädagogischen und religionspädagogischen Grundsachverhalten und Grundlagentexten einer grundschulischen Erziehung und Bildung widmet. Die Grundschulpädagogik, die, im Bild gesprochen, die Operationsbasis dieser Studie bildet, stellt eine eigene wissenschaftliche Richtung dar, die sich den besonderen Lern- und Entwicklungsbedingungen von Grundschulkindern und den spezifischen Bedingungen, Aufgaben und Funktionen der Grundschule verpflichtet weiß und die von einer allgemeinen Schulpädagogik und Unterrichtsdidaktik zu unterscheiden ist. Aus dieser Grundannahme heraus ist im Sinne einer phänomenologischen Annäherung an eine Katholische Grundschule nach deren institutioneller Verortung innerhalb ihrer beiden Bezugsgrößen Staat und Kirche zu fragen. Hier richtet sich das Augenmerk zunächst auf zentrale Texte des II. Vatikanischen Konzils, dem wohl wichtigsten und entscheidendsten Großereignis der jüngeren Geschichte der Katholischen Kirche. In den zentralen Konstitutionen „Lumen Gentium“ und „Gaudium et Spes“ trifft die Katholische Kirche wesentliche Aussagen über ihr Selbstverständnis, ihren Auftrag und ihre Sendung, ihr Verhältnis zur Welt sowie zu anderen Konfessionen und Religionen. Dabei geht es in dieser Untersuchung keineswegs um eine allgemeine Darstellung dieser Texte. Vielmehr betrachtet diese Abhandlung die Konzilstexte auf der Folie „Katholische Grundschule NRW“ und arbeitet heraus, unter welchem genuinen Verständnis der Katholischen Kirche sich der Auftrag der KGS, nämlich „Unterricht und Bildung auf der Grundlage des Bekenntnisses“ zu gestalten, normativ realisieren muss.
Da die KGS keine Privatschule darstellt, sondern als staatliche Einrichtung den jeweiligen Bildungsprogrammen verpflichtet ist, werden in einem nächsten Schritt die aktuellen Richtlinien des Landes NRW deskribiert, dekonstruiert und interpretiert. In Bekenntnisschulen sind diese auf der Grundlage des jeweiligen Bekenntnisses zu lesen und auszulegen. Auf der Suche nach Propria der KGS werden im Rahmen dieses Kapitels die aktuellen Richtlinien daher daraufhin befragt, ob und in welcher Weise die „Grundsätze des Bekenntnisses“ zu einer Interpretation der Richtlinien beitragen können und auch müssen.
Die Grundschule als pädagogisches Handlungsfeld weiß sich ihren Akteuren als Handlungsträgern verpflichtet, denn natürlich sind es die Menschen auf der Meso- und Mikroebene von Schule, welche die pädagogische Gestalt einer Katholischen Grundschule maßgeblich bestimmen und prägen. Somit stellen sich die sehr wesentlichen Fragen nach einer „Anschlussfähigkeit“ der bislang erarbeiteten Grundlagen wissenschaftlicher Theorien und Theoriefelder einer Grundschulpädagogik an die zentralen Akteure. Dazu bedarf es zunächst einer Klärung der Begriffe „Person“, „Subjekt“ und „Identität“, weil es sich hierbei um anthropologische und theologische Grundkategorien handelt, die aus christlicher Sicht konstitutiv sind für ein Verständnis vom Menschen und die diesem Akteursverständnis zugrunde liegen.
Damit ist das phänomenologische Substrat Katholischer Grundschule erarbeitet und sind grundschulpädagogische und religionspädagogische Grundlagen auf der Makro-, Meso- und Mikroebene für ein genuines Verständnis umfassend gelegt.
Im dritten Teil dieser Untersuchung werden die aus der rekonstruierten Historie resultierenden und die aus der Deskription der rechtlichen, theologischen, religionspädagogischen und grundschulpädagogischen Grundlagen gewonnenen Erkenntnisse in eine Performation Katholischer Grundschule überführt und damit die sie bestimmenden Propria und vorrangigen Optionen in ein handlungsbezogenes Modell eingebunden. Dabei wird auch nach den notwendigen Ressourcen und Ressourcengebern zu fragen sein, da die Antworten auf das, was (Propria) und wie (vorrangig optional) eine KGS normativ sein sollte und muss, auf allen Ebenen von Grundschule und mit Blick auf ihre Bezugsgrößen Staat, Kirche und Wissenschaft tief- und raumgreifend voraussetzungsvoll sind. Diese Studie stellt sich insgesamt der Herausforderung einer wissenschaftlichen, also theoretischen Untersuchung, deren Ergebnisse sich allerdings im Verständnis einer Grundschulpädagogik an einem für Katholische Grundschulen erkennbaren Theorie-Praxis-Verhältnis messen lassen sollen und müssen. Theologisch erweist sich dann an der KGS auch der Praxischarakter einer Theologie, sofern „es ihr gelingt, christliche Glaubenspraxis im Kontext gelebter Religion zu sehen“33 und – zielperspektivisch – die gegenwärtigen Herausforderungen einer KGS im Licht der Bibel und der kirchlichen Überlieferungen zu reflektieren und in eine Praxis grundschulischer Bildung und Erziehung einfließen zu lassen.
So will die hier vorgelegte Arbeit die Geschichte dieser Schulart und ihre Situation heute aufarbeiten, um auf diese Weise sinnvolle, wissenschaftlich begründete Kriterien zu ihrer substanziellen Bestimmung aufzustellen. Erst wenn solche spezifischen Merkmale, Propria Katholischer Grundschule, gefunden sind, lässt sich legitim über ihre Zukunftsfähigkeit nachdenken. Dies muss geschehen im Kontext einer „Grundschultheorie“, von der Ludwig Duncker34 berechtigt die Frage stellt, ob diese überhaupt schon geschrieben ist. Das Nachdenken über die Schulart Katholische Grundschule versteht sich insofern als ein Beitrag dazu.
TEIL IRekonstruktion
Müßiggang, dem Sprichwort nach „aller Laster Anfang“, wird gemeinhin wohl kaum mit dem Begriff „Schule“ in Verbindung gebracht. Und doch gehen die sprachlichen Wurzeln des Wortes „Schule“, griechisch scholé, auf diesen Ursprung zurück: Gemeint war damit zwar nicht eine Zeit des Nichtstuns, wohl aber eine nicht vordefinierte Zeit zweckfreien Tuns. Schule, so verstanden, als Einrichtung des zweckfreien Sich-Zeit-Nehmens für diverse Studien, insbesondere der Philosophie, Mathematik und Theologie, hat mithin eine lange Geschichte mit Wurzeln im antiken Griechenland; die Grundschule hingegen, wie man sie heute in Deutschland vorfindet, weist – was überraschen mag – eine vergleichsweise sehr junge Geschichte auf.
Doch obwohl dem so ist: Eine wissenschaftliche Untersuchung ihrer Wurzeln, die schul- bzw. ideengeschichtlich für sich genommen nun auch wiederum tief greifen und erst manches von dem verständlich machen, worum heute in der schulischen Landschaft gerungen wird, stellt ein Desiderat dar.35 Ihm stellt sich unter der hermeneutischen Voreinstellung, dass „Erziehung und Bildung ohne die geschichtliche Dimension nicht verstanden werden können“36, dieser erste Teil der vorliegenden Studie.
In Eingrenzung des Themas geht es dabei vorzüglich allerdings nur um die auf Konfessionalität ausgerichteten historischen Wurzeln einer Grundschule sowie die mit ihnen verbundenen pädagogischen Absichten und deren Bedingungsgefüge. Denn es ist das Anliegen dieser Studie, herauszuarbeiten, ob und inwiefern ein auf ein Bekenntnis ausgerichtetes, ideengeschichtliches Erbe einer Katholischen Grundschule substanziell