Die Katholische Grundschule NRW Öffentliche Grundschule im konfessionellen Gewand. Petra Lillmeier
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Diese Auseinandersetzung veranschaulicht, dass und warum die Episkopate fortan den staatlichen schulpolitischen Bestrebungen mit hoher Skepsis und großem Misstrauen begegneten.52 Die Katholische Kirche fürchtete deutlich um ihren gesellschaftlichen Einfluss vor allem im Raum von Schule und Erziehung.
Dieser schulpolitische Streit trug sich nicht nur auf der Ebene von Staat und Kirche zu; er war auch Teil parteipolitischer Auseinandersetzungen im Rahmen divergierender schulpolitischer Auffassungen und der damit verbundenen kontroversen Debatten innerhalb der Mehrheitskoalition der W.N. Die SPD trat für die Aufhebung der Vorschulen und die Einführung nichtkonfessioneller Gemeinschaftsschulen ein, die Vertreter der Zentrumspartei forderten die Konfessionsschule und lehnten eine Einheitsschule ab, und die DVP, die sich offen zeigte in Bezug auf die Konfessionsschule, trachtete danach, das bestehende Schulsystem beizubehalten.53
Letztlich gelang mit der Verabschiedung der Weimarer Verfassung von 1919 ein schulpolitischer Kompromiss:
•Das „Elternrecht und die Elternpflicht zur Erziehung“ fanden im Artikel 120 der Weimarer Reichsverfassung ihre Grundlegung.54
•Die Schulaufsicht wurde unter staatliche Aufsicht gestellt, allerdings mit der Option, die politischen Gemeinden daran zu beteiligen.
Besondere Beachtung soll nun dem Artikel 146 der Weimarer Verfassung geschenkt werden:
„(1) Das öffentliche Schulwesen ist organisch auszugestalten. Auf einer für alle gemeinsamen Grundschule baut sich das mittlere und höhere Schulwesen auf. Für diesen Aufbau ist die Mannigfaltigkeit der Lebensberufe, für die Aufnahme eines Kindes in eine bestimmte Schule sind seine Anlage und Neigung, nicht die wirtschaftliche und gesellschaftliche Stellung oder das Religionsbekenntnis seiner Eltern maßgebend.
(2) Innerhalb der Gemeinden sind indes auf Antrag von Erziehungsberechtigten, Volksschulen ihres Bekenntnisses oder ihrer Weltanschauung einzurichten, soweit hierdurch ein geordneter Schulbetrieb […] nicht beeinträchtigt wird. Der Wille der Erziehungsberechtigten ist möglichst zu berücksichtigen. Das Nähere bestimmt die Landesgesetzgebung nach den Grundsätzen eines Reichsgesetzes.“55
Mit Blick auf die Fragestellung sind drei Aspekte entscheidend, die bis heute Rechtsbzw. Diskussionsgrundlage einer auf das Bekenntnis ausgerichteten Grundschule sind, wie noch in Kapitel 3 zu sehen sein wird:
a)Die „Grundschule“ wird eine für alle Kinder gemeinsame Grundstufe des Schulwesens.
b)Das „Religionsbekenntnis“ der Eltern ist für die Aufnahme eines Kindes in eine Schule nicht maßgebend.
c)Bekenntnisschulen sollen auf Antrag der Eltern eingerichtet werden können, soweit dies einen geordneten Schulbetrieb möglich macht. Der Elternwille hat möglichst Berücksichtigung zu finden.
Was bedeutete dies nun für das preußische Schulsystem, in dessen Rechtsnachfolge das Land NRW steht, mit Blick auf die Fragestellung dieser Arbeit? Landé, preußischer Ministerialrat, unterscheidet in seinem Kommentar zur Reichsverfassung aus dem Jahr 1929 drei territoriale Rechtsgebiete. Preußen gehörte mit wenigen regionalen Ausnahmen zum „Bekenntnisschulgebiet“. Eine Bekenntnisschule – so Landé – kann dann als eine solche bezeichnet werden, wenn „grundsätzlich nur Lehrer eines und desselben Bekenntnisses angestellt und Schüler des gleichen Bekenntnisses aufgenommen werden“.56 Folgt man also Landé, ist die Konfessionalität der Lehrer- und Schülerschaft ein Erkennungsmerkmal für eine Bekenntnisschule und nicht ein Zugangsmerkmal. An anderer Stelle schreibt er: „In Gebieten dagegen, in denen eine Konfession stark überwiegt, ist vielfach schwer zu bestimmen, ob, bei Fehlen einer ausdrücklichen Bezeichnung, eine Bekenntnisschule vorliegt.“57 Die Konfessionalität von Lehrern und Schülern definiert die Schulart. (Dazu: Kap. 3.1.1.)
Bevor die Frage um die innere Ausgestaltung einer Bekenntnisschule in Preußen bearbeitet werden kann, ist es notwendig, einen kurzen Blick auf die Kompetenzverteilung zwischen den Ländern und dem Reich zu werfen, da nur auf diesem Hintergrund die nachfolgenden Auseinandersetzungen verständlich werden:58
•Dem Reich oblag die Grundsatzgesetzgebung auf dem Gebiet des Schulwesens. Aufgabe der Länder blieb der Bereich der Schulaufsicht, des Verordnungs- und Verwaltungsrechts.
•Reich, Länder und Gemeinden sollten in der Organisation der Schulen zusammenarbeiten.
•Die Lehrerausbildung und die schulstrukturelle Organisation des Bildungswesens – wie beispielsweise die der Gliederung der Volksschule – standen im Kompetenzbereich der Länder.
Auf dieser Grundlage und mit dem Auftrag zur Zusammenarbeit versammelten sich im Oktober 1919 die Kultusminister der Länder sowie Referenten und Vertreter des Reichsinnenministeriums, um die Gründung des Reichsschulausschusses als Bindeglied zwischen Reich und den Ländern zu beschließen. Dieser Reichsschulausschuss verabredete im Zuge seiner Sitzungen die Bildung einer „Reichsschulkonferenz“ mit dem Auftrag, konkrete Vorschläge zu einer einheitlichen Ausgestaltung des deutschen Schulwesens zu erarbeiten. Mit der beachtlich hohen Zahl von insgesamt 600 Delegierten aus dem Reich und den Ländern tagte die Reichsschulkonferenz erstmals im Juni 1920. Die meisten Delegierten waren zugleich auch Interessenvertreter von Vereinen und Verbänden, auch dies erschwerte die Verhandlungen zusehends. Um die ohnehin schon schwierigen Beratungen nicht noch weiter zu erschweren, wurde schließlich die, wie Christoph Führ herausstellt, „hochpolitisch aufgeladene Frage der konfessionellen Gliederung der Volksschule“59 ausgeklammert.
Welche Auswirkungen hatte die Kompetenzverteilung zwischen Reich, Land und Gemeinde auf die Klärung der Bekenntnisschulfrage?
Die Reichsverfassung erwies sich in ihren Aussagen zu „Bildung und Schule“ als uneindeutig. Durch diese ihre Indifferenz stritt man u. a. um die Frage, ob die Bekenntnisschule oder die Simultanschule60 als „Regelschule“ anzusehen sei. Die Katholische Kirche drängte vehement auf die Bewahrung einer Schule religiöser Erziehung und katholischen Gedankengutes. Der Bildungshistoriker Christoph Führ sieht in dieser Phase Argumente „der alten Tendenz bekenntnismäßiger Absonderung“61 am Werk. Auf der anderen Seite, so schreibt er weiter, „drängten Liberalismus und Einheitsschulbewegung auf Einführung der für alle verbindlichen Simultanschule.“62 Auf diesen widerstreitenden Positionen also und unter starker Beobachtung und Intervention des katholischen Episkopats und verschiedener Interessengruppen – in erster Linie des „Deutschen Lehrervereins“ und der „Katholischen Schulorganisation“63 – galt es, ein Reichsschulgesetz zu erlassen, das die Frage der konfessionellen Ausrichtung („Bekenntnisschule versus Simultanschule“) rechtlich und allgemein regeln sollte. Diese Bestrebungen scheiterten. Es kam in der Zeit von Weimar zu keiner weiter reichenden Schulgesetzgebung, die die Frage der Bekenntnisschule für ganz Deutschland geklärt hätte: Der so genannte Sperrparagraph, der Artikel 174 der Weimarer Verfassung, erlaubte es den Ländern, die Bestimmungen des Artikels 146 bis zum Erlass eines neuen Reichsschulgesetzes unberücksichtigt zu lassen. Weil nun aber keine Einigung möglich war, blieb § 33 des Preußischen Volksschulunterhaltungsgesetzes von 1906 gültig: Öffentliche Volksschulen „sind in der Regel so einzurichten, dass der Unterricht evangelischen Kindern durch evangelische Lehrkräfte, katholischen Kindern durch katholische Lehrkräfte erteilt wird“64.
Da es in dieser Untersuchung um die Fragestellung