Die Katholische Grundschule NRW Öffentliche Grundschule im konfessionellen Gewand. Petra Lillmeier

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Die Katholische Grundschule NRW Öffentliche Grundschule im konfessionellen Gewand - Petra Lillmeier Studien zur Theologie und Praxis der Seelsorge

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interessiert, ist die Klärung der Frage nach möglichen Propria einer KGS aus der Historie heraus, also in Auswertung der vorliegenden Enzyklika. Sicherlich ist inhaltlich insgesamt kritisch festzuhalten, dass die von Pius XI. formulierten Grundsätze einer christlichen Erziehung wenig substanziell und vielfach von einer negativen Weltsicht geprägt sind. Auch spiegelt die Enzyklika ein stark objektbetonendes Bild vom Kind wider, so dass das Kind als eigenständiges Wesen nur wenig Beachtung findet.

      Dennoch: Die Enzyklika enthält sehr wohl erste Ansätze eines subjektiven Rechts des Kindes auf Bildung und Erziehung, wie zum Beispiel nachfolgendes Zitat zeigt: „Aus den angeführten Grundsätzen erhellt gleichfalls klar und deutlich die, man kann wohl sagen unübertreffliche Vorzüglichkeit des christlichen Erziehungswerkes, das letzten Endes dahin zielt, den Seelen der zu Erziehenden das höchste Gute, nämlich Gott […] zu sichern.“115

      Bleibt man in der Wahrnehmung und Rezeption dieses heute fremd anmutenden Textes hartnäckig und fragt weiter, ob sich Bemerkenswertes finden lässt, das zum Nachdenken und zur Profilierung heutiger Katholischer Bekenntnisschulen herausfordert: Ohne in dieser Ausrichtung einem universalen Anspruch katholischer Auffassungen oder restaurativen Tendenzen und Neigungen das Wort zu reden und einmal abgesehen vom lehrhaften Duktus, von den zahlreichen Negativformulierungen im Text und der aus heutiger Sicht problematischen theologischen Argumentation, lassen sich in „Divini illius magistri“ nämlich tatsächlich einige interessante Reflexionsimpulse einer christlichen Erziehung freilegen, die in der aktuellen pädagogischen Diskussion ihren Platz haben. Befragt man also nochmals die oben genannten Punkte, ob sie für heutige Katholische Grundschulen und die Frage nach einer „Erziehung und Bildung im Geiste des Bekenntnisses“ den Charakter eines Reflexionsangebots haben könnten, denn sie berühren durchaus auch moderne Fragestellungen: Dazu gehören zum Beispiel die Aspekte einer genderorientierten Erziehung, der Gewalt in der Erziehung, einer altersangemessenen Sexualerziehung angesichts der Gefahr subjektiver Überforderung von Kindern, Fragen nach einem „Recht des Kindes auf Religion“. Die Beantwortung all dieser Fragen könnte zur Profilbildung Katholischer Grundschulen beitragen.

      Die kritische Einlassung von Schmitz-Stuhlträger, die in „Divini illius magistri“ formulierten erzieherischen Absichten seien rein auf das „Seelenheil“ und das „Jenseits“ ausgerichtet, so dass das Leben im „Diesseits“ keinen Eigenstand mehr besitze, findet zweifelsfrei ihre Berechtigung: Die Erlangung des „Seelenheils“ als Verheißung auf ewiges Leben und zum „Schutz vor den Qualen des Fegefeuers“ durch konsequente Befolgung der kirchlichen Gebote, Regelmäßigkeit in den Frömmigkeitsübungen und Teilhabe an den Sakramenten der Kirche als Ziel christlicher Erziehung sind theologisch kritisch zu hinterfragen. Ob allerdings eine reine „Diesseitsorientierung“ als Grundlage erzieherischen Handelns die entsprechende Alternative bildet, ist einer zeitkritischen Anfrage wert.

      Schließlich sei ein letzter Aspekt an dieser Stelle hervorgehoben, weil er zeithistorisch bemerkenswert ist: Grundsätzlich unterscheidet die Enzyklika zwischen den Gläubigen und den Ungläubigen.116 Insofern, hier folge ich Schmitz-Stuhlträger117, die Enzyklika von einer erzieherischen Sendung spricht, nimmt sie – gegenüber den Ungläubigen – den Charakter eines Angebots an.

      Zugegeben: Der Blick auf die Enzyklika „Divini illius magistri“ hat für die Suche nach transformationsfähigen Propria kaum wesentliche Aspekte hervorbringen können. Er war aber dennoch unumgänglich, weil in diesem Text der in den unmittelbaren Nachkriegsjahren aufblühende kirchliche Anspruch auf ein „Recht zur Erziehung“ wurzelt. Dies unterstreicht auch Klöcker: „Der Rekurs auf den in der Erziehungsenzyklika von 1929 reklamierten ‚kirchlichen Totalitätsanspruch‘ […] als erster Erziehungsträger im Rahmen hierarchisch gestufter Ordnung und Wahrheitsverkündigung wird in den 1950er Jahren nochmals verstärkt.“118 Neben den wegweisenden Erkenntnisgewinnen muss demnach kritisch die Frage gestellt werden, ob und inwiefern – auch nachkonziliar – die Idee eines geschlossenen katholischen Milieus (katholische Lehrer, katholische Eltern, katholische Schule), wie es in „Divini illius magistri“ intendiert, vorausgesetzt und beschrieben wird, ein – weil nicht ins Bewusstsein gehobenes – unhinterfragtes Leitmotiv der KGS geblieben ist.

       2.3„As in the Weimar Republic“: Die Grundschule nach 1945

      Wesentliche Eigenheiten der Schulart „Katholische Grundschule Nordrhein-Westfalen“, ihre Entwicklungslinien sowie die politischen und kirchenpolitischen Absichten einer auf Konfessionalität ausgerichteten grundschulischen Bildung und Erziehung werden verständlich, betrachtet und reflektiert man ihre historische Genese unmittelbar nach 1945. Dieser Periode wendet sich dieser Abschnitt zu, um aus der Perspektive der politischen und kirchenpolitischen Entstehungsgeschichte heraus schulhistorische Grundlinien einer Katholischen Grundschule auszumachen. Dabei werden vorrangig und zentral Entwicklungen innerhalb der britischen Besatzungszone119 gemäß dem Potsdamer Abkommen von 1945 in den Blick genommen. Im nachfolgenden Abschnitt wird dann zu sehen sein, ob und inwiefern die Erfahrungen aus dieser historischen Epoche in die Gegenwart (kirchen)politischen Handelns hineinwirken (2.4).

      Mit der Kapitulation Deutschlands und der Besetzung durch die Alliierten waren die Bemühungen auf eine zügige Wiedererrichtung der Schulen konzentriert. Bereits 1945 erteilte die britische Militärregierung den westfälischen und den Nord-Rhein-Provinzen den Befehl, die Schulen wiederzueröffnen, nachdem sie zunächst per Proklamation des Oberbefehlshabers General Eisenhower geschlossen worden waren. Dabei stellten vor allem die vielfach zerstörten Schulgebäude und der Mangel an Lehrkräften die Behörden vor erhebliche Probleme. Himmelstein stellt in seiner Untersuchung „Kreuz statt Führerbild“ fest, dass es den Städten und Kreisen bis zur Währungsunion nicht gelang, die Schulen umfänglich instand zu setzen.120 Insbesondere galt es, bedingt durch die erstmalig schulpflichtigen Kinder der geburtenstarken Jahrgänge 1939/40 und die hinzukommenden Flüchtlingskinder, besonders große Schülergruppen einzuschulen. Auch war der Lehrermangel eklatant: Viele Lehrer waren im Krieg gefallen, galten als politisch belastet oder waren noch in Kriegsgefangenschaft. Neben den schulorganisatorischen Rahmenbedingungen stellte sich den Besatzungsmächten die Frage, wie die inneren Schulangelegenheiten im Sinne ihrer „Re-education-Politik“ zu regeln seien. Strukturell griff man dabei auf den Organisationsplan der preußischen Provinzialverwaltung zurück. Günter Heumann stellt dazu in seinen Untersuchungen fest, dass die oberen Schulbehörden die einzelnen Provinzen zunächst mit unvorbelasteten und kompetenten Fachleuten zu besetzen versuchten, die nicht selten aus dem Umfeld der Katholischen Kirche kamen.121 Spätestens aber nachdem die Verwaltungsbehörden ihre Arbeit aufgenommen hatten und die Schulen schrittweise wieder geöffnet wurden, stellte sich die Frage nach dem inneren Charakter der Volksschulen. Prompt proklamierte die Katholische Kirche ihre Rechte auf eine konfessionelle Bestimmung. Insbesondere aus dem Erzbistum Köln und dem Erzbistum Paderborn wurden „alte Rechte“ eingefordert: So berief sich der Kölner Erzbischof Frings, der sich unmittelbar nach Wiedereröffnung der Schulen für eine eindeutig konfessionelle Ausrichtung der Volksschulen aussprach, auf die Bestimmungen des preußischen Volksschulunterhaltungsgesetzes von 1906, wonach, wie oben ausgeführt, der Unterricht für katholische Kinder von katholischen Lehrern zu erteilen ist.

      Rückblickend betrachtet verwundert es kaum, dass die britische Militärregierung angesichts der gravierenden und massiven Probleme und vielschichtigen organisatorischen Aufgaben und Herausforderungen, die die Wiedereröffnung der Schulen mit sich brachten, mit Verärgerung auf das Gesuch des Kölner Erzbischofs Frings und des Paderborner Erzbischofs Jaeger auf Wiederherstellung der Bekenntnisschule reagierte. Klaus-Peter Eich zeichnet den Konflikt zwischen der Katholischen Kirche Paderborns (insbesondere durch Erzbischof Jaeger) und der britischen Militärregierung in seiner „Schulpolitik in Nordrhein-Westfalen“ nach: „Wiederholt richteten er persönlich und die katholischen Priester seiner Diözese Protestbriefe an den zuständigen Oberst Stirling. Dieser reagierte äußerst gereizt auf die vielen Briefe und Memoranden der katholischen Priester.“122

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