Die Katholische Grundschule NRW Öffentliche Grundschule im konfessionellen Gewand. Petra Lillmeier
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Insgesamt kann jedoch mit Eich festgestellt werden, dass die britische Besatzungsmacht dem kirchlichen Ansinnen neutral bis wohlwollend begegnete.124 Wahrscheinlich nicht zuletzt auch als Reaktion auf die kirchlichen Interventionen125 sah sich die britische Militärregierung herausgefordert, eine Regelung in der Konfessionsstreitfrage der Volksschulen zu finden, wie sie schließlich mit der Erziehungsanordnung 1, genannt Eiga Nr. 1, getroffen wurde. Diese Anordnung mit dem Untertitel „Die Einrichtung oder Wiedereinrichtung konfessioneller, aus öffentlichen Mitteln unterstützter Volksschulen“ enthielt folgende Grundsätze:
•Eltern, die für ihre Kinder eine Bekenntnisschule wünschten, haben das Recht, diese zu fordern.
•Dort, wo vor 1933 Konfessionsschulen bestanden, sollte die Wiedereinführung möglich sein.
Im Frühjahr 1946 wurde auf der Ebene der Landkreise und Regierungsbezirke das geforderte Abstimmungsverfahren durchgeführt, auf dessen Grundlage die Wiedereröffnung der Schulen zum Schuljahr 1946/47 erfolgen sollte. Diese Abstimmungen ergaben eine große Mehrheit für die Bekenntnisschule, mit Ausnahme einiger großer Städte, wie Pakschies, Heumann und Himmelstein126 in ihren Untersuchungen nachweisen. Von 379 905 Volksschuleltern wählten 277 198 die konfessionelle Bindung der Schule.127 Himmelstein führt dieses Ergebnis im Wesentlichen auf Mängel im Verfahren, auf die Forderung Adenauers nach einer bekenntnismäßigen Wiedereinführung der Volksschule und auf den Einfluss der Ortsgeistlichen auf die katholische Bevölkerung zurück: „Nur eine längere Phase der politischen und pädagogischen Aufklärung hätte eine Möglichkeit geschaffen, diese Vorurteile aufzubrechen.“128 Ob diese Deutung einer genauen Prüfung standhalten würde, muss dahingestellt bleiben. Festzuhalten ist allerdings, dass viele Menschen nach dem Ende der totalitären Herrschaft des nationalsozialistischen Regimes den Kontakt zu ihrer Kirche suchten. Man sehnte sich nach einer „unbescholtenen“129, richtunggebenden und -weisenden Institution, die der Sinnleere der geschichtlichen Erfahrung einen Kontrapunkt entgegensetzen konnte und einen gewissen Rückhalt gab.130 Diese allgemeine Stimmungslage begünstigte ohne Zweifel die Diskussion um die Bekenntnisschule, zumal die Kirche in dieser Frage auf zahlreiche Dokumente von vor 1933 zurückgreifen konnte. Auch die Argumentationslinie von „Divini illius magistri“ (vgl. Kap. 2.2.3), wurde in den kirchlichen Dokumenten immer wieder zitiert. Die Katholische Kirche bot sich an als staatstragende Organisation, deren schulische Bildung und Erziehung auf Grundlagen des Bekenntnisses eine Gewähr und ein Garant für ein neues Deutschland sein sollten.131
Wirft man nun über diese strukturellen Fragen der Volksschule hinaus einen Blick auf ihre inhaltlich-pädagogische Ausrichtung, dann muss zunächst festgestellt werden, dass es den genannten Untersuchungen an einer detaillierten Darstellung und Aufarbeitung der inhaltlichen und pädagogischen Ausrichtung der konfessionellen, öffentlichen Volksschule, wie sie von der Katholischen Kirche beabsichtigt und gefordert war, mangelt. Lediglich Heumann verweist in seiner Untersuchung auf den Erlass: „Gedanken und Richtlinien für die Erziehungsarbeit der Schule. Erlaß des Oberpräsidiums der Nordrhein-Provinz vom 31.08.1945, Hauptstaatsarchiv Düsseldorf“. Diesem Erlass nach sollte die Schule bei aller Erziehung „im wahrhaft demokratischen Geiste“, bei aller „Achtung vor der Würde des Menschen“ und bei aller „Erziehung zur Freiheit“ und zur „Selbstverantwortung“ immer „ein Weg zu Gott“ sein.132 Heumann erkennt darin „einen nicht unwesentlichen Beitrag zum Wiederaufbau einer demokratischen Schulerziehung“133, den die Kirchen leisteten. Worin genau dieser bestand, bleibt in seinen Ausführungen indes fragmentarisch. Dies aber ist für die Untersuchung, die nach den Propria einer Katholischen Grundschule sucht, genau die Frage, um die es geht: Welchen spezifischen Beitrag leistet eine auf Konfessionalität ausgerichtete Grundschule zur Demokratisierung?
Um dieser Frage nachzugehen, greift diese Untersuchung im Folgenden auf drei bischöfliche Schreiben zurück, die an wichtigen schulhistorischen Schnittstellen anzusiedeln sind: der Wiedereröffnung der Schulen nach dem Krieg, der Abstimmung über die Konfessionsschulen und der Entwicklung einer Verfassung für das Land NRW. Es handelt sich dabei um „typische Schriften“, insofern sie die erhebliche Einflussnahme der Katholischen Kirche auf die gesetzliche Verankerung der Konfessionsschule in NRW widerspiegeln. Vorwegnehmend lassen sich daraus folgende Forderungen der Katholischen Kirche in der Zeit zwischen 1945 und 1950 benennen:
•katholische Schulen für katholische Kinder,
•katholische Lehrerausbildungsstätten,
•Berücksichtigung des Elternwillens,
•Gleichberechtigung und finanzielle Förderung der katholischen Schulen aus öffentlichen Mitteln.134
Dabei richtet sich das Augenmerk nicht in erster Linie auf die – in der Literatur häufig rezipierten – strukturellen Grundsätze und Forderungen der Katholischen Kirche in der Frage der Bekenntnisschule. Das Interesse gilt der Frage nach den inhaltlichpädagogischen bzw. religionspädagogischen Absichten einer auf Konfessionalität ausgerichteten Schule – hier, wie gesagt, in ihrem Beitrag zur Demokratisierung.
2.3.1Die deutschen Bischöfe 1945
Unmittelbar nach Kriegsende, im August 1945, versammelten sich die deutschen Bischöfe zur ersten Bischofskonferenz in Fulda. Im gemeinsamen Dokument und Hirtenbrief vom 23. August 1945 „Erster gemeinsamer Hirtenbrief nach dem Krieg“135 entwarfen die Bischöfe das Bild einer dem Nationalsozialismus standhaft widerständig gebliebenen Kirche: „Mit tiefem Interesse und innerer Anteilnahme sind Millionen und Millionen unseren Ausführungen gefolgt, wenn wir für die Rechte der Persönlichkeit eingetreten sind, wenn wir die Übergriffe des Staates in das kirchliche Leben zurückgewiesen haben“.136 Freimütig bekennen die Bischöfe, dass jene Menschen, die an den Verbrechen beteiligt waren, schuldig geworden sind. Aus ihrer Kurzanalyse zur Rolle der Kirche im Nationalsozialismus leiten die Bischöfe ihr Versprechen ab, mitzuwirken am Aufbau einer neuen Gesellschaft, die von innen heraus so erstarkt, dass sie totalitären, menschenverachtenden Ideologien niemals mehr Raum gibt. Insbesondere die Erziehung der Jugend soll – so die Bischöfe – geprägt und geleitet sein von „Gottesrecht“ und „Menschenrecht“ unter Beachtung der menschlichen Würde und Gewissensfreiheit.137 Eine religiöse Erziehung, wie sie in der Bekenntnisschule zum Tragen kommt, stellt für die Bischöfe einen sicheren Garant im Aufbau einer solchen Gesinnung dar. Ihrer Hoffnung Ausdruck verleihend, dass es den katholischen Eltern bald wieder möglich sein möge, ihre Kinder auf Katholische Schulen zu schicken, verweist das Hirtenschreiben formal und juristisch fordernd in Übereinstimmung mit der Erziehungsenzyklika Pius‘ XI., auf das Gesetz – womit wohl das Preußische Volksschulunterhaltungsgesetz gemeint ist – sowie auf konkordatsrechtliche Vereinbarungen.138
Substanziell kann vorsichtig resümiert werden, dass im Hirtenschreiben von 1945 ein Versuch unternommen wird, die Katholische Bekenntnisschule als staatliche Schule in eine demokratisch legitimierte Gesellschaft einzubinden. Man möchte betonen, dass eine religiöse Erziehung die beste Gewähr für eine gelingende „Gesundung der geistigen Lage“ darstellt.139
2.3.2Aufruf zur Abstimmung über die Konfessionsschule
Im Hinblick auf die für das Frühjahr 1946 terminierten Abstimmungsverfahren auf der Ebene der Landkreise und Regierungsbezirke zur Konfessionalität der Volksschule wandte sich Kardinal Frings im Februar 1946 in einem Hirtenbrief an die Katholiken. Dieser Hirtenbrief wird nachfolgend – wiederum exemplarisch – auf Propria einer auf Konfessionalität ausgerichteten Volksschule