Im Fahr. Susann Bosshard-Kälin
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Das Schreiben dieses Buchs war für mich ein besonderes Privileg. Danke für eure Offenheit, liebe Schwestern im Fahr, danke für euer Lachen und Weinen, vergelts Gott. Ihr habt mir unglaublich viel Persönliches anvertraut, nicht zuletzt auch eure Gottesbeziehung. Und wenn der Text mal geschrieben war, habt ihr kaum etwas korrigiert. Es durfte sich ein Buch entwickeln, in dem ihr offen aus eurem Leben erzählt, vom Schönen und vom Schweren. Ihr habt kein Blatt vor den Mund genommen, und so kann man hier kritische Dinge lesen, die man von Klosterfrauen nicht unbedingt in dieser Offenheit erwarten würde. Priorin Irene las alle Texte, «Zensur von oben» gab es nicht. Im Gegenteil, gelegentlich ermutigte sie eine von euch sogar dazu, Passagen im Text zu belassen, die euch schwarz auf weiss auf einmal zu gewagt erschienen! So konnte das Buch entstehen, das ich mir erhofft hatte.
Diese Geschichten sollen die Einzigartigkeit eures Frauenlebens in unserer Gesellschaft bezeugen und Verständnis wecken für eine Welt, die ausserhalb der Klostermauern kaum jemand kennt. Ich wünsche euch und mir, dass die Porträts und Bilder bei vielen Menschen ankommen und in ihnen etwas bewegen.
Die benediktinische Tagesordnung
Benedikt hat den klösterlichen Alltag klar strukturiert. Gebetszeiten und Lesung wechseln sich im Fahr mit Zeiten der Arbeit und Erholung ab. Das schafft einen wohltuenden Rhythmus. Eine gute und gesunde Tagesordnung trägt wesentlich dazu bei, dass auch die Seele zur Ruhe kommen kann.
Die benediktinische Einteilung des Tages entspricht dem natürlichen Rhythmus des Menschen. So sind etwa die frühen Morgenstunden von jeher die geeignete Zeit für das Gebet und die Meditation. Die Arbeitseinheiten während des Tages sind nie zu lang, und wenn der Abend beginnt und die Nacht hereinbricht, sind die Schwestern wieder bereit für das Gebet.
4.50 Uhr Aufstehen | 13.30 Uhr Arbeiten | |
5.20 Uhr Vigil (Nachtwache) | 15 Uhr Gemeinsamer Kaffee | |
6 Uhr Frühstück/Betrachtung | 15.15 Uhr Lectio divina – Lesung/Betrachtung | |
7 Uhr Laudes (Morgenlob) | 15.45 Uhr Arbeiten | |
7.30 Uhr Eucharistiefeier (Di, Do, Sa) Lectio divina/Betrachtung (Mo, Mi, Fr) | 17.45 Uhr Vesper (Abendlob) | |
8.30 Uhr Terz | 18.15 Uhr Nachtessen | |
9 Uhr Arbeiten | 19 Uhr Rekreation (gemeinsame Erholung) | |
11 Uhr Sext/Non (Mittagsgebet, Mo, Mi und Fr mit Kommunionfeier) | 19.45 Uhr Komplet (Nachtgebet) | |
11.30 Uhr Mittagessen, danach Mittagspause |
Sonn- und Feiertage
An Sonn- und Feiertagen ist die Tagesordnung leicht anders. So wird z. B. die Vigil am Vorabend gesungen, sodass am Morgen erst mit der Laudes um 7 Uhr begonnen wird. Eucharistiefeier und Vesper sind so angesetzt, dass es gut möglich ist, das Fahr zu besuchen.
Schwester Fidelis
«Es muss etwas geschehen in der katholischen Kirche. Die Männer fürchten grosse Veränderungen.»
geboren am 27. August 1933 als Josefine – genannt Josy – Schmid aus Schüpfheim (LU)
In der Paramentenwerkstatt werden die Schnitte, Formen und Farben der für die Liturgie verwendeten Textilien kreiert und die Stoffe genäht. Schwester Fidelis leitete während Jahren diese klösterliche Werkstatt.
Wenn die schwedische Prinzessin eine neue Zahnspange trägt, wird in den Medien darüber berichtet. Wir Schwestern im Kloster bieten keine Schlagzeilen. Ob wir deshalb noch ein Stück weit sagenumwoben, geheimnisvoll sind?
Es war nicht a priori mein Wunsch, mein Leben öffentlich auszubreiten, es gedruckt und gelesen zu wissen. Aber ich finde, wenn wir als Gemeinschaft Ja sagen zu einem solchen Buchprojekt, dann bin ich dabei. Wir öffnen ein Türchen in eine unbekannte Welt, damit die Menschen draussen verstehen, warum wir so leben, wie wir leben.
So verstehe ich übrigens auch meine jährlich rund 130 Klosterführungen; seit fünfzig Jahren zeige ich Vereinsgruppen, Schulklassen und Geschäftsleuten unsere Anlage. Es geht nicht darum, uns Ordensfrauen dabei in den Vordergrund zu stellen. Wir bezeugen vielmehr, dass jemand für Gott da ist – freudvoll. Es ranken sich viele Vorurteile ums Klosterleben. Das kann ich gut verstehen. Die Leute fragen mich etwa, wie wir so leben können. «Sie sind bestimmt in einer grossen Familie aufgewachsen, da mussten ein oder zwei Kinder ins Kloster!», sagen sie. Nein, ich musste nicht. Das habe ich aus freien Stücken entschieden. Schon als neunjähriges Mädchen.
Ich hiess Josy Schmid und bin ein Sonntagskind. Auf die Welt kam ich am 27. August 1933 in Schüpfheim im Entlebuch. Meine Mutter emdete mit den Angestellten bis kurz vor der Niederkunft daheim auf dem Hof, denn Vater war mit den drei älteren Geschwistern auf der Alp. Sie gebar in elf Jahren neun Kinder. Sie und mein Vater hatten mit der grossen Familie einen aufwendigen, etwas komplizierten Bauernbetrieb zu meistern. Das prägte uns. In Schüpfheim bewirtschafteten sie einen kleinen Hof, daneben eine Pacht und dazu eine grosse Alp auf dem Sörenberg. Im Winter lebten wir im Tal, im Sommer auf der Alp. Das Alpleben war einzigartig – natürlich gabs viel Arbeit für uns alle. Wir sammelten Heidelbeeren, halfen beim Heuen, zettelten den Mist und jäteten im grossen Garten. Vater machte Alpbutter und Alpkäse, und es waren zweimal täglich rund vierzig Kühe zu melken. Am Familientisch assen wir zusammen mit der Hausangestellten und den drei Knechten natürlich Käse. Teigwaren mit Käse, Kartoffeln mit Käse. Und Gemüse aus dem eigenen Garten – währschafte, einfache Kost und wenig Fleisch. Wir hatten alles, was wir uns wünschten. Eine gute Grundlage fürs Leben.
Meine Kindheit war wunderschön, zu Hause herrschte ein offener und freier Geist. Es gab immer Leute um uns herum, Angestellte, Gäste und eine grosse Verwandtschaft, die zu Besuch kam. Den Kindergarten besuchte ich nicht. Wir wohnten in Schüpfheim, zwanzig Minuten vom Dorf entfernt, das war für die Kleinen zu weit. In die Schule musste ich dann aber, ob es mir passte oder nicht, zuerst zu Fuss, später mit dem Velo. Von Mai bis Oktober lebten wir oben auf der Alp und waren in den ersten fünf Schuljahren während dieser Monate vom Unterricht dispensiert. Im Herbst hatten wir vom Schulstoff meist viel vergessen. Die Lehrer drückten beide Augen zu. Dafür seien wir so frisch, war ihr Kommentar. Und bis Weihnachten holten wir dann alles wieder auf.
In meiner Freizeit war ich eher eine Stubenhockerin, nähte Puppenkleider, strickte und las, was mir in die Hände kam; auch jene Bücher, die meine Brüder in der Dorfbibliothek ausgeliehen hatten. Die Religion hatte einen ungezwungenen Platz in unserer Familie. Ich erlebte sie nie als aufgesetzt oder fordernd. Vater lebte einen tiefen Glauben, ohne viele Worte darüber zu verlieren. Wir beteten bei Tisch und jeden Abend den Rosenkranz. Das gehörte einfach dazu. Und so versprach ich dem Herrgott am Weissen Sonntag, an meiner ersten heiligen Kommunion, für später mein Leben. Natürlich sagte ich es niemandem und vergass es wieder.
Nach der Sekundarschule blieb ich zu Hause. Meine Eltern konnten mich überall gut brauchen. Später lernte ich einen Winter lang in Freiburg Französisch und arbeitete bei einer Tierarztfamilie in Luzern. Die Sommer verbrachte ich natürlich immer auf der Alp. An eine Berufslehre dachte ich nicht. Später bereute ich, nicht auf Mutter gehört