Im Fahr. Susann Bosshard-Kälin
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Dann hiess es plötzlich, ich müsse mit dem Frühlingskurs 1996 den Gartenunterricht an der Bäuerinnenschule übernehmen. Eine richtige Gärtnerinnenausbildung hatte ich nie gemacht. Ich war über die Jahre Schritt für Schritt und mit viel Praxis ins Metier hineingewachsen. Ohne Ausbildung als Lehrerin an der Bäuerinnenschule? Das hatte ich einfach anzunehmen. Gehorsam. Punkt. Priorin Irene war damals Leiterin der Schule und schickte mich als Vorbereitung für den Grundlagenunterricht im Winter in den Biogartenbaukurs an der Haushaltsschule in Wipkingen. Frau Verena Burghold, die Dozentin, war extrem hilfsbereit und versorgte mich mit viel Fachwissen. Von Beginn an liefs gut an der Bäuerinnenschule. Den Frauen wurde offen kommuniziert, ich würde als Einsteigerin zu ihnen kommen. Sie waren verständnisvoll und verziehen mir allfällige Patzer. Trotzdem war der Einstieg für mich damals hart. Ich erinnere mich gut, den Winterkurs 1996/97 besuchten 36 Frauen – es war eine Herausforderung, in drei Gruppen praktischen Unterricht im Treibhaus zu halten. Ich hatte ja null didaktische Erfahrung. Die besonnenen Frauen und die Hilfe von Schwester Gertrud, deren Posten ich übernommen hatte, machten mir Mut. Später durfte ich an der EB in Zürich eine Weiterbildung in Didaktik und Methodik besuchen.
Der Spagat zwischen Schule und Kloster machte mir hie und da zu schaffen. Das waren zwei Welten – unten die offene, mit vielen jungen Frauen, und oben die klausurierte, streng geregelte. Aber ich sehe es heute als grosses Plus, dass wir Schwestern diese Schule führten. Ich glaube, nicht zuletzt deshalb sind wir so weltoffen. Im Lauf von fast zwanzig Jahren durfte ich die Freude einiger Hundert Frauen für den Garten wecken. Ich hatte immer einen guten Draht zu den Schülerinnen – und noch heute kommen mich Ehemalige besuchen. Viele von ihnen sind begeisterte Gärtnerinnen. Ehrlich gesagt, es tat mir weh, als wir die Schule schliessen mussten.
Jede von uns ist ein Teil des Klosterpuzzles, steht an einem anderen Ort und gehört doch zur Gemeinschaft. Wir gehen gut miteinander um, respektvoll. Das ist entscheidend. Wir haben einander ja nicht ausgewählt. Und ich glaube, je älter wir werden, umso wichtiger ist der gegenseitige Respekt. Wir sind natürlich nicht immer gleicher Meinung. Aber wir dürfen unsere Meinung heute äussern. Früher mussten wir einfach nicken – man ging gebeugten Hauptes durchs Leben. Heute dürfen wir es sagen, wenn uns etwas bedrückt.
Ich kann mich gut anpassen und finde schnell Kontakt zu den Menschen. Ich bin eine aufgestellte Person, und wenn es mir gut geht, bin ich motiviert. Bei Stress, wenn es zum Beispiel mit meiner Arbeit nicht wie geplant läuft, kann ich aber schon mal explodieren. Ans Austreten dachte ich nie wirklich. Ich stellte den Entscheid fürs Fahr nie grundsätzlich infrage. Aber es gab Zeiten, in denen ich ungeduldig mit mir war. Doch wohin hätte ich gehen sollen? Möglichkeiten des Rückzugs im Kloster selbst gibt es wenige. Die Zelle als Einzelzimmer ist viel wert, und ich kann in den Garten gehen. Wenn ich früher aufgewühlt war oder Abstand brauchte, stieg ich in den Estrich hinauf, wo mich niemand hören konnte, und rief laut aus. Meine Explosivität ist vielleicht eine Schwäche. Es kann vorkommen, dass es in mir drin kocht und ich den Druck am falschen Ort ablasse. Ich spüre es, wenn ich nicht gut atme, dann bin ich überfordert oder übermüdet. Ich mute mir oft viel zu im Garten, und mit dem Älterwerden geht alles nicht mehr so schnell. Dann muss ich mich immer mal wieder disziplinieren und mehr Zeit für die Erholung einrechnen.
Zuletzt habe ich da noch einen Traum: Ich würde liebend gern ein zweites Mal nach Rom reisen. Vor drei Jahren durfte ich mit der ökumenischen Kirchgemeinde Engstringen in meinen Ferien in die Ewige Stadt fliegen – es war der erste Flug meines Lebens, ein unvergessliches Erlebnis, und eine wunderschöne Wallfahrts- und Kulturreise. Papst Franziskus in nur zehn Metern Distanz auf dem Petersplatz begegnen zu dürfen, das war ein besonderes Geschenk für mich. Ich fühle mich ihm sehr verbunden; wir haben am selben Tag Geburtstag!
Wir Schwestern stehen fast alle im Herbst unseres Lebens. Und manchmal mache ich mir schon Sorgen, wie es weitergehen soll bei uns. Auch mit Gottvertrauen ist es nicht so einfach. Wie werden wir die Zukunft bewältigen? Im Moment läuft alles – aber die Situation ist zerbrechlich. Wer wird einmal das Chorgebet übernehmen, das Kloster überhaupt? Wie steht es mit Nachwuchs? Den Ruf des Herrn hören nur wenige in dieser lauten Welt. Sollen wir uns mit der Arbeit stärker zurücknehmen und einen kontemplativen Ort im Kloster schaffen? Fragen über Fragen, die mich beschäftigen. Ich weiss, ich muss lernen, loszulassen und gelassener zu werden. Das ist leichter gesagt als getan. Es gibt ja so viel zu tun jeden Tag.
Eintritt ins Kloster Fahr: 17. November 1969
Einfache Profess: 12. August 1971
Feierliche Profess: 18. September 1974
Schwester Marie-Theres
«Alleinsein zu können, ist entscheidend. Wer viel Gesellschaft braucht, ist bei uns am falschen Platz.»
geboren am 21. Juli 1946 als Theresia Gabriele Koch aus St. Gallen (SG)
Im Refektorium wird der Tisch für das gemeinsame Mittagessen gedeckt (1. Bild). – Schwester Marie-Theres schleudert und füllt den Honig der rund dreissig Bienenvölker ab, die im Klosterinnenhof leben (2. Bild).
Ich bin am Schleudern. 2017 wird als Superjahr in die Klostergeschichte eingehen. Wir kommen nämlich auf 700 Kilogramm Honig. Und der muss sorgfältig von den Waben geschleudert werden. Im und rund ums Bienenhaus arbeite ich seit über 17 Jahren. Anfänglich assistierte ich Schwester Bernadette, die das Imkern von einer Mitschwester erlernt hatte. Heute ist Berta Müller, unsere langjährige Angestellte, der Bienenprofi. Sie stürzte sich kopfüber ins Metier, besuchte Kurse und bildete sich laufend weiter. Sechs Wochen bin ich jährlich für die Bienen auf der Piste. In den nächsten Tagen werden wir die letzten Hundert Kilogramm Honig schleudern. Dann setzen wir das Zuckerwasser für die kleinen Tierchen auf und reinigen alles gründlich. Für die Bienen beginnt ab August die Wintersaison. Was sie jetzt sammeln, lassen wir ihnen als eigenen Vorrat für die kargen Monate.
Fürs Stechen bedanke ich mich jeweils bei den Bienen – ihr Gift beugt Rheuma vor. Man darf natürlich nicht allergisch gegen Bienenstiche sein, sonst kannst du unter Umständen gleich den Schirm zumachen! Bei uns leben aktuell ungefähr dreissig Völker, und unser Honig ist im Klosterladen ein echter Verkaufsschlager.
Mein Leben sehe ich als halb volles Glas, nicht als halb leeres. Seit meiner starken Hörbehinderung und trotz meines gesundheitlichen Zusammenbruchs kann ich noch vieles machen. Ich musste lernen, nicht auf das hinzusteuern, was mir Mühe macht, sondern auf das, was noch gelingt. Mit Schwester Bernadette, die wie ich eine Hörbehinderung hat und zehn Jahre älter ist, verstehe ich mich sehr gut. Sie und ich wissen, dass man sich isoliert, wenn man nicht mehr gut hört; dass Lärm und Geräusche einen irritieren und krank machen. Wir stützen und unterstützen uns gegenseitig. Uns verbindet durch das gemeinsame Schicksal eine schöne Freundschaft. Wir haben einen ähnlichen Humor. Die Gemeinschaft toleriert unsere Freundschaft. Das ist nicht selbstverständlich, und ich schätze es sehr. Wir können beide leider nicht mehr an der → Rekreation teilnehmen. Es ist uns zu laut. Ich höre rechts nichts mehr, und im linken Ohr herrscht Hyperakusis – eine grosse Lärmempfindlichkeit, die auch Gleichgewichtsstörungen mit sich bringt. Mich mit einem Menschen unterhalten geht gut, aber nicht mit mehreren. Das ist Stress pur.
Eine Sklerose zerstörte 1977 in meinem Ohr Amboss, Steigbügel und einen dritten Knochen hinter dem Trommelfell; eine Operation und der Einsatz von künstlichen Gehörknochen wurden nötig. Und vor 13 Jahren, damals war ich 58, erkrankte