Im Fahr. Susann Bosshard-Kälin

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Im Fahr - Susann Bosshard-Kälin

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Kollegin einen Arbeitseinsatz in einem Kibbuz in Israel geplant. Die drei Monate bis Weihnachten 1969 waren ein grosses Erlebnis, und aus Begeisterung blieben wir zusätzliche drei Monate für einen Einsatz in einem Kinderspital in Nazareth.

      Am 4. November 1970 trat ich ins Kloster Fahr ein. Der Eintritt wäre schon für eine Woche früher angedacht gewesen, aber ich war an die Hochzeit meiner Freundin Lis eingeladen. Sie und Hanspeter wollten eigentlich im darauffolgenden Frühling heiraten, zogen die Feier aber meinetwegen vor. Nach dem Klostereintritt hätte ich nicht mehr rausgedurft. Es war ein traumhaftes Fest, und wir sind heute noch miteinander befreundet.

      Ein Ja ist ein Ja. Und das hat Folgen. Das war mir mit dem Entscheid für das Kloster bewusst. Die erste Zeit war eine harte Schule. Ich war eine selbstständige, selbstsichere Frau, und das Noviziat war eng und streng. Ich hatte mich in die Gemeinschaft einzufügen, durfte während der Ausbildung nicht mit den Konventschwestern sprechen. Doch ich sah es trotzdem nie als mühsamen Weg an. Die schwere Zeit würde vorübergehen, danach wäre ich freier.

      Zur Feldgruppe eingeteilt, arbeitete ich vor allem draussen, hatte jedoch jeden Tag Zeit zum Klavierspielen. Später kam noch das Orgelspiel dazu. Und bald begleitete ich jede → Laudes und Vesper und wurde umgehend kritisiert, wenn ich einen Fehler machte. Das war ein enormer Druck und führte dazu, dass ich den Erwartungen nicht mehr standhielt. Mit der Zeit verlor ich die Freude an der Musik. Solche Dinge erlebt man in Gemeinschaften. In den Siebzigerjahren hatte man im Fahr nicht die Zeit, auf die Psyche jeder einzelnen Schwester einzugehen.

      Die Bäuerinnenschule war damals ein Politikum im Kloster. Die einen, um Schwester Elisabeth, befürworteten sie. Andere hingegen, wie Schwester Raphaela oder Schwester Hedwig, wollten ein kontemplatives Kloster, geprägt von Innerlichkeit und Gebet. Die Aufgaben der Schule würden zu viele Kräfte des Klosters absorbieren, sagten sie. Dieser Konflikt flammte immer wieder auf, und wer nicht an der Schule war, konnte ihre positiven Impulse nicht verstehen. Dabei war ja der grösste Teil der Schwestern über die Schule ins Kloster gekommen! Ich selbst wurde für das Fach «Häusliche Krankenpflege» an die Schule delegiert – mir gefiel das Unterrichten sehr, aber ich spürte den Konflikt unter den Schwestern immer. Das änderte sich erst, als Schwester Raphaela im Jahr 1978 Priorin wurde und von Amtes wegen für die Schule einstehen musste.

      In einem Seminar mit Heilungsgebeten, Mitte der Achtzigerjahre, durfte ich erfahren, dass eine innere Heilung mit mir geschah. Explizit war sie nicht, aber sie ist mir geschehen, sie wurde mir geschenkt. Ich hatte von diesem Tag an keine Panik mehr an der Orgel. Wie so etwas geschehen kann? Ein Geschenk des Herrgotts!

      Meinen Platz in der Klostergemeinschaft vergleiche ich mit der Wurzel eines Baums, der wunderschöne Blätter und Früchte trägt. Man sieht den äusseren Reichtum, aber die Wurzeln nicht. Die sind trotzdem wichtig. Es ist mir recht und lieb, wenn ich im Hintergrund bin. Weitreichende Entscheidungen treffe ich nicht, ich führe aus, was mir aufgetragen wird. Ich hätte als Krankenschwester Karriere machen können, vielleicht wäre auch ein Mann in mein Leben getreten. Aber das war nicht meine Berufung. Wieso funkt es in der Liebe zu einem Partner? Man kann es mir nicht erklären. Und so kann ich es in meinem Fall auch nicht. Die Berufung ist ein Ruf und bleibt letztlich ein Geheimnis. Ich höre keine Stimme, aber es ist ein Eindruck, mehr Intuition als direkte Ansprache.

      Im Kloster leben heisst für mich, immer wieder Wege zurück in die Stille zu finden. Laufend aus ihr herausgerissen zu werden, ist mühsam. Deshalb schweigen wir den grössten Teil des Tages, damit wir in dieser Ruhe bleiben. Ob wir in der Kirche sind, beim Beten, beim Arbeiten oder beim Essen – alles geschieht schweigend. So lassen wir uns nicht hinaustreiben aus der Verbindung zu Gott. Wenn man hinter diese Klostermauern kommt, ist das ein Kampf, es braucht Training; es ist ein Hineinwachsen. Das kommt nicht von einem Tag auf den andern.

      Verzicht gehört zu dieser Form von Leben, und er ist für mich nicht negativ: Lege ich eine Frucht, die ich zwar möchte, weg, dann ist da eine Leere. Es gibt Platz für etwas Neues, das ich noch nicht kenne, das aber richtig ist.

      Mit Menschen von ausserhalb des Klosters habe ich wegen meiner Hörbehinderung nicht mehr so viel Kontakt. Das ist so. Früher war ich nahe am Geschehen, hatte viele Nöte kennengelernt, von den Alkoholikern daheim und den Menschen in der Psychiatrie. Heute bin ich indirekt mit der Welt verbunden – über die Verbindung mit dem Herrgott.

      Seit 47 Jahren lebe ich im Kloster Fahr, und in meinem Alltag hat sich wenig verändert in diesen Jahren. Auch meine Einstellung nicht. Ich mag Kontinuität, und ich liebe unseren Tagesrhythmus. Dazu haben wir heute mehr Freiheiten, zum Beispiel Ferien.

      Das Jetzt ist das Schönste. Die Vergangenheit prägte mich, die kann ich nicht mehr verändern. Aber die Gegenwart, die kann ich gestalten. Die Einsamkeit im Kloster ist keine Verlassenheit. Alleinsein zu können, ist entscheidend. Wer viel Gesellschaft braucht, ist bei uns am falschen Platz. Das Alleinsein ist heilsam und bringt mich näher zu Gott und ins Leben. Jeder Mensch hat einen inneren Raum und eine innere Welt, die sehr reich sind. Wenn man sich dessen bewusst ist und am Morgen nicht schon mit den aktuellsten Nachrichten aufsteht, sondern in eine Ruhe hinein aufwacht – vielleicht in eine Gottesbeziehung –, dann gibt das Kraft. So beginne ich den Tag ganz anders. Gott gibt jedem Menschen die Freiheit. Und ich kann keinen Menschen ändern. Auch wenn ich eine Mitschwester gerne anders hätte. Das bringt nichts. Ich muss es aushalten, das ist die harte Schule!

      Ich brauche viel Ruhe. Aber das Gespräch jetzt hat mich sehr entspannt. Es war bereichernd. Dass ich in diesem Buchprojekt überhaupt mitmache, hat verschiedene Gründe. Einerseits legen wir als Klostergemeinschaft Zeugnis ab über unser Leben. Und wir werden viel voneinander erfahren, das wir nicht wussten. Die Leute draussen werden sehen, wie wir leben und denken, dass wir Krisen kennen und Humor haben. Es ranken sich ja unendlich viele Vorurteile um unser Leben. Aber auch ein Klosterleben hat Pfeffer, oder nicht?

      Eintritt ins Kloster Fahr: 4. November 1970

      Einfache Profess: 14. August 1972

      Feierliche Profess: 20. August 1975

      «Keine eigenen Kinder zu haben, wog schwer.»

      geboren am 12. Januar 1946 als Rita Maria Wismer aus Aadorf (TG)

      Als Töpferin fertigte Schwester Matthäa Krippenfiguren und «Weihnachtstürme». – Die Stoffe für liturgische Textilien werden aus Seide, Wolle und Leinen auf Webstühlen im Atelier der Paramentenwerkstatt gewoben (nächstes Bild).

      Im August 2017 unternimmt die ganze Gemeinschaft zum Gedenkjahr von Bruder Klaus eine Pilgerreise nach Flüeli-Ranft. Es ist einer der seltenen Ausflüge der Klosterfrauen.

      Viermal im Jahr haben wir Schwestern die Möglichkeit, einen Wüstentag, wie wir sagen, einzuziehen. Letzte Woche war es bei mir so weit. Wir können ihn als persönlichen Einkehrtag gestalten. Es ruft keine Glocke zum gemeinsamen Gebet oder zu den Essenszeiten, und wir arbeiten nicht. Ich erwartete also einen verregneten Tag, an dem ich mich in die Klause zurückziehen und in Stille lesen und beten wollte. Aber die Sonne schien schon in der Früh. Und so zog es mich mit einem belegten Brot, zwei Fläschchen Holunderblütensirup und einem Buch übers Pilgern in die Natur ausserhalb der Klostermauern. Durch den Wald in Richtung Geroldswil kam ich

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