Im Fahr. Susann Bosshard-Kälin
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Die Kirchenrenovierung und der Einbau eines Lifts im Kloster erfolgten ebenfalls während meiner Amtszeit. Schwester Irene war damals Leiterin der Bäuerinnenschule und für mich eine wertvolle Stütze. Ich war dankbar, mit dem Schulbetrieb wenig zu tun zu haben. Grosse Erfolge konnte ich während meiner Amtszeit nicht vorweisen. Ich leitete die Gemeinschaft, so gut ich es konnte. Und ich spürte: Ich muss diese Aufgabe nicht allein tragen, die Gemeinschaft steht hinter mir, und Gott trägt mich. Natürlich sind Fehler geschehen, aber ich glaube, keine gravierenden.
Mit dem Einsiedler Abt kam ich gut aus. Er mischte sich in all den Jahren nie ein, beriet mich aber klug, wenn ich ihn fragte. In einer Abstimmung in den Siebzigerjahren hatten wir übrigens die Möglichkeit zu entscheiden, ob wir uns vom Kloster Einsiedeln trennen wollten. Das Resultat war ein Nein. Ich bin froh darüber. Wir sind doch seit Jahrhunderten mit Einsiedeln verbunden. Ohne den Rückhalt der dortigen Mönchsgemeinschaft über all die Zeit würden wir heute wohl kaum mehr existieren. Nach der Reformation und dann nach der Klosteraufhebung hätten wir ohne die Unterstützung Einsiedelns nicht neu anfangen können. Es galt allerdings immer wieder Wege zu finden, sich zu verstehen. Und als Fahrer Klostergemeinschaft ein Stück weit unabhängig zu bleiben.
Und heute: Es muss etwas geschehen in der katholischen Kirche. Die Männer fürchten grosse Veränderungen, die auch Unsicherheiten mit sich bringen würden. Der Vatikan ist das Problem – und seine verhärteten Strukturen. Sind in Rom weiterhin Leute, die man andernorts nicht brauchen kann, kommt kein Leben in einen Veränderungsprozess.
Das Thema der Frauen in der Kirche bewegt mich. Die Männer hocken auf ihren Privilegien. Einige sehen, dass man Lösungen finden muss, andere pochen – bewusst oder unbewusst – auf ihre vermeintlichen Rechte. Sie meinen, sie allein seien Kirche, und die Frauen dürften mitlaufen. Die Kirche würde anders aussehen, hätten Frauen gleich viel Macht und Möglichkeiten. Die Seelsorge, die Liturgie wären anders, die Mitmenschlichkeit auch. Die Männer denken, die Macht gehöre ihnen. Das war aber nicht immer so. In den ersten Jahrhunderten des Christentums hatten die Frauen durchaus ihren Platz. Man müsste zu den Wurzeln der Urkirche zurück. Waren nicht die Frauen bei Jesus am Kreuz, waren nicht sie die Ersten an seinem leeren Grab?
Seit 14 Jahren bin ich wieder Schwester Fidelis und nicht mehr die Mutter Priorin. Ich durfte mein Amt abgeben. Obwohl ich noch für sechs weitere Jahre gewählt war. Ich bat den damaligen Abt kurz vor meinem siebzigsten Geburtstag, zurücktreten zu dürfen. Er lehnte ab. Erst sein Nachfolger, Abt Martin Werlen, gewährte mir den Rücktritt glücklicherweise nach drei Jahren.
Am 6. Juni 2003 wurde Priorin Irene Gassmann zur neuen Priorin gewählt. Aber erst im September trat sie ihre neue Funktion an. Als Leiterin der Bäuerinnenschule wollte sie den laufenden Ausbildungsgang zu Ende begleiten. Das kam uns beiden zugute, hatten wir doch Zeit, die Amtsübergabe in Ruhe zu planen, zu besprechen und zu organisieren.
Ins Glied zurückzutreten, fiel mir nicht schwer. Im Gegenteil, es war sehr entlastend, die Verantwortung in andere, jüngere Hände abgeben zu dürfen. Natürlich ist es ein grosser Unterschied, ob jemand abgesetzt beziehungsweise nicht mehr gewählt wird oder ob man freiwillig abgeben darf. Seither halte ich mich bewusst zurück, mische mich fast nie ein. Ich schätze sehr, wie Priorin Irene unsere Gemeinschaft führt.
Ich weiss nicht, wohin wir als Gemeinschaft gehen werden. Aber wir haben nicht das Recht aufzuhören, zu resignieren. Auf keinen Fall. Aus der Tradition heraus haben wir eine Verpflichtung. Es ist bedeutend für die Stadt Zürich und das Limmattal, dass hier seit Jahrhunderten ein katholisches Kloster steht, wo Frauen leben, die an Gott glauben und die beten. Einen solchen Ort muss es auch in Zukunft geben. Das weiss der Herrgott. Wir renovieren doch nicht, damit wir ein Altersheim werden! Etwas wird passieren. Ich glaube, wir müssen das einfach gelassener sehen.
Eintritt ins Kloster Fahr: 20. Oktober 1957
Einfache Profess: 28. Juli 1959
Feierliche Profess: 27. August 1962
Schwester Beatrice
«Wer wird einmal das Kloster übernehmen? Den Ruf des Herrn hören nur wenige in dieser lauten Welt.»
geboren am 17. Dezember 1947 als Beatrix Agnes Beerli aus Steckborn (TG)
Das Klosterareal mit den grossen Gärten ist weitläufig. So ist Schwester Beatrice oft mit dem Fahrrad unterwegs. Sie sorgt für die kleine Schafherde.
Bei der Weinlese und im Klostergarten vor der Pforte. Hier hat sie die Schülerinnen der Bäuerinnenschule in Gartenpflege ausgebildet. Sie kennt sich hervorragend aus mit Heilkräutern, Gemüse und Blumen.
Der Garten ist mein Paradies. Da spüre ich Luft, Atem und Wind – Zeichen des Heiligen Geists. Der ist mir seit 48 Jahren ein wichtiger Begleiter im Klosterleben. Wo ist er, frage ich mich, wenn es stürmt und ich im Propsteigarten den Boden lockere?
Zusammen mit Schwester Christa bin ich für unsere Klostergärten verantwortlich. Schwester Christa besorgt die Blumen, ich vor allem das Gemüse. Wir sind beide siebzig, nicht mehr die Jüngsten. Glücklicherweise packt Schwester Monika mit an, und dazu immer wieder Frauen von aussen, die tage- oder auch wochenweise Praktika bei uns im Garten und in den Reben machen. Diese externe Hilfe ist grossartig. Dennoch plagt mich ab und zu der Gedanke: Wer übernimmt, wenn wir nicht mehr können? Unsere Gärten sind seit Jahrhunderten wichtiger Bestandteil des Klosters, sie haben auch schon Anerkennungspreise erhalten. Aber sie sind aufwendig zu pflegen. Ich überlege mir, was ich tun werde, wenn ich aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr im Garten sein kann. Im Haus wäre es mir vermutlich langweilig und in der Küche zu streng. Dann verscheuche ich diese pessimistischen Gedanken schnell wieder und erfreue mich am Jetzt. Der Garten ist Medizin für mich. Ich habe grosse Freiheiten, niemand sagt mir: Das darfst du oder das darfst du nicht. Hier kann ich arbeiten, beten und meditieren.
Ich bin jeden Tag draussen. Auch im Winter, wegen des Nüsslisalats im Tunnel und meiner neun Schafe. Nie hätte ich es mir erträumt, mal Schafe zu pflegen – als Klosterfrau! Wir brauchten «biologische Rasenmäher», da der Garten mit fünfzig Aren zu gross wurde. Wo früher Stangenbohnen, Zwiebeln und Kohl in grossen Mengen wuchsen, säten wir Wiese. Dort weiden nun seit 1998 Schafe. Mir wurden sie anvertraut. Heute habe ich eine kleine Herde. Sie sind meine Freundinnen. Wenn ich «Lump!» rufe, strecken alle neun Tiere ihren Kopf, kommen zu mir und wollen gestreichelt werden. Im Sommer leben sie im Freilaufstall im Garten. Wenn ich abends den Zaun kontrolliere, spazieren sie mit. Sie wissen, ich habe immer ein Stückchen Brot im Sack oder einen Apfel. Solange der Wolf nicht kommt, bin ich zufrieden. Im Winter sind meine Tiere im Klosterstall, neben den Kühen, Säuen und Kaninchen. Bei gutem Wetter dürfen sie auf die Wiesen rund ums Kloster. Tiere gehören einfach ins Fahr, und die kleinen und grossen Besucher haben grosse Freude an ihnen. Das höre ich immer wieder.
Mein Gartenjahr hat über 300 Tage. Im Dezember und Januar ists etwas ruhiger, dann habe ich Zeit für die Sommerplanung und Samenbestellungen. Aber ab Februar geht es im Treibhaus schon wieder los mit Aussäen und Setzen. Dabei richte ich mich nach den Mondphasen, und selbstverständlich kombiniere ich nützliche Mikroorganismen. Wir gärtnern biologisch und in Mischkulturen. Die Beeren, Salate, Gemüse und auch die Kräuter