Die wechselseitige Rezeption zwischen Ortskirche und Universalkirche. Группа авторов

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Die wechselseitige Rezeption zwischen Ortskirche und Universalkirche - Группа авторов Erfurter Theologische Schriften

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aus Annahme, nicht umgekehrt!

      Meine Erinnerung an eine vom Konzil inspirierte Pastoral ist unmerklich in die Betrachtung der Gegenwart eingetaucht. Aber so muss es wohl auch sein. Ich möchte noch einmal meine theologische und pastorale Grundeinstellung zum Ausdruck bringen, von der ich meine, dass ich sie nicht zuletzt dem Konzil verdanke. Die Kirche hat keinen Selbstzweck. Sie hat eine universelle Sendung. Sie soll und will Instrument des Heils für alle sein und so dem Plan Gottes dienen, allen Generationen das Angebot seiner Freundschaft, seiner Nähe zu machen. So darf die Kirche das Vertrauen haben, dass auch im Wandel der Zeiten der Herr mit ihr geht. Vermutlich ist sogar der uns so herausfordernde und pastoral bedrängende kulturelle Wandel eine Hilfe des Himmels, immer neu auf die Mitte des Evangeliums aufmerksam zu machen. So ist es auch gut, auch für unsere Kirche und ihr Leben, dass die politische „Wende“ gekommen ist. Ich ermuntere die Priester und Mitarbeiter in der Pastoral, die gewandelten Verhältnisse auch innerlich anzunehmen, auch wenn diese Verhältnisse uns mancherlei neue Probleme bescheren. Aber die Freiheit ist immer besser als Zwang, besser als der sublime Druck, mit dem uns das alte System früher „geholfen“ hat, die Gemeinden beisammenzuhalten. Eines ist freilich erforderlich: Wir müssen Profil zeigen. Wir müssen uns am Evangelium messen. Wir müssen uns auf unseren eigentlichen Auftrag besinnen. Und das ist vermutlich ganz im Sinne der Heilspläne Gottes.

       Kirche und Diaspora. Die Katholische Kirche in der DDR und das Zweite Vatikanische Konzil 18

       Josef Pilvousek

      Die Brisanz des zu behandelnden Themas scheint mir sowohl durch die politischen und kirchlichen Entwicklungen Ende der 50er bis Mitte der 60er Jahre als auch durch die doppelte Diasporasituation (konfessionelle und gesellschaftliche) der Kirche in der DDR gegeben zu sein. Seit 1958 hatte der in Westberlin lebende Kardinal Döpfner keine Einreise mehr in die DDR erhalten. In Dr. Alfred Bengsch19 bekam er 1959 einen in Ostberlin ansässigen Weihbischof. Am 3. Juli 1961 wurde Döpfner Erzbischof von München. Die drei Jahre waren durch mannigfaltige staatliche Aktivitäten gekennzeichnet, die eine Spaltung der katholischen Kirche in der DDR und in Berlin zum Ziel hatten und deren „Gleichschaltung“ beabsichtigten. Am 13. August 1961 wurde mit dem Bau der Mauer die völlige Abriegelung der DDR begonnen. Für die Kirche bedeutete dies die Gefahr der Isolation. Wie würde sich der Staat gegenüber einer Teilnahme ostdeutscher Ordinarien am Konzil verhalten, das man bereits einen Monat nach seiner Ankündigung am 9. Februar 1959 als Plattform gegen „das sozialistische Weltsystem“20 bezeichnet hatte. Würde der Staat Reisegenehmigungen erteilen und womöglich Gegenleistungen erwarten? Durfte man damit rechnen, dass Beschlüsse des Konzils publiziert werden konnten? Welche Rezeptionsprozesse waren in einem „sozialistischen“ Staat möglich?

      Die folgenden Ausführungen werden keine systematische Darstellung des Konzils und seiner Bedeutung für die DDR oder eine Gesamtgeschichte dieser Thematik sein können. Die Quellenlage ist äußerst kompliziert21; manche Archivalien werden erst in einigen Jahrzehnten zugänglich sein. Darüber hinaus legten die Teilnehmer aus der DDR, um die Mitarbeit am Konzilsgeschehen nicht zu gefährden, wenig Wert darauf, alle Einzelheiten für die Öffentlichkeit zu dokumentieren. Auch eine theologiegeschichtliche Gesamtdarstellung ist, trotz einiger wichtiger Vorarbeiten, noch nicht möglich. Dennoch erlaubt eine Zusammenschau aller bisher zugänglichen Quellen einen fragmentarischen Überblick. In meiner Darstellung wird es mir vor allem darum gehen, das Zweite Vatikanische Konzil historisch mit den Besonderheiten einer Kirche eines Ostblockstaates marginal zu erhellen. Dazu gehört auch über den Rahmen kirchenpolitischer und theologischer Erörterungen hinaus, Teilnehmer, ihre Funktionen und, soweit wie möglich, ihre Aufgaben darzustellen.

       1. Vorbereitung und kirchenpolitischer Rahmen

      Am 25. Januar 1959 hatte Papst Johannes XXIII. ein neues Ökumenisches Konzil angekündigt. Mit Datum vom 29. Juni 1959 ausgestellt, war allen „Ostordinarien“ der Brief Kardinal Tardinis an die zukünftigen Konzilsväter zwecks Erforschung der eventuell zu behandelnden Themen zugegangen.22 Diverse Manuskripte in den Handakten der Bischöfe, wie das von Karl-Heinz Schmidthüs „Auf dem Weg zum Konzil – Was dürfen wir erwarten?“23, lassen den Schluss zu, dass man sich anfangs vorwiegend aus zweiter Hand über die Konzilsvorbereitungen informierte und orientierte.

      Auf der Ordinarienkonferenz am 12.-13. Juli 1960 scheint erstmals das Thema Konzil ausführlich erörtert worden zu sein. Kardinal Döpfner, Vorsitzender der Berliner Ordinarienkonferenz (BOK), erklärte: „In diesem Kreis brauche ich nicht ins einzelne zu gehen. Es muß nicht näher erläutert werden, daß das kommende Konzil kein Unions-Konzil im eigentlichen Sinn sein wird, aber nach vielfältigen Hinweisen des Heiligen Vaters (und auch in der Erwartung des katholischen Volkes der ganzen Christenheit) soll das Konzil ausdrücklich beitragen zur Wiedervereinigung der Christenheit in der katholischen Kirche. Die sehr weit gespannte und wenig detaillierte Zielsetzung des Konzils in der ersten Enzyklika des Papstes 'Ad Petri cathedram' (29.6.1959) ist Ihnen bekannt: 'Das Hauptziel des Konzils besteht darin, die Entwicklung des katholischen Glaubens zu fördern, das christliche Leben der Gläubigen zu erneuern und die kirchliche Disziplin den Bedingungen unserer Zeit anzupassen'. Das letzte Motu proprio 'Superno Dei nutu' (5.6.1960) wiederholt diesen Satz und sagt nichts Neues aus. Als bezeichnend für dieses Konzil darf wohl ausgesprochen werden, daß im Gegensatz zu den Konzilien der Vergangenheit nicht eine bestimmte Irrlehre, eine bestimmte Gruppe von Mißständen als Anlaß für dieses Konzil genannt werden. Vielleicht darf man so sagen, daß gerade unser Heiliger Vater das Konzil, das doch eine Funktion des magisterium extraordinarium ist, stärker als eine normale Darstellung der kollegialen Struktur der kirchlichen Hierarchie sieht.“24

      So gilt es zunächst festzuhalten, dass man in der katholischen Kirche der DDR über die Vorbereitungen zum Konzil informiert war und römische Dokumente sowie theologische Kommentare interessiert zur Kenntnis genommen hatte. Aber erst seit Mitte des Jahres 1960 scheint man sich auf der Ordinarienkonferenz mit den möglichen Konsequenzen für die Kirche in der DDR beschäftigt zu haben. „Für uns als Bischöfe der Kirche in atheistischer Umwelt in der Diaspora ergeben sich im Zusammenhang mit dem Konzil einige wichtige Fragen“, formulierte Döpfner und nannte vier Problemfelder:

      „1. Wie versteht sich das Konzil in der heutigen Auseinandersetzung zwischen Kommunismus und der Kirche (zwischen Kommunismus und Religion, zwischen Kommunismus und der freien Welt)? Sicherlich wird das Konzil vom Kommunismus als Politikum erster Ordnung gewertet und eingeordnet in die augenblicklich so starke Ideologie des politischen Klerikalismus. Gewiß werden einige Nuancierungen, um nicht zu sagen Auseinandersetzungen, in der Auffassung des Konzils unvermeidlich sein. Wir sind wohl einhellig der Meinung, das Konzil sollte jede betont antikommunistische Spitze vermeiden.

      2. Welche Themen werden behandelt? Werden die für uns so wichtigen anthropologischen Fragen behandelt? Erfolgt eine ausdrückliche Verurteilung des Kommunismus?

      3. Wird das Konzil hinausgehend über die unerläßliche klärende Funktion für die Katholiken, seine rufende Funktion hinein in die nichtkatholische Christenheit, ja in die nichtchristliche, sogar ungläubige Menschheit wahrnehmen?

      4. Werden Bischöfe des kommunistischen Machtbereiches am Konzil teilnehmen können? Sicherlich wird diese Frage bis zur letzten Stunde offengehalten werden und man wird ähnliche Versuche einer Einflußnahme machen wie eben jetzt im Hinblick auf den Eucharistischen Weltkongress in München.”25

      In den folgenden sechs Jahren sollte sich zeigen, dass die als Fragen formulierten Problemfelder tatsächlich für die Kirche in der DDR, die Konzilsteilnehmer und schließlich die Rezeption des Konzils bedeutsam wurden. Noch gab es nicht die Berliner Mauer und in ihrer Folge undurchlässige Grenzen, noch war nicht absehbar, dass Kardinal Döpfner Erzbischof von München und sein

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