Bilderwechsel. Группа авторов

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Bilderwechsel - Группа авторов Fuldaer Hochschulschriften

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viele ländliche Räume, etwa in Westfalen, in manchen Statistiken gar nicht mehr als ländlicher Raum, sondern als urbanisierter Raum bezeichnet werden; oder dass Präsidenten von Städtetagen den ländlichen Raum generell als „gedankliches Kunstprodukt“ bezeichnen. Gegen solche Angriffe auf den ländlichen Raum richten sich Teile meiner Aktivitäten.2 Den ländlichen Raum verteidigen muss ich heute vor diesem Gremium Gott sei Dank nicht. Ich muss auch nicht auf die neuen Lieblingswörter der Raumordnung wie „Monopolregionen“ oder „Wüstungen“, d. h. entvölkerte Dörfer, eingehen.

      Stärken und Schwächen – so lautet mein Thema − unterliegen starkem Wandel, dies gilt für alle sozialen und ökonomischen Gesellschaften. Was vor Jahren oder Jahrzehnten Gewicht hatte, spielt heute vielfach keine Rolle mehr. Was in 20 oder 30 Jahren eine besondere Stärke oder Schwäche sein wird, wissen wir nicht. In den meisten ländlichen Regionen Deutschlands hat es in den letzten Jahrzehnten starke inhaltliche und regionale Gewichtsverlagerungen gegeben. Diese sehr unterschiedlichen Wachstumsund Stagnationsphasen kann man mit geübtem Auge den Ortsbildern ablesen.

      Nehmen wir zwei Beispiele aus dem Paderborner Land: Das Dorf Asseln hat seit über 150 Jahren seine Einwohnerzahl von etwa 400 Einwohnern praktisch nicht verändert. Das Dorf Scharmede ist von 1850 bis heute von etwa 350 auf fast 3000 Einwohner angestiegen; die Rahmenbedingungen oder auch die inneren Kräfte des Dorfes haben sich offenbar rapide verändert.

      Die Stärke und Lebendigkeit eines Dorfes liegen oft im Verborgenen. Sie erschließen sich – zumal für den Außenstehenden – in der Regel nicht durch kurze Besuche oder statistische Einordnungen. Auch Wissenschaftler tun sich bisweilen schwer, hinter die Fassaden eines Dorfes zu gelangen und dessen Potentiale und Schwächen zu erkennen. Wer aber wirklich genauer und länger hinschaut, wird überrascht sein von der ökonomischen, sozialen und kulturellen Vitalität und Komplexität des Landlebens. Allerdings gibt es erstaunliche und überraschende Unterschiede von Dorf zu Dorf, von Dorfregion zu Dorfregion. Während viele Dörfer vor Kraft und Lebendigkeit förmlich sprühen, erscheinen andere – oft Nachbardörfer – wie gelähmt. Welche inneren und äußeren Kräfte sind es, die Dörfer stark und lebendig machen – oder in Lethargie verharren lassen, wenn sie fehlen? Die folgenden Ausführungen bilanzieren die gegenwärtigen Stärken und Schwächen unserer Dörfer in stark generalisierter Form und versuchen, daraus ein knappes Handlungsprogramm für die Zukunft abzuleiten.

      2. Bilanz der gegenwärtigen Stärken und Schwächen unserer Dörfer und Kleinstädte

      2.1 Stärken unserer Dörfer und Kleinstädte

      a) Naturnähe

      Das Dorf wird zunächst einmal geprägt durch seine Naturnähe. In Feld, Wald und Garten bietet das Dorf eine unmittelbare Chance der Erholung, Entspannung, Freizeitnutzung und körperlichen Betätigung. Dass der dörfliche Garten zu einem Kernbestand des dörflichen Lebens gehört, der von Jung und Alt gleichermaßen geschätzt wird, wird zunehmend auch von den verschiedenen Wissenschaften erkannt und erforscht. Die Naturnähe wird in Umfragen immer wieder als eine der wichtigsten Vorzüge des Landlebens herausgestellt. Nicht nur für die Bewohner des Landes ist die Naturnähe wichtig, sondern für den Staat insgesamt als Freizeit- und Ökologie-Ressource für alle.

      b) Ökonomischer Bestand

      Viele ländliche Regionen haben in den letzten zehn Jahren, was die Wirtschaft und den Arbeitsmarkt angeht, eine über dem jeweiligen Landesdurchschnitt liegende Entwicklung genommen. Der ländliche Raum verfügt häufig über eine robustere Wirtschaftsstruktur, was auf die hier besonders vorherrschenden, flexibel agierenden mittelständischen Betriebe zurückgeführt wird. Auch die Arbeitslosenquote ist überwiegend niedriger als im Landes- bzw. Bundesdurchschnitt. In den Dörfern und Kleinstädten haben wir einen relativ hohen ökonomischen Standard bzw. Wohlstand, der aber nicht unbedingt aus allen Statistiken (wie z. B. Kaufkraft, Einkommen) ablesbar ist. So haben wir im ländlichen Raum eine sehr hohe Eigenheimquote (ca. 80 Prozent), die mehr als doppelt so hoch wie in den Großstädten liegt. Ein Plus der ländlichen Räume sind auch seine zuverlässigen und motivierten Arbeitskräfte, wie mir vor Jahren ein Arbeitsamtsdirektor einer ländlichen Region versicherte.

      Insgesamt hängt die wirtschaftliche Prosperität ländlicher Räume nicht mehr entscheidend von der Entwicklung des primären Sektors ab, also von der Land- und Forstwirtschaft, sondern in erster Linie von der gewerblichen Produktion, die vor allem im Mittelstand angesiedelt ist, der inzwischen auch auf der internationalen Bühne agiert. Dies gilt z. B. für große Teile Ostwestfalens oder des Sauerlandes. Neben den Betrieben mit ihren Arbeitsplätzen tragen auch informelles Wirtschaften und soziales Kapital wesentlich zum Wohlstand in den Dörfern bei. Dies haben drei Soziologinnen der Universität Bielefeld in dreijährigen Recherchen in zwei Dörfern der Warburger Börde recherchiert. Nachbarschaftshilfe, Haus- und Gartenarbeit sowie die vielfältigen Gemeinwohlleistungen der Vereine machen das Dorf ökonomisch und sozial attraktiv (siehe Abb. 1 auf der folgenden Seite).

      c) Dichte der sozialen Beziehungen, Bereitschaft zu bürgerschaftlichem Engagement

      Die hohe Dichte der sozialen Beziehungen im Dorf wird immer wieder recherchiert und zitiert. Das System der engen und vielfältigen sozialen Netze hat sogar Eingang gefunden in die modernen Dorfdefinitionen, nachdem das alte prägende Merkmal, die Dominanz der landwirtschaftlichen Funktionen, weggefallen ist.

      Neben der Dichte der sozialen Beziehungen ist die hohe Bereitschaft zu ehrenamtlichem bzw. bürgerschaftlichem Engagement besonders dorftypisch. Fast jeder erwachsene Dorfbewohner könnte eine paar ehrenamtliche Tätigkeiten aufzählen, die er oder seine Familie oder Nachbarschaft in seinem Heimatdorf leistet. Immer wieder zu Recht hervorgehoben werden die hohe Vereinsdichte auf dem Lande und die hohe Vereinszugehörigkeit pro Einwohner. Vereine und Ehrenämter tragen und prägen das Dorf.

       Abb. 1: Komplexe Ökonomie des Dorfes Körbecke (Quelle: Baier, A., Bennholdt-Thomsen, V. und B. Holzer: Ohne Menschen keine Wirtschaft. Oekom, München 2005. S. 200)

      d) Infrastrukturausstattung

      Trotz erheblicher Infrastrukturverluste in den zurückliegenden Jahrzehnten, z. B. in den Bereichen Schule, Post, Bürgermeisteramt, Polizeiposten, Gasthöfe und Dorfläden, ist die Infrastrukturausstattung generell auf einem hohen Stand. Dies gilt vor allem für die sogenannte technische Infrastruktur wie Wasser-, Abwasser- und Energieversorgung. Darüber hinaus weisen besonders die Sport- und Freizeiteinrichtungen wie Sport- und Spielplätze, Sporthallen, Tennisplätze und Sportheime sowie Kultureinrichtungen wie Begegnungsstätten, Dorfgemeinschaftshäuser, Heimatstuben, Feste und Brauchtumspflege einen hohen Standard auf. Auch das Angebot an weiterführenden Schulen sowie dem ÖPNV hat sich in den letzten Jahrzehnten verbessert (siehe Abb. 2 auf folgender Seite).

      e) Demographischer Aufbau

      Der demographische Aufbau unseres Staates ist schon länger keine Pyramide mehr, die unten durch Geburtenzuwächse immer breiter wird. Dies gilt auch für ländliche Regionen. Nur ist hier die nachwachsende Schicht immer noch deutlich breiter als in Großstädten. Wir haben auf dem Lande immer noch Geburtenüberschüsse, d. h. auch eine deutlich höhere Geburtenrate als in den Großstädten. Die Dichte der verwandt- und nachbarschaftlichen Beziehungen fördert nach Ansicht der Soziologen die Geburtenquote. Dass auch auf dem Lande die Geburtenraten seit Jahren zurückgehen, darf jedoch nicht verschwiegen werden. Der relativ hohe Bestand an Kindern und Jugendlichen im ländlichen Raum ist allerdings ein fragiles Gut: Nach ihrer in der Regel guten Berufs-, Schul- und Hochschulausbildung

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