evaluiert (E-Book). Lars Balzer

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evaluiert (E-Book) - Lars Balzer

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Bewährung aufweisen und dass der Prozess der Gewinnung, Auswertung und Interpretation aller Informationen methodisch abgesichert und mit begleitender Qualitätskontrolle abläuft. Jede falsche Schlussfolgerung im Verwertungskontext, die wegen fehlerhafter […] Daten gezogen wird, hat Konsequenzen für einen nicht absehbaren Kreis von Betroffenen» (Kromrey, 2003, S.98).

      Wenn also grundlegende Skepsis, Misstrauen gegenüber jedem sicheren Befund sowie ständiges und wiederholendes Infragestellen einer Vorannahme hohe Tugenden der Grundlagenforschenden sind (gegen die allerdings nicht selten in unethischer Weise verstoßen wird), würde eine solche Haltung – zumindest, wenn in übertriebenem Maße praktiziert – die Akzeptanz und das wirtschaftliche Überleben eines Evaluationsbüros gefährden. Hier deutet sich ein erstes der vielen Dilemmata an, mit denen in Evaluationen umgegangen werden muss.

      Für die angemessene Planung und Durchführung einer Untersuchung ist es unverzichtbar, eine klare Priorität auf Forschung oder Evaluation zu setzen: «Eine (unklare) Mischung schadet zumeist in beide Richtungen» (Reischmann, 2006, S.30).

      Auf wessen Initiative – autonom oder beauftragt?

      Der Weg zu Fragestellungen ist bei Evaluation und Forschung oft sehr unterschiedlich: In der Forschung bestimmen – zumindest vom Ideal her – die Forschenden die Fragestellungen und die wissenschaftlichen Hypothesen. Auf der Suche nach Erkenntnis sollen sie allein sich selbst und den Ansprüchen ihrer Disziplin gegenüber verantwortlich sein. In der Ausrichtung von Forschungsthemen sind sie dabei nicht selten intuitiv, durch biografische oder zeitgeschichtliche Besonderheiten geleitet. Friedrichs (1973, S.50–55) nennt dies in seiner, für die sozial- und erziehungswissenschaftliche Forschung prägenden Dreigliederung den «Entdeckungszusammenhang». Diesem widmen die Forschenden relativ wenig Aufmerksamkeit, ebenso wie dem «Verwertungszusammenhang». Für sie zentral ist hingegen der «Begründungszusammenhang» mit seinen Theorien, Hypothesen, Begriffen und dem gesamten forschungsmethodischen Inventar. Was in der Forschung eine nebensächliche Aufgabe ist – die genaue Festlegung des Evaluationsgegenstandes (Kapitel 4) inklusive der Fragestellungen –, ist in der Evaluation die erste Kernleistung, für die genügend Ressourcen zur Verfügung stehen müssen.

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       ➞ Lösung auf Seite 228

Übungsaufgabe 2:
«Risiken pragmatischer Evaluationen»Lösen Sie nun die Übungsaufgabe 2:
a) Notieren Sie Gefahren und Risiken, wenn Sie sich – z.B. wegen Zeitknappheit – von wissenschaftlichen Anforderungen an Evaluation lösen und auf «Evaluationen» ausweichen, die allein pragmatischen Überlegungen folgen.b) Machen Sie einige Stichworte dazu, wie Sie sich – in Ihrer aktuellen oder künftigen Arbeitssituation – gegen solche Risiken schützen können.

      Bedeutung des Kontextes

      Bei Evaluationen läuft es oft anders ab: Sie sind zumeist Auftragsarbeiten, und ihre Zwecke und Fragestellungen sind zumindest grob vorgegeben. Sie werden nicht durch die Evaluierenden in eigener Regie nach ihrer Neugier und Kreativität konzipiert, sondern in enger Abstimmung mit den Auftraggebenden und weiteren Beteiligten aus dem Bereich des Evaluationsgegenstandes. Evaluationsvorhaben finden in einem kontrollierten Rahmen als Auftrag von Entscheidungsträgerinnen und -trägern statt und sind oft in politische Settings eingebunden. Mertens hebt als Besonderheit von Evaluation hervor, dass in ihr Politik und Wissenschaft von Natur aus miteinander verflochten seien. Evaluationen werden zur Bestimmung der Güte und Tauglichkeit öffentlicher Programme durchgeführt, die wiederum selbst Antworten auf – durch politische Entscheidungen bevorzugte – individuelle und gemeinschaftliche Bedürfnisse sind: «what distinguishes evaluation from other forms of social inquiry is its political inherency; that is, in evaluation, politics and science are inherently intertwined. Evaluations are conducted on the merit or worth of programs in the public domain, which are themselves responses to prioritized individual and community needs that resulted from political decisions» (Mertens, 2015, S. 52, auf Basis von Greene, 2000). Auch die nachfolgend geschilderte Möglichkeit, eine Vielzahl an Perspektiven auf den Evaluationsgegenstand einzunehmen, indem man Beteiligte und Betroffene einbezieht, kann der Vereinseitigung einer Evaluation vorbeugen, deren Vermeidung aber nicht garantieren.

      Aktive Stakeholder als Partner

      Beteiligte und Betroffene – Stakeholder – im Bildungsbereich sind z.B. Bildungsverantwortliche, Kursleitende, Bildungsteilnehmende und ihre Angehörigen/Vorgesetzten. Ihnen soll ein hoher Einfluss auf die Gegenstandsbestimmung und Themenfindung in der Evaluation eingeräumt werden. Im Vergleich zu deren Informationsinteressen spielen diejenigen der Evaluierenden keine oder höchstens eine untergeordnete Rolle.

      Wie verwenden? – Nutzung der Evaluationsergebnisse

      Bereits in der ersten Evaluationsphase wird in den Blick genommen, wer wann was konkret mit den erzeugten Evaluationsergebnissen tun soll – Pattons vorgesehener Evaluationsnutzen für vorgesehene Nutzende: «intended use for intended users» (2008, S.59). Die Ergebnisverwendung wird vorbereitet und eingeleitet in Abstimmung zwischen Evaluierenden, Auftraggebenden und Akteuren aus dem pädagogischen Feld.

      Die darauffolgende Phase der Evaluation ist die Domäne der Evaluationsspezialistinnen und -spezialisten. Hier erfolgen die Auswahl der passenden Erhebungs- und Auswertungsmethoden, die Entwicklung und der Einsatz von empirischen Datenerhebungsinstrumenten, die Anwendung qualitativer und quantitativer Auswertungstechniken etc. Allerdings handeln die Evaluierenden auch hier nicht abgeschottet und isoliert von den Beteiligten und Betroffenen. Gelingende Nutzung von Evaluationsergebnissen setzt voraus, dass die Datengebenden und späteren Ergebnisnutzenden zumindest in groben Zügen verstehen, wie die Daten entstehen, und dass Transparenz und Nachvollziehbarkeit geschaffen werden.

      Wertfreiheit versus Bewerten als zentrale Aufgabe

      Was zunächst unproblematisch scheint, erweist sich in der Konfrontation mit dem klassischen Verständnis von Forschung, wie es in der verbreiteten analytisch-nomologischen Wissenschaftstheorie vorliegt, als höchst problematisch: Hier beschränkt sich das «Wissenschaftliche» auf den Begründungszusammenhang, also auf Theorie und daran anschließende Empirie. Werturteile sind in diesem Verständnis aus dem Kern des Forschungsprozesses fernzuhalten. Letzterer verläuft objektiviert, ganz unabhängig von Vorlieben, Interessen sowie sozialen oder moralischen Überzeugungen der Forschenden und weiterer Mitglieder des Forschungsfeldes. Werte spielen nur im Entstehungskontext – also: «Was wird geforscht und welche Forschung wird gefördert?» – und dem Verwertungskontext – «Wer macht mit Ergebnissen von Forschung was?» – eine Rolle. Für deren Behandlung hält Forschung keine systematischen Verfahren bereit, sie gelten im Forschungsprozess als unberührbar, bleiben folglich dem Spiel politisch-gesellschaftlicher Kräfte überlassen und werden dem Bereich wissenschaftsethischer Reflexion zugewiesen.

      Wenn Evaluation darauf abzielt, Gegenstände der sozialen Realität zu bewerten (also sie als mehr oder weniger «gut» einzustufen), hierfür – bereits in der Phase der Gegenstandsbestimmung (Entstehungszusammenhang) – Kriterien festzulegen (z.B. Bildungsziele, Bildungsbedarfe, vermiedene unerwünschte Nebenfolgen, Kosten-Nutzen-Relationen, Gerechtigkeit bzw. eine Kombination aus diesen Kriterien) und im Verwertungszusammenhang dazu beizutragen, dass die erzeugten Evaluationsergebnisse in Richtung der zugrunde liegenden Werte genutzt werden, verstößt sie damit nicht diametral gegen Grundüberzeugungen wissenschaftlicher Forschung (vgl. ausführlich Kromrey, 2007a)?

      Keine Evaluation ohne Bewertung!

      Es zeigt sich ein weiterer Grundkonflikt: Evaluation will, soll und muss bewerten (sonst ist sie keine Evaluation). Sie

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