evaluiert (E-Book). Lars Balzer

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evaluiert (E-Book) - Lars Balzer

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Befragungsroutinen spricht sich Döring (2005) im Bereich der Lehrevaluation aus, und Frey (2007b, 2008) greift die Krankheitsmetapher auf, indem er insbesondere der Wissenschaft die Diagnose «Evaluitis» für Evaluation als sich epidemisch ausbreitende, neue Krankheit stellt – dieser Begriff ist seitdem immer wieder in der Literatur anzutreffen (z. B. Burzan & Jahnke, 2010; Hornbostel, 2016; Munske, 2014; Niggli, 2011). Es werden auch Warnungen ausgesprochen: «Vorsicht vor Evaluationismus!» (Kappler, 2010). Oder ist es gar so, dass wir uns zu Tode evaluieren, wie Preußler (2008) fragt – oder dass ein «Evaluationsnotstand» herrscht (Niedermair, 2012, S.8)?

      Für einen differenzierten Umgang mit diesem vermeintlichen Unwort ist es notwendig, einige Definitionen vorzustellen und eine Arbeitsdefinition für dieses Buch zu formulieren.

      Wortstamm

      Auf der Suche nach einer adäquaten Definition gibt der Wortstamm einen ersten Hinweis. Auch wenn eine unmittelbare Herleitung aus dem Lateinischen nicht angebracht ist (entgegen der weitverbreiteten Meinung existiert das Wort «evaluare» im Lateinischen nicht), legt das Lateinlexikon erste Spuren. Wurzeln finden sich nämlich im lateinischen Wort «valor», das im Deutschen so viel bedeutet wie «bei Kräften sein», «wert sein» oder «gültig sein». Man beachte hierbei die eindeutig positive Konnotation.

      Den etymologischen Herleitungen des Begriffes von Karbach (1998) folgend, entwickelte sich daraus zunächst das französische «valoir», woraus die Substantivierung «valeur» (im Sinne vom «prix», also auch Wert) entstand. Daraus wurde wiederum das Verb «évaluer» abgeleitet und von diesem das Substantiv «évaluation» («Schätzung», «Ermittlung» oder «Wertbestimmung») gebildet.

      Die daraus hervorgegangenen englischen Wörter «evaluate» («bewerten») sowie «evaluation» («Einschätzung», «Auswertung») bilden die Grundlage für die heute im Deutschen gebräuchliche Form des Begriffes.

      Eine erste, vom Wortstamm ausgehende Umschreibung von Evaluation lautet also:

       «Bestimmung des Wertes einer Sache»

      (Bedeutung nach Wortstamm).

      Folgt man dieser Bestimmung, so ist Evaluation – zumindest im französischen oder angelsächsischen Sprachraum – eine Bezeichnung für alltägliches menschliches Handeln. Denkend oder sprechend wird auf Basis eines Sinneseindruckes, z.B. des Blicks aus dem Fenster oder der herausgehaltenen Hand, ein Urteil – hier: über das Wetter – abgegeben. Es handelt sich um eine einfache Alltagsbewertung. Obwohl es sich auch in der deutschen Alltagssprache – z.B. in Tageszeitungen, Fernsehinterviews oder Talkrunden – seit einigen Jahren zu etablieren begonnen hat, solche subjektiven Ad-hoc-Bewertungen als «Evaluationen» zu bezeichnen, wird an dieser Stelle dafür plädiert, «Evaluation» und «evaluieren» für das wissenschaftlich abgestützte, systematische Beschreiben und Bewerten zu reservieren. Was darunter zu verstehen ist, wird nachfolgend präzisiert.

       2.1 Wissenschaftliche Evaluation statt Alltagsbewertung

      Kromrey (2001) unterscheidet den alltäglichen und den wissenschaftlichen Sprachgebrauch von Evaluation danach, was von wem wie und nach welchen Kriterien bewertet wird. Auf dem Weg zu unserer Definition von Evaluation für dieses Buch gilt es nun, diese und andere relevante Dimensionen zu konkretisieren.

      Wer oder was? – Der Evaluationsgegenstand

      Zunächst ist zu klären, wer oder was evaluiert werden soll. Dies wird als Evaluationsgegenstand bezeichnet.

      Die Menge an potenziellen Evaluationsgegenständen ist beinahe unüberschaubar. Wottawa und Thierau (2003, S.59) nennen «Personen, Umwelt-/Umgebungsfaktoren, Produkte, Techniken/Methoden, Zielvorgaben, Programme, Projekte, Systeme/Strukturen, Forschungsergebnisse/Evaluationsstudien» und haben der Evaluation damit ein bereits sehr breites Tätigkeitsfeld eröffnet. Scriven (1981, S.4) weitet dieses noch aus, indem er jedes Hauptwort eines Wörterbuches zu einem möglichen Evaluationsgegenstand macht: «One can begin at the beginning of a dictionary and go through to the end, and every noun, common or proper, readily calls to mind a context in which evaluation would be appropriate.» Cook und Matt (1990, S.15) bringen es auf den Punkt: «Alles kann evaluiert werden.»

      Wie? – Die Evaluations-methoden

      Entscheidend für die Abgrenzung zur Alltagsbewertung ist, dass die Bestimmung des Wertes (Güte und Tauglichkeit) eines Evaluationsgegenstandes systematisch, umfassend und objektiv durchgeführt werden soll, was folgende Definitionen festhalten:

       «Evaluation: The systematic investigation of the worth or merit of an object»

      (Joint Committee on Standards for Educational Evaluation, 1994, S.3).

       «Good evaluation is the systematic, comprehensive, objective determination of merit or worth»

      (Scriven, 1974, S.23).

      Andere Autorinnen und Autoren gehen einen Schritt weiter und fordern explizit sozialwissenschaftliche Methoden:

       «wissenschaftliche Evaluation nutzt sozialwissenschaftliche Methoden [...]»

      (Döring & Bortz, 2016, S. 979).

      Evaluation, evaluative research und Evaluationsforschung

      Schon früh gab es aber auch Positionen, die mit dem Begriff «Evaluation» einen eher alltäglichen Bewertungsvorgang bezeichneten, ohne die Notwendigkeit, systematisch vorzugehen: «While it implies some logical or rational basis for making such judgments, it does not require any systematic procedures for marshaling and presenting objective evidence to support such judgment. Thus, we retain the term «evaluation» in its more common-sense usage as referring to the general process of assessment or appraisal of value» (Suchman, 1967, S.7). Der Begriff «evaluative research» wurde hingegen reserviert für eine Bewertung, die auf wissenschaftlichen Forschungsmethoden basiert: «‹Evaluative research› on the other hand, will be restricted to the utilization of scientific research methods and techniques for the purpose of making an evaluation» (Suchman, 1967, S.7).

      Dieses Begriffsverständnis wurde auch im deutschsprachigen Raum diskutiert, allerdings eher unter Verwendung des Begriffspaares «Evaluation – Evaluationsforschung» (Wottawa & Thierau, S.13). Eine strikt akademisch wissenschaftliche Vorgehensweise als Evaluationsforschung zu bezeichnen, ist insbesondere in methodisch orientierten Texten anzutreffen (z.B. Döring & Bortz, 2016; Gollwitzer & Jäger, 2014; Häder, 2010). Stufflebeam und Coryn (2014, S.133–172) zählen solche Ansätze zu den «Quasi-Evaluationen», wegen ihrer Verengung bei Evaluationsfragestellungen bzw. methodischen Zugängen: «A quasi-evaluation approach provides direction for performing a high-quality study that is narrow in terms of the scope of questions addressed, the methods employed, or both» (S.133).

      Manches spricht gegen diese Art der Begriffsverwendung. So legen semantisch ähnliche Wortkonstruktionen wie Sozialforschung, Genforschung oder Bildungsforschung keine soziale, genetische oder gebildete Forschung nahe, sondern eine Forschung über Soziales, Gene oder Bildung (vgl. Beywl, 1991; Hense, 2006, S.26). Vermutlich hatte Suchman Ähnliches im Sinn, als er mit «evaluative research» ebenfalls eine Adjektiv-Konstruktion verwendete: «In this sense, ‹evaluative› becomes an adjective specifying a type of research» (Suchman, 1967, S.7).

      Eine explizite Differenzierung zwischen Evaluation und Evaluationsforschung im beschriebenen Sinn ist eher rückläufig, wie an den letzten Auflagen des international

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