Dürnsteiner Würfelspiel. Bernhard Görg

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Dürnsteiner Würfelspiel - Bernhard Görg

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oben angekommen, hatte ihn sofort das Gefühl überkommen, dass sich die Mühe gelohnt hatte. Dabei hätte er gar nicht sagen können, warum.

      Sein Klassenvorstand hatte eine Führung durch die Ruine organisiert. Allerdings mit einem Führer, dem auch ein Halbwüchsiger anmerkte, dass er schon zum neunhundertfünfzigsten Mal den gleichen Text in der gleichen Tonlage herunterleierte. Dennoch hatten die Geschichten vom Rosengärtlein, von dem aus so viele Gefangene in den Tod gestürzt waren, und von den Burgherren, die eine Kette über die Donau gespannt und Handelsschiffe ausgeplündert hatten, die sich darin verfingen, ihre Wirkung auf den kleinen Gerhard nicht verfehlt.

      Die Zeit der Raubrittergeschichten war für ihn allerdings längst vorbei. Ohne dass seine Faszination für die Wachau darunter gelitten hätte. Er fuhr deshalb nicht auf der neuen Brücke im Ostteil von Krems über die Donau. Er entschied sich, bis Mautern südlich der Donau zu bleiben und über die alte Brücke nach Stein und dann weiter in die Wachau zu fahren. Er mochte diese Brücke. Auch wegen ihrer unharmonischen Form. 1945 war sie von den deutschen Truppen, die sich auf dem Rückzug befanden, gesprengt worden. Das hatte ihm vor vielen Jahren ein Kremser Polizeikommandant erzählt. Glücklicherweise war sie wieder aufgebaut worden. Von ihr genoss man einen sagenhaften Blick auf die stromabwärts liegende, viele Jahrhunderte alte Häuserfront von Stein, die dem Namen der Stadt alle Ehre machte. Gleich vier Kirchtürme sprangen dem Betrachter ins Auge. Heute wurden sie von der untergehenden Sonne im Westen angestrahlt wie durch einen Scheinwerfer. Was für ein prachtvoller Anblick!

      Ein paar Minuten später sah er knapp vor Weißenkirchen den Revierinspektor, dem er vor zwanzig Minuten seine ungefähre Ankunftszeit durchgegeben hatte. Er wartete am Straßenrand in Begleitung eines Mannes im Alter von Mitte vierzig. Wahrscheinlich handelte es sich um den Besitzer des Weingartens. Mit einer betont ausladenden Geste bedeutete Frisch dem Chefinspektor, der sich durch seine Lichthupe zu erkennen gegeben hatte, nach rechts einzubiegen. Ohne anzuhalten, fuhr Malzacher bis zum Polizei-Golf, neben dem er einparkte. Er wurde wie ein alter Bekannter von Felix Frisch begrüßt, der ihn dann mit dem Besitzer des Weingartens bekannt machte.

      »Die Kinder des Herrn Nimmervoll habe ich nach Hause geschickt. Ich habe mir von ihnen ihre Geschichte genau erzählen lassen. Meine Kollegin Julia, die mich anfänglich begleitet hat, hat sie zu ihrer Mutter gebracht. Zu viele Leute auf einem Fleck stören nur.« Frisch blickte ganz beflissen auf den stellvertretenden Chef der Mordkommission. Malzacher hatte das Gefühl, dass er sich Lob für seine Umsicht erwartete. Den Gefallen wollte er ihm aber nicht tun.

      »Hätten mich zwar nicht gestört, aber passt schon. Können wir gleich zur Fundstelle gehen?«

      »Selbstverständlich. Wenn es dir recht ist, gehe ich voraus.«

      »Jaja, geh nur.« Malzacher wandte sich im Gehen an Max Nimmervoll. »Seit wann haben Sie diesen Weingarten?«

      »Soweit ich weiß, hat den mein Vater vor circa fünfundzwanzig Jahren gekauft. Er ist einer der ersten gewesen, die hier nach dem Weinskandal auf Qualität gesetzt haben. Hat sich für unsere Familie schwer ausgezahlt. Von der Riede da stammt unser berühmter Urgesteinsriesling. Achtzig Prozent der Flaschen gehen in den Export.«

      Malzacher war nicht sicher, ob die Gesichtsfarbe des Weinbauers auf reichlichen Konsum seines Rieslings zurückzuführen war oder darauf, dass er die letzten Wochen schon viel Zeit im Freien verbracht hatte.

      »Dann werden Sie ja wohl keine Flasche für mich übrig haben. Zum Glück, wegen meines Blutdrucks darf ich ohnehin keinen Alkohol trinken.« Er zwinkerte Max Nimmervoll zu. Der zwinkerte zurück.

      »Da kennen Sie aber meinen Urgesteinsriesling schlecht, Herr Chefinspektor. Der hat sogar blutdrucksenkende Wirkung.«

      Felix Frisch, der schnaufend fünf Meter vor Malzacher ging und sich sichtlich ausgeschlossen fühlte, drehte sich um. »Wir sind gleich da. Noch dreißig Meter.«

      »Da bin ich jetzt aber gespannt.«

      Keine Minute später standen sie vor der ausgehobenen Grube. Malzacher sah mit einem Blick, dass Frischs Einschätzung richtig war. Es handelte sich offensichtlich um das Skelett einer Frau. Einer ziemlich zierlichen Frau sogar.

      »Herr Nimmervoll, Sie sagen, dass sich dieser Weingarten seit fünfundzwanzig Jahren im Familienbesitz befindet. Ist er in diesen fünfundzwanzig Jahren einmal umgegraben worden?«

      »Schon, aber nicht hier am Rand. Da müssen wir allein schon wegen der Steinmauer aufpassen, dass sie uns nicht einstürzt.«

      Frisch beeilte sich, in das Gespräch einzusteigen. »Als gebürtiger Kremser kenne ich mich beim Terrassenweinbau aus. Da muss man beim Graben wegen der Steinmauern höllisch aufpassen.«

      »Das heißt aber, dass die Frau da schon seit hundert Jahren hätte begraben sein können.«

      »Habe ich auch gedacht. Bis mir die Sache mit der künstlichen Hüfte aufgefallen ist. Da, schau her.« Der Revierinspektor zeigte mit sichtlichem Stolz auf einen Abschnitt des Skeletts, der weißer war als die angrenzenden Teile und auch weniger verwittert aussah.

      Malzacher trat näher. »Schaut tatsächlich so aus. Gratuliere. Wer hat denn so auf die Hüfte da draufgehaut? Schaut ja ganz frisch aus.«

      Malzacher merkte, dass Max Nimmervoll einen roten Kopf bekam. »Das ist leider meinem David passiert. Wie er mit der Spitzhacke in den Erdboden geschlagen hat.«

      »Kein Grund zur Aufregung. Obwohl es natürlich schöner gewesen wäre, wenn wir das gute Stück völlig intakt in die Hände bekommen hätten. Dann hätten wir nämlich noch die Kontrollnummer der Prothese erkennen können.«

      Malzacher ging in die Knie, was ihm wegen seines Gewichts ziemlich schwerfiel, und beugte sich über das Skelett. Dann nahm er eine kleine Bürste aus seiner Sakkotasche und begann, sorgfältig die Knochen der linken Hand zu säubern. »Eigenartig. Der linke Ringfinger fehlt. Ich bin kein Pathologe, aber es schaut mir nicht danach aus, als ob der Finger fachgerecht von einem Chirurgen amputiert worden wäre. Soweit man das überhaupt noch feststellen kann.«

      Um aufstehen zu können, war er auf die Hilfe des Revierinspektors angewiesen.

      »Danke.« Jetzt schnaufte auch er. Nachdem er wieder zu Atem gekommen war, sagte er: »Wirklich schlau werde ich aus der Geschichte noch nicht. Ich habe zwar keine Ahnung, wann man zum ersten Mal künstliche Hüften eingesetzt hat, aber allzu lang kann das nicht her sein. Da müssten sich doch noch irgendwelche Reste von Kleidern finden lassen. Gummibänder zum Beispiel. Aber keine Spur davon. Und die Sache mit dem Finger gefällt mir auch nicht. Da könnte ein Ring dran gewesen sein, der sich nicht ohne Gewalt hat entfernen lassen. Ich sage es ungern, aber es bleibt mir gar nichts anderes übrig, als diesen Weingarten vorerst zu einem Tatort zu erklären. Heute können wir hier nichts mehr untersuchen. Dafür wird es bald zu dunkel.«

      Der Weingartenbesitzer unterbrach Malzacher aufgeregt. »Sie werden mir doch nicht den ganzen Weingarten umgraben lassen? Wissen Sie, wie lange es braucht, bis ich dann wieder Trauben auf den Stöcken habe?«

      Felix Frisch stellte sich in Positur. »Dann hätten Sie den Köter Ihrer Tochter in die Donau schmeißen sollen. Wäre für alle Beteiligten ohnehin das Gescheiteste gewesen.«

      Malzacher ertappte sich bei dem Gedanken, dass der Revierinspektor gar nicht so dumm war, wie er immer gedacht hatte, versuchte aber, den Weinbauern zu beruhigen. »Keine Sorge. Mehr als zwei, drei Weinstöcke werden nicht dran glauben müssen. Und ich bin natürlich froh, dass Sie den Hund nicht in der Donau entsorgt haben. Mein Kollege hat nur Spaß gemacht. Das Skelett werde ich abtransportieren lassen.

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