Welche Bildung braucht die Wirtschaft?. Группа авторов

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positiv aufnehme und verstärke, gebe ich ein motivierendes Beispiel.

      Hat dieser Mut zum Widerspruch etwas mit Bildung zu tun? Hat ein gebildeter Mensch mehr Mut?

      Auch eine tolle Frage. Da hilft mir der Begriff des konstruktiven Widerspruchs. Wenn Sie ein stures, dummes und faules Gegenüber haben mit Mut zum Widerspruch, das kann Sie nahezu in den Selbstmord treiben. Einfach nur dagegen … Das hat überhaupt nichts mit Bildung zu tun!

      Aber der Mut zum konstruktiven Widerspruch hat ganz klar etwas mit Bildung zu tun, in einem weiter gefassten Sinne. Natürlich muss jemand Ausbildung und Kompetenz mitbringen, damit er überhaupt eine Meinung einbringen kann, die hilft, Ziele zu erreichen. Aber viel wichtiger ist, dass er gelernt hat, seinen Standpunkt auf die richtige Art und Weise zu artikulieren. So wie die kanaanäische Frau Jesus auf hinreißende Art widerspricht, indem sie sagt: »Ja, Herr, du hast Recht!« (Mk 7,24–30), um ihm dann empathisch und erfolgreich dazu zu bringen, seinen Standpunkt zu ändern. Das hat etwas mit Bildung zu tun! Und auf jeden Fall hilft es, wenn man im Elternhaus und später in der Ausbildung ermutigt wurde und gelernt hat, seinen Standpunkt klar zu machen.

      Also die Fähigkeit, im Dialog seine Position einzunehmen?

      Ja, genau, und zwar ohne dass der andere zumacht!

      Hat das nun auch etwas mit Ethik zu tun? Welche Bedeutung haben ethische Überzeugungen für das Werden eines gebildeten Menschen?

      Wenn man unter Bildung mehr versteht als Ausbildung und Wissensvermittlung, nämlich auch die Fähigkeit zum Verstehen größerer Zusammenhänge und zum Entwickeln der eigenen Meinung, und den Willen, Nutzen zu stiften und im Dialog Standpunkte lösungsorientiert klarzumachen: Dann ist Ethik ein ganz wichtiges Fundament. Es ist zentral, Werte, eine Haltung zu haben, an der sich eine andere Meinung spiegeln kann. Widerspruch muss immer an Ethik gespiegelt werden. Wenn es nur darum geht, eine eigene Meinung durchzupeitschen, hat das nichts mit Werteorientierung für unsere Welt zu tun. Dann kann es sogar gefährlich werden.

      Ethik ist also wie das Rückgrat?

      Ja, genau: schön!

      In welche Aspekte gliedern Sie Bildung?

      Erstens Ausbildung im Sinne von Wissensvermittlung; zweitens die Fähigkeit, sich Ziele zu setzen und diese durch Fokussierung auf das Wesentliche und Strukturierung der erforderlichen Maßnahmen zu erreichen; drittens das, was ich Herzensbildung nenne, die eine Haltung, Werte und Ethik einschließt.

      An der Tagung haben Sie den Akzent auf die Herzensbildung gelegt. Welche Bedeutung geben Sie ihr, wenn Sie Menschen anstellen? Was heißt das dann konkret?

      Das heißt für mich zu spüren, wie die soziale und emotionale Intelligenz ist. Die Fähigkeit zum Dialog; wirklich zuzuhören – also nicht einfach nur Kopfnicken, sondern das verstehende Zuhören, das konstruktive Zuhören, das ganz wichtig ist für Kooperation und Lösungsorientierung. Empfinden, wo Menschen stehen, sie abholen lernen, Menschen für mein Ziel begeistern und im Team und Partnern gegenüber Wertschätzung ausdrücken können. Das heißt nicht immer, alles zu loben! Wertschätzung bedeutet, bewusst und fördernd: Kritik zu äußern und selbst einstecken zu können. Oft beherrschen das sehr einfache Menschen besser, agieren emotional und sozial intelligenter als manche Pseudogebildeten.

      Welche Erfahrungen fördern denn das Wachsen der Herzensbildung? Und welche behindern es?

      Elternhaus und Schule sind sehr entscheidend; der Freundeskreis und das berufliche Umfeld spielen ebenfalls eine große Rolle. Dabei denkt man zunächst nur an die positiven Vorbilder. Sehr viel Herzensbildung entsteht aber gerade auch durch die negativen Beispiele! Es gab viele Situationen, in denen ich sagte: »Genau so würde ich mich verhalten wollen!«, weil ich die handelnden Personen einfach großartig fand. Aber bei Führungskräften, die mit Leuten unmöglich umgegangen sind, hab ich manchmal mehr gelernt als aus den positiven Beispielen – weil ich mir dann immer wieder gesagt habe: »Bitte, so möchte ich nicht werden!« Und natürlich habe ich mich in der Reflexion oft dabei erwischt, dass ich mich genau so verhalten habe und wieder mal in die Falle hineingetappt bin.

      Sie sagten, die Familie sei sehr wichtig, aber auch die Schule. Welche Erfahrungen müsste die Schule, müsste später die Universität möglich machen, damit diese Herzensbildung sozusagen mitwachsen kann im Werden eines jungen Menschen?

      Erst mal geht es um Wissen. Das viel kritisierte sogenannte »Bulimie-Lernen« hat irgendwie immer dazugehört. Man muss halt auch lernen, mit einer großen Menge Wissen und komplexen Situationen umzugehen. Aber spätestens wenn man das Grundwissen hat, wenn es darum geht zu vertiefen, muss man jungen Menschen beibringen, sich immer darüber Gedanken zu machen, warum sie etwas tun, was eigentlich das Ziel ist.

      Ein typisches Beispiel aus der Praxis: Da kommt eine Werkstudentin zu mir, soll eine Präsentation machen und fängt einfach wild an, Bilder zusammenzusuchen, statt sich erst mal zu überlegen: Was will sie erreichen? Will sie die Menschen erschüttern, will sie sie begeistern, will sie sie motivieren? Wen wird sie vor sich sitzen haben? Wie sind diese Menschen drauf, wie ist sie selbst drauf? Sich also erst mal mit dem zu beschäftigen, was hinterher zwischen den Zeilen steht – ich glaube, dass das fast nicht gelehrt wird. Man lernt eben: Gliederung, Problemstellung, Hauptteil, Schluss. Aber nicht so sehr: Was will ich damit eigentlich? Dann muss man auch lernen, strukturiert den Weg zum Ziel zu beschreiben. Dieses Fokussieren ist sehr wichtig. Statt achtzig Sachen gleichzeitig zu machen, sich zu fragen: Was sind die drei bis fünf wirklich wichtigen Dinge? Das hat auch sehr viel mit Disziplin zu tun, getreu dem Wort des großen Pianisten Vladimir Horowitz: »Erfolg ist 95 Prozent Transpiration und 5 Prozent Inspiration …«

      Ein Bildungssystem soll Menschen vermitteln, dass sie sich einbringen können. Dass sie nicht nur ein anonymes kleines Rädchen sind, sondern – um mit Pater Dienberg zu sprechen – dass sie da, wo sie sind, etwas bewirken können. Zum Beispiel, indem sie den Mut haben, konstruktiv zu widersprechen! Dazu gehört die innere Unabhängigkeit – es wäre sehr schön, wenn Bildungsinstitutionen ­Hierarchien relativieren und sagen könnten: »Das sind auch Lernende!« und »Bleib unabhängig!« und »Sag ihnen einfach, was du denkst!«

      Zu Bildungserfahrungen, die so etwas beflügeln können, gehört das Üben. Es gibt Universitäten und Fachhochschulen, wo Studierende als Projektarbeit selbst kleine Unternehmen gründen, in denen Teams miteinander ausprobieren, wie man sich Aufgaben zuordnet, wie man diesen Alltag miteinander »trainiert«. Wenn hier der Mut zum Widerspruch positiv aufgegriffen und konstruktiv zugehört wird, dann könnte das sehr beflügelnd wirken.

      Also auch da wieder eine lebendige Praxis des Dialogs, die das fachliche Wissen wie durchlässig macht …

      Ergänzt, genau.

      … für dieses Ich und Du, das den Standpunkt des Lernenden stärkt und aufbaut.

      »Ergänzt« ist eigentlich sogar zu wenig … das ganze Wissen, das natürlich vermittelt werden muss, sollte eingebettet werden in die Praxis des Dialogs. Indem ich all das, was ich mal als Wissen gelehrt habe, mit den Studierenden ausprobiere. So stell ich mir das vor. »Jetzt machen wir mal Alltag, wir gründen ein kleines Unternehmen … Wer ist der Personalchef?« Da geht es ja schon los! »Wer übernimmt jetzt welche Aufgabe?« Diese kleinen Machtkämpfchen, wie löse ich die jetzt? Wer macht was, wer muss zu welchem Ziel wie beitragen?« Da gibt es ganz tolle Beispiele. Aus solchen Umgebungen kommen die stärksten Werkstudenten und Mitarbeiter.

      Können Sie sagen, was Sie selbst in Ihrem Mut zum Widerspruch bestärkt hat?

      Ich war sehr schüchtern und hatte große Angst vor dem Reden, schon vor dem Telefonieren. Ich habe dann alles, was beflügelnd war,

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