Welche Bildung braucht die Wirtschaft?. Группа авторов

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sehr ermutigt, dass ich es wagte, den nächsten Schritt zu machen.

      Können Sie von einer Situation erzählen, die Ihren Mut zum Widerspruch stark herausgefordert hat?

      Das waren natürlich sehr viele! Es gibt so etwas wie einen roten Faden: Ich fühle mich immer dann herausgefordert, wenn Menschen meiner Meinung nach unfair behandelt werden.

      Da haben wir wieder die Ethik …

      Gerade wenn es um Besetzungsentscheidungen ging. Da geht es ja nicht nur um die Person, die entgegen ihrer Kompetenz ausgewählt wurde. Wenn jemand Falsches auf Führungspositionen gesetzt wird, läuft ja nicht nur er oder sie Gefahr zu scheitern, dann leiden ganze Organisationen. Oder wenn Vorgesetzte, Lehrer oder Professoren Mitarbeiter oder Schüler unfair behandelt haben. Da konnte ich mich meistens nicht bremsen.

      Was macht für Sie einen gebildeten Menschen aus?

      Für mich ist ein gebildeter Mensch jemand, der im Kopf Wissen und Klugheit besitzt, aus dem Herzen heraus den Menschen zugewandt ist und die Gabe hat, seine Talente für alle nutzbringend einzusetzen.

Michael Heim * 1966, Dr. Ing., Coach, Berater, Systemischer Naturtherapeut, studierte in Aachen und Lyon Energie- und Verfahrenstechnik. Bis 2015 Bereichsleiter für Strategisches Produkt-Marketing bei Endress + Hauser. Seit 2016 selbstständiger Berater: www.nature-and-progress.de.

      Reifen, Leisten, Leben – Erfahrungen mit Bologna-Absolventinnen und -Absolventen

      Um meine Erfahrungen mit Absolventinnen und Absolventen eines Studiums nach Inkrafttreten des Bologna-Prozesses und der daraus abgeleiteten Empfehlungen einordnen zu können, möchte ich zunächst meinen eigenen Werdegang offenlegen. Meine Bildungserfahrung ist recht typisch für einen naturwissenschaftlichen Akademiker, der in den 60er-Jahren in Deutschland geboren wurde. Sie ist geprägt von Erfahrungen auf einem humanistischen Gymnasium mit 1400 Schülern in sechszügigen Jahrgängen; von Erfahrungen auf einer Massenuniversität, an der allein im ersten Semester des Maschinenbau-Studiums knapp 1000 fast ausschließlich männliche Studenten sich einen klassischen, angesichts des aufkommenden digitalen Zeitalters teils schon veralteten Kanon einverleibten; von Eindrücken distanziert wirkender Professoren, von denen einige explizit bedauerten, dass es uns zum Medizinstudium ja offensichtlich nicht gereicht hat.

      Aber sie ist auch geprägt von einer herzlichen und interessierten Institutsatmosphäre im Hauptstudium, von einem Erasmus-Programm, das mir in Frankreich eine andere, viel wertgeschätztere Art des Studiums ermöglichte. Und sie ist schließlich geprägt von der Abhängigkeit von einem patriarchalischen Doktorvater, der einen Touch großindustrieller Herrlichkeit in die beschaulichen Hallen des universitären Forschens brachte – im Gegenzug aber standesgemäß seine schützenden Hände über seine Zöglinge hielt und über Drittmittel erstaunliche Kontakte und Projekte umsetzte. Es liegt mir also fern, hinsichtlich unserer Bildungslandschaft von einer guten alten Zeit zu reden. Dennoch gibt es Aspekte des klassischen Studiums zum Diplomingenieur, die mir bewahrenswert erscheinen.

      In meine Reflexionen fließen schließlich 20 Jahre industrielle Praxis ein – in den letzten acht Jahren aus der Perspektive des Verantwortlichen für das strategische Marketing an einem Standort eines erfolgreichen mittelständischen Unternehmens mit rund 14 000 Mitarbeitern weltweit und einem Jahresumsatz von gut 2,5 Milliarden Euro. In diesem Unternehmen hat die Ausbildung einen hohen Stellenwert. Jedes Jahr stellt der von mir referenzierte Standort mit knapp 2000 Mitarbeitern 40 Lehrlinge ein, er unterstützt aktiv 50 Studenten auf unterschiedliche Weise in ihrem Studium und begleitet etwa 70 Bachelor- und Masterarbeiten.

      Erfahrungen

      Aus meiner Perspektive gibt es einige sehr deutliche Beobachtungen bei der Rekrutierung und Beschäftigung von Absolventinnen und Absolventen des Bologna-Systems.

      •Die Bewerberinnen und Bewerber sind in der Regel sehr jung. Viele bewerben sich mit 21 oder 22 Jahren nach abgeschlossenem Studium auf eine erste Festanstellung. Das bedeutet in Deutschland eine drastische Verjüngung um etwa fünf Jahre gegenüber dem früher Üblichen. Dahinter stehen die Verkürzung der Schulzeit von 13 auf 12 Jahre bis zum Abitur (Matur), der Wegfall von Wehr- oder Zivildienst und die Verkürzung der Regelstudienzeiten.

      •Die persönliche Reife der Bewerber – kenntlich an der Fähigkeit zur kritischen Selbststeuerung, dem Umgang mit Hindernissen sowie einer reflektierten Wertebasis – wird in Bewerbungsgesprächen nicht immer offensichtlich und scheint oft auch nicht ausreichend gegeben.

      •Bachelorabsolventen bringen oft kein ausreichend breites Methodenwissen mit, sodass in den ersten Jahren kein selbstständiges, ingenieurmäßiges Arbeiten möglich ist. Der Betreuungsaufwand für diese Absolventen ist dementsprechend hoch. Aus industrieller Sicht ist ein derartiges Nachreifen unrentabel und unerwünscht.

      •Einige Absolventen wirken erstaunlich erfolgsverwöhnt. In Deutschland finden heute 55 Prozent der Schüler einen Platz im Gymnasium (vor 30 Jahren waren es nur rund 30 Prozent), und in vielen Hochschulen und Fachhochschulen werden Studenten heute – ganz anders als vor 30 Jahren – sehr behutsam behandelt. Es mag im Interesse der Hochschulen sein, im internationalen Ranking eine geringe Abbrecherquote auszuweisen. Für die Persönlichkeitsentwicklung ist das aber sicher nicht der Königsweg.

      •Erstaunlich viele Absolventen haben sehr hohe Erwartungen an eine schnelle Karriere. »Nach dem ersten erfolgreichen Projekt wird gerne nach Führungsverantwortung gefragt«, so ein Kollege auf meine Nachfrage nach seinen Erfahrungen in diesem Kontext. Angesichts der oben skizzierten Qualifikationen mag das nicht sehr realistisch sein.

      Bei der Beurteilung der Studienabschlüsse findet sich die Industrie vor neue Herausforderungen gestellt.

      Bedingt durch den Wettbewerb der Hochschulen untereinander ist das Curriculum an den verschiedenen Hochschulen sehr individuell, oft auch sehr ansprechend gestaltet. Die Anzahl der Studiengänge in Deutschland ist – so die statistischen Daten zu Studienangeboten der Hochschulrektorenkonferenz 2015, www.hrk.de – zwischen 2007 und 2015 von gut 11 000 auf 18 000 gestiegen.

      •Diese Diversifikation macht es für Personaler, Ausbilder und Fachvorgesetzte manchmal sehr schwer, die Qualifikation der Bewerber einzuschätzen. Manche Studiengänge vermitteln hochspezialisierte Teilaspekte, deren Anwendbarkeit in der Praxis sehr fraglich ist, etwa wenn ein Studiengang statt auf Grundlagen der Informatik auf ein anwendungsorientiertes Webdesign im neusten Sprachenmix fokussiert.

      •Eine Flut von Bewerbern mit Bestnoten lässt eine wohlwollende Notenvergabe vermuten.

      Firmenspezifische Initiativen

      Um diesen Schwachpunkten entgegenzuwirken und junge Studenten als künftige Mitarbeiter solide und passgenauer auszubilden, bietet unsere Unternehmung in enger Zusammenarbeit mit regionalen Hochschulen zwei Studiengänge an.

      •Mit einer dualen Hochschule wird ein Bachelor in Maschinenbau, Wirtschaftsingenieurwesen und Elektrotechnik angeboten. Die Studierenden arbeiten alternierend drei Monate im Unternehmen und in der Hochschule.

      •Mit anderen Hochschulen wird ein Studium Plus mit integrierter Fachausbildung angeboten. Es ermöglicht eine kompakte Ausbildung zum Elektroniker in der Unternehmung,

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