Welche Bildung braucht die Wirtschaft?. Группа авторов

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      Ein dritter Punkt betrifft die Offenheit der ökonomischen Sprache für die Logik anderer Sprachen. Die wirtschaftliche Sprache kann Worte aus anderen Sprachen übernehmen und ins Zentrum stellen, etwa den »guten Lehrer« bei Ulrich Looser, die »Persönlichkeitsentwicklung« oder den »Widerspruchsgeist« bei Mara Häusler. Aber damit tritt sie noch nicht in das betreffende Phänomen und seine innere Logik ein. In der betriebswirtschaftlichen Sprache, die das zugreifende Handeln und Kontrollieren fokussiert, bleibt die Eigendynamik des geforderten Phänomens verdeckt: ihr Ereignischarakter und der Kontrollverlust, den man zulassen muss, damit die gewünschte Bildung – eintritt? Eben nicht. Nur: eintreten kann. Den guten Lehrer kann kein System effizient herstellen. Und niemand kann die Reife seiner Persönlichkeit gezielt ansteuern. Am Tor dieser Prozesse steht eine Erfahrung der Ohnmacht, eine Öffnung, ein Loslassen. Man kann nur die Bedingungen verbessern, Räume öffnen für Auseinandersetzung, Selbstzweifel, für Lebensphasen ohne sichtbaren Erfolg – möglicherweise ineffizient, horribile dictu, aber tatsächlich: Ohne Hören des Fremden auch in sich selbst, ohne Infragestellen eigener Werte, ohne Konflikt ereignet sich die bildende Beziehung nicht. In die Logik des guten Lehrers tritt die pädagogische Sprache Carl Bossards ein. Leserin und Leser spüren, wie sie sich nicht bruchlos in den Gedankengang Loosers einfügt: denn hier steht die Gegenseitigkeit der Beziehung, nicht mehr die gezielte Intervention eines organisierenden Ichs im Zentrum. Wie die geforderten guten Lehrer zu der Begeisterung kommen, derer sie zwingend bedürfen, um sie vermitteln zu können – ob stark verschulte und verplante Studiengänge mit wenig Raum und Förderung für Distanz und Selbstreflexion diese Fähigkeiten fördern: Darüber kann die ökonomische Sprache nichts sagen, davon versteht sie nichts. Sie handelt vom sinnvollen Umgang mit äußeren Ressourcen, mit Dingen. Der Mensch aber, der Jemand, das Wesen der Gegenseitigkeit steht in einer ganz anderen Logik. Aber – sind nicht Marktbeziehungen genau solche Gegenseitigkeiten? Dieser Einwand würde noch einmal zeigen, wie eine tragfähige Lehrer-Schüler-Beziehung dem ökonomischen Blick entgeht. Sie lebt genau nicht vom berechenbaren Nutzen, sondern vom Vertrauen.

      Eine weitere Frage entzündet sich an der Modularisierung der Studiengänge. Michael Hengartner fordert größere, zusammenhängende Unterrichtseinheiten und ihre stärkere gegenseitige Vernetzung. Jonathan Gardy dagegen beschreibt sein großräumig modularisiertes Studium als Entmündigung. Für Erlösung hat man sich genau im vierten Semester zu interessieren, für die Reformation erst im Master. Hier wird aneinander vorbeigesprochen. Der eine spricht von sachlichen Erfordernissen; der andere von Selbstaktivität, von Freiheit, aus der Sicht von Gesellschaft und Institution also von einem Kontrollverlust. Hengartner spricht von institutionellen Sachzwängen, Gardy von Macht.

      Fragen gibt es also genug! Nun bilde sich der geneigte Leser, die geneigte Leserin selbst – eine eigene Meinung!

      Dank

      Vielen, sehr vielen ist der Herausgeber in Dankbarkeit und Freundschaft verbunden. Allen voran Marielle Hofer, damals im Master Psychologie, die sich mit Feuereifer und unermüdlicher Arbeitsfreude für die Tagung begeisterte. In den zwei Jahren der Vorbereitung war ihr keine Arbeit zu viel, kein Aufwand zu hoch. Ohne Marielle wäre die Tagung nicht zustande gekommen. Niklaus Brantschen SJ, Leiter des Lassalle-Instituts, förderte das Projekt klug und zugewandt, auch mit kritischen Fragen und Einfordern der nächsten Schritte. Prof. Andreas Hack, Direktor des Instituts für Organisation und Personal IOP der Universität Bern, gab dem Vorhaben einen akademischen Ort und finanzierte die Projektassistenz. Auch die Trägerschaft des aki, der Katholischen Hochschulseelsorge in Bern, gab grünes Licht. So konnten wir das ehrgeizige Projekt namens einer Kirche durchführen, der die Lebensbedingungen ihres Milieus nicht gleichgültig sind. Im Zusammenwirken der drei Träger, ihres Knowhows und ihrer Netzwerke wurde Schritt für Schritt ein weit ausgreifender Dialog möglich. Erwin Koller, Begründer und langjähriger Moderator der Sternstunden des Schweizer Fernsehens, gab ihm auf der Tagung mit Engagement, Empathie und Witz eine ansprechende Gestalt.

      Zuverlässig, stets ansprechbereit und wach mitdenkend verwaltete Katharina Schürpf vom Lassalle-Institut die Anmeldungen und Finanzen. Eleanora Erne, Cello, und Benjamin Kieser, Klavier, haben uns wunderbar inspirierte Zwischenräume geschenkt. Die Mitarbeitenden des ZFV Caterings und Urs Rothmayr haben uns mit Berner Spezialitäten freundlich bewirtet. Die Fotos von Basil Schweri und Lea Schlunegger verleihen den Atmosphären der Tagung sensibel Ausdruck. Eberhard von Kuenheim, Sandro Christensen, Mara Häusler, Adriana Hofer und Selina Abächerli haben Foti zur Verfügung gestellt. Franzisca Frania besorgte die Transkription der drei Interviews. Die Geschwister-Mäder-Stiftung, Zürich, hat die Tagung mit einem namhaften Beitrag erst möglich gemacht. Gabriele und Andreas Beuchert im badischen Mosbach haben mit einer großzügigen Spende zur Drucklegung dieses Bandes beigetragen.

      Zahlreiche Studierende ganz verschiedener Fächer haben sich für unsere Tagung engagiert: neben unseren studentischen Autorinnen und Autoren haben André Lourenço (Philosophie), Anja Hufschmid (BWL), Alina Guggenbühl (PH Primarstufe), Bernhard Cerff (Medizin), Florian Möri (Jus), Janine Trachsel (BWL), Marcel Zwyssig (Psychologie), Max Portmann (BWL), Michelle Wyler (Religionswissenschaft), Myrtha Mathis (Biologie), Robin Sheppard (BWL), Samira Frei (Geschichte) und Sebastian Casas (VWL) je an ihrem Ort das Gelingen der Tagung ermöglicht.

      Weitere nahmen teil, dachten und diskutierten mit. Die wache, tätige Beteiligung der etwa 50 Studierenden fiel auf. Während an der Universität viele Dozierende über wenig aktive Mitarbeit klagen, meldeten sich die jungen Leute, sobald sich die Möglichkeit dazu bot, eifrig und konzentriert zu Wort. Es macht lebendig, sich mit den Zielen des eigenen Bildungsweges, des eigenen Werdens auseinanderzusetzen. Vitale Fragen setzen in der Auseinandersetzung Kräfte des Engagements und der Kreativität frei, von deren Existenz der Lernende oft gar nicht wusste. Wer leidenschaftlich fragt, in existenziell betreffenden Fragen, stößt auf neue Kraftquellen. Allen, die solches Fließen zugelassen und so unser Fragen, Hören und Sprechen mitgetragen haben, gilt mein herzlicher Dank!

Thomas Sattelberger * 1949, gehört zu den führenden Personalmanagern Deutschlands. Er begann seine Karriere bei Daimler Benz. 1994 wechselte er zur Lufthansa. Dort gründete er mit der Lufthansa School of Business die erste Corporate University in Deutschland; 1999 wurde er Vorstand Passagiergeschäft. 2003 wurde er Personalvorstand beim Automobilzulieferer Continental, 2007–2012 nahm er dieselbe Position bei der Deutschen Telekom ein. Dort führte er u. a. eine Frauenquote von 30 Prozent im gesamten Führungsteam ein. Sattelberger ist vielfältig engagiert, u. a. als Vorstandsvorsitzender der BDA-/BDI-Initiative MINT Zukunft schaffen. Er kandidiert für die FDP für den Deutschen Bundestag.

      Bildung neu denken – Kreation und Transformation statt Ökonomisierung und Anpassung

      > Interview: Thomas Philipp, Marielle Hofer

      Thomas Sattelberger, seit 40 Jahren sind Sie im Personal- und Bildungswesen tätig und gestalten es in führenden Positionen mit. Wo stehen wir heute?

      In einer ganzen Reihe von Paradigmenwechseln! Was das Thema Demokratie betrifft. Das Thema Migration. Und den Übergang von der Industrie- in die Wissens- und Kreationsgesellschaft. In der Wirtschaft wissen heute viele, dass Kreation angesagt ist, wir aber noch in Strukturen leben, die Effizienz optimieren. In den einzelnen Zellen des Gefängnisses ist das Wissen da, aber das System wird noch nicht geöffnet. Eine schwierige Lage, weil man jetzt beide Systeme nebeneinander fahren müsste! Man kann nicht abrupt umschalten, sondern muss – was

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