Systemische Professionalität und Transaktionsanalyse. Bernd Schmid

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Systemische Professionalität und Transaktionsanalyse - Bernd Schmid

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Wirklichkeitsbeschreibungen sollen so einfach wie möglich, aber so komplex wie nötig sein. Dabei wird die Frage wichtig, zu welchem Zweck in jeder spezifischen Situation die Wirklichkeitsbeschreibung vorgenommen wird.

      Wirklichkeitskonstruktionen werden für Transaktionsanalytiker in der Regel dann wichtig, wenn sie daraus professionelles Handeln ableiten und bestimmte Wirklichkeiten erzeugen wollen. Daher müssen sie selbst und ihr Verständnis von Professionalität bei der Auswahl sinnvoller Wirklichkeitskonstruktionen berücksichtigt werden.

      Hierzu wird die Frage nach dem jeweiligen Kontext, nach den jeweiligen Rollen und dem Professionsverständnis des Handelnden gestellt. Die Frage nach der Wirklichkeit bedeutet unabdingbar die Frage nach dem Beobachter, also dem, der Wirklichkeit konstruiert.

      Um Transaktionsanalyse aus der wirklichkeitskonstruktiven Perspektive zu erschließen, habe ich einige neue Definitionen (SCHMID 1990c) vorgeschlagen:

      1. Transaktionen sind Handlungen, die Realitäten durch Kommunikation mitgestalten. Transaktionen implizieren Annahmen über Wirklichkeiten und können zu Konsequenzen führen, die in Übereinstimmung mit den implizierten Annahmen stehen.

      2. Transaktionsanalyse meint einen professionellen Umgang mit der Gestaltung von Wirklichkeit durch Kommunikation. Ihre Perspektiven sind selbst Gegenstand der Reflexion von Transaktionsanalytikern.

      Für die Perspektive der Wirklichkeitskonstruktion gab es schon früher Ansätze in der Transaktionsanalyse. In der Kathexis-Schule z.B. gibt es die Konzeption des Bezugsrahmens; also eines Ideen-Gebildes, aus dem heraus der Mensch seine Erlebens- und Verhaltensweisen organisiert. Man studiert, aus welchem Bezugsrahmen heraus ein Klient dieses oder jenes Verhalten zeigt. Oft interessiert insbesondere, inwiefern Erleben und Verhalten Wirklichkeitsvorstellungen widerspiegeln, die zu einem eingeengten Realitätsbezug führen. Hier gibt es Konzepte, die es ermöglichen zu fragen, wie Menschen Aspekte der Wirklichkeit innerlich werten oder abwerten. Ob ein Aspekt gewertet werden sollte, ist natürlich Ansichtssache eines Beobachters. Zum Beispiel gibt es ein Analyseschema, welches zu studieren hilft, ob die Nicht-Inanspruchnahme einer Lösungsmöglichkeit darauf beruht, dass der Klient das Problem an sich, die Bedeutung des Problems, die Lösbarkeit eines Problems oder seine persönliche Fähigkeit, etwas zu tun, abwertet. Je nachdem wie diese Einschätzung ausfällt, lassen sich daraus Strategien ableiten, dem Klienten eine angemessene Wertung dieser Aspekte zu ermöglichen.

      Auch gibt es bei SCHIFF (et al. 1975) Begriffe wie Übergeneralisierung oder Überdetaillierung. Mit Übergeneralisierung ist ein Klientenverhalten gemeint, mit dem Probleme dadurch unlösbar gemacht werden, dass Fragestellungen auf zu generelle Schlussfolgerungen zugeschnitten werden, so dass nicht angemessen geklärt und entschieden werden kann.

      Eine Überdetaillierung liegt dann vor, wenn der Klient konkrete Schilderung an konkrete Schilderung reiht, aber nicht bereit ist, daraus allgemeinere Überlegungen und Fragestellungen abzuleiten, aus denen wiederum die konkreten Situationen betrachtet und gesteuert werden könnten. So kann es dazu kommen, dass der Therapeut chronisch die Rolle übernimmt, aus konkreten Schilderungen, Prinzipien abzuleiten, anstatt dem Klienten selbst Überlegungen dazu abzuverlangen, worin das Problem bestehen könnte und welche Schlüsse daraus gezogen werden sollten.

      Aus der Perspektive der Entwicklung werden das Erleben und Verhalten von Menschen als Erscheinungen vergangener, gegenwärtiger und zukünftiger Entwicklungen betrachtet. Dabei kann man aus jeder der drei bisher behandelten Perspektiven (Person, Beziehung, Wirklichkeit) auch auf lebensübergreifende Muster blicken.

      Entwicklungspsychologische Fragestellungen werden in der Tradition der Psychologie meist mit persönlichkeitspsychologischen Konzepten verknüpft. Entwicklungspsychologische Fragestellungen bieten auch Perspektiven für Persönlichkeit, die psychologisch Orientierte – wenn notwendig – berücksichtigen können sollten. Die Gegenwart als Durchgangsstadium in einer Entwicklung zu sehen ist eine spezielle Art, übergreifende Fragen zu stellen. Die Gegenwart wird als aus der Vergangenheit entstanden und auf die Zukunft bezogen konzipiert. Menschliches Erleben und Verhalten in der Gegenwart wird in Bezug auf Vergangenheit und auf sich anbahnende Zukunft interpretiert.

      Manchmal scheint es unerlässlich, das beobachtete Erleben und Verhalten von Menschen in den Kontext ihrer Vergangenheit oder auch einer anstehenden oder zukünftigen Entwicklung zu stellen. Dabei können Entwicklungen vom Individuum ausgehend, aber auch von seinem Umfeld her betrachtet werden.

      In der transaktionsanalytischen Konzeptbildung spielt die Untersuchung gegenwärtiger Erlebens- und Verhaltensweisen im Lichte der Tradition einer Bezugsgruppe (möglicherweise über Generationen hinweg) eine Rolle. Fragestellungen dieser Art könnte man entwicklungsanalytische Fragestellungen nennen.

      Für den psychologischen Zweig entwicklungsanalytischer Fragestellungen (also für die Entwicklungspsychologie) spielen Konzepte der psychosexuellen Entwicklungsprozesse im Kindesalter eine wichtige Rolle. Ebenso zentral sind Konzepte von Entwicklung der Objektbeziehungen (MAHLER 1978), Konzepte der Entwicklung von Identität (ERIKSON 1966) oder andere Konzepte der Entwicklung im Erwachsenenalter. Ein weiteres Beispiel wäre hier die Individuationsbetrachtung von JUNG und seinen Schülern (JUNG et al. 1968). Zu traditionsanalytischen Fragestellungen gehören Konzepte der Mehrgenerationen-Perspektive (z.B. BOSZORMENYI-NAGY/SPARK 1981) der Vermächtnisse, Delegation und transgenerationaler Treuebindung (HELLINGER, in: WEBER 1993), des Episcripting – Weitergabe von problematischen Lebensplänen – (ENGLISH 1976) und Konzepte vom Umgang mit Entwicklungsaufgaben und Schuld und Sühne über Generationen hinweg.

      Je mehr sich die Betrachtungsperspektiven auf den Menschen in außerfamiliären sozialen Systemen verlagern, desto wichtiger werden stärker gesellschaftsorientierte Entwicklungsbetrachtungen. Hier könnten Konzepte bezüglich der Familie im Wandel der gesellschaftlichen Bedingungen (etwa der Fragen koordinierter Berufswegeplanung von Mann und Frau) wichtig werden. Ebenso könnten Konzepte bezüglich professioneller Entwicklung sich als bedeutsam erweisen. Auch können Entwicklungsphasen eines Unternehmens oder der Märkte, in denen es operiert, für das Verständnis der Unternehmenskultur und der darin tätigen Menschen entscheidend sein. Darüber hinaus können Fragen geistiger und spiritueller Entwicklung (z.B. FRANKL, in: LÄNGLE 1986; OUSPENSKY 1966; KÜHLEWIND 1976) für viele Hilfestellungen nutzbringend reflektiert werden.

      Viele Konzepte, die im Rahmen der Transaktionsanalyse entwickelt wurden, kann man unter dem Begriff Skriptanalyse zusammenfassen. Dabei wird von der Idee ausgegangen, dass Menschen – ohne dies bewusst erkannt zu haben – einer Gestaltungsidee bezüglich des eigenen Lebens folgen. Diese Gestaltungsidee ist von BERNE (1986) parallel zu der Metapher des griechischen Dramas als Lebensdrehbuch konzipiert worden. Entsprechend der traditionellen Lehre der Psychoanalyse nahm BERNE an, dass Kinder im Alter zwischen vier und sieben Jahren – geprägt durch ihr Naturell, unter dem Eindruck der erlebten Umweltsituation – Ideen entwickeln und verfestigen, wie das eigene Leben verlaufen wird. In der Organisation des inneren Erlebens, in der Beziehungsgestaltung wie auch in der Konstruktion der eigenen Wirklichkeit würde dann dieses Lebensskript verwirklicht. Die Adler’sche Lebensstilanalyse (z.B. ADLER 1973) hat mit der Skriptanalyse von BERNE viel gemeinsam.

      Unter dem Gesichtspunkt der Lebensskriptanalyse fragen Transaktionsanalytiker auch nach belastenden (traumatischen) Lebenssituationen

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