Systemische Professionalität und Transaktionsanalyse. Bernd Schmid

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Systemische Professionalität und Transaktionsanalyse - Bernd Schmid

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hilft eine geschulte Intuition, Vermutungen über solche Zusammenhänge anzustellen und sie zur Grundlage seiner diagnostischen Annahmen zu machen. Transaktionsanalytiker lernen solche Überlegungen in ihre Kommunikationsstrategien und Beziehungsgestaltungen mit einzubeziehen; was nicht heißt, dass sie ausdrücklich Gesprächsgegenstand werden müssen. Das explizite Wissen und der geschulte intuitive Umgang mit diesem Geschehen dient häufig hauptsächlich dazu, sich in professionellen Situationen möglichst wenig in störenden Kommunikationsbeziehungen zu verfangen. Statt dessen versucht man, den gegenwarts- und zukunftsbezogenen Wirklichkeitsbezug von Klienten sowohl in der Beziehungsgestaltung als auch in der inneren Organisation optimal zu fördern.

      Bei aller Faszination solcher psychologischer Betrachtungen soll nicht vergessen werden, dass sie nur einen Teil der Möglichkeiten abdecken, Beziehungsaspekte und Transaktionen zu beschreiben.

      Bei der Zuordnung und Analyse von Transaktionen kann man verschiedene Funktionsaspekte und ihr Zusammenwirken in der Beziehungsgestaltung betrachten. Häufig interessiert die Ausdrucksqualität einer Äußerung oder die Frage, wozu sie einlädt – unabhängig davon, wie man sich die Zuordnung in einem System von Teilpersönlichkeiten vorstellt. Funktionsbetrachtungen haben ihren eigenen Nutzen und müssen je nach Fragestellungen, die mit ihnen beantwortet werden sollen, ausgewählt werden.

      Sehr verbreitet ist ein ursprünglich mit dem Strukturmodell in Verbindung gebrachtes Unterscheidungsraster, welches fünf Ausdrucksqualitäten und eingenommene Haltungen in der Kommunikation unterscheidet. Man fragt sich, ob eine Transaktion und die ihr möglicherweise zugrunde liegende Haltung erstens als frei und unbefangen oder zweitens als beflissen bzw. rebellisch-angepasst eingeschätzt wird. Drittens werden die als kritischwertend erlebten Transaktionen von denen unterschieden, die viertens als freundlich-fürsorglich empfunden werden. Schließlich gibt es eine fünfte Kategorie, in der keines der vier vorgenannten Merkmale besonders, statt dessen aber Sachlichkeit betont scheint.

      Haltungen und Wirkungen solcher Unterscheidungen werden je nach Notwendigkeit weiter ausdifferenziert, spezifiziert oder verändert. Erstaunlich häufig sind jedoch diese einfachen Grundkategorien für Verhaltensbeschreibungen ausreichend. Man kann z.B. feststellen, dass ein Berater seinen Klienten relativ schlecht erreicht, wenn er ihm mit einer nörglerisch-kritischen Haltung begegnet. Eine solche Haltung kann vom Berater unbemerkt in der Stimme, in der Mimik und Gestik zum Ausdruck kommen, auch wenn der Inhalt anders lautende Botschaften transportiert. Hilfreich für den Berater ist es dann, sich darin zu üben, andere Ausdrucksqualitäten in seiner Kommunikation zu verwenden und damit Beziehungen anders zu gestalten. Dies verbessert oft die Chance, die durch die Inhalte der Äußerungen beabsichtigten Wirkungen auch zu erzielen.

      Persönliche Kommunikation zwischen Menschen ist auch durch den Kontext, in dem sie stattfindet, geprägt. Professionelle Rollen, Positionen und Mandate in der Gesellschaft oder ihren Organisationen zeigen Wirkung. Wirklichkeitsbezüge und Beziehungen haben daher mit Kraftfeldern und Interessengefügen zu tun, innerhalb derer sie oft erst zu verstehen sind.

      Die Selbststeuerung von Rollen- und Positionsinhabern und die entsprechenden Beziehungsgestaltungen können meist nur dann optimal gefördert werden, wenn diese erweiterten Realitätsbezüge berücksichtigt werden. Gegenseitige Intuitionen vermögen sich konstruktiv in den Dienst gesellschaftlicher Rollen zu stellen. Die meisten der bisherigen Ausführungen lassen sich auf das Verständnis der so erweiterten Wirklichkeitsbezüge analog anwenden. Das oben dargestellte Strukturmodell der Persönlichkeit tritt dabei allerdings häufig in den Hintergrund. Stattdessen könnten z.B. Strukturmodelle von Organisationen, Interessengefüge oder die Architektur von gesellschaftlichen Rollen und ihren Bezügen Bedeutung gewinnen. Die private Persönlichkeit bestimmt hier häufig eher eine Tönung des Erlebens und Verhaltens und der Funktionsbezüge, als dass sie von entscheidender Bedeutung wäre.

      Für einige Arbeitszusammenhänge ist es interessanter und für verabredetes professionelles Handeln produktiver, das Erleben und Verhalten eines Menschen gemäß verschiedener Rollen- und Kontextbezüge zu unterscheiden. In unterschiedlichen Rollen und Kontexten denkt, handelt und fühlt man unterschiedlich. Die Wirklichkeitsbezüge sollen und dürfen sich unterscheiden. Nehmen wir z.B. einen Arzt, der als Institutsdirektor, als behandelnder Psychotherapeut und als Privatmensch auf eine Situation trifft. Hier könnten unerkannt Gedanken des Therapeuten und Gefühle des Privatmenschen das Erleben und Verhalten in der Rolle des Institutsdirektors irreführen. Gelegentlich suchen Menschen im Privatleben bei Berufsrollen Zuflucht. Allerdings reagieren wohl die meisten Lebenspartner »allergisch«, wenn sie sich »psychotherapiert« fühlen. Hier muss dann psychotherapeutisches Wissen aus der Berufsrolle herausgelöst und in Privatrollen integriert werden.

      Das Zusammenspiel verschiedener Betrachtungsebenen und der jetzt wieder wichtiger werdenden Inhaltsaspekte der Kommunikation steigern die Komplexität dessen, womit Transaktionsanalytiker professionell umgehen.

      Bei der wirklichkeitskonstruktiven Perspektive geht man davon aus, dass Wirklichkeit nur unter Einbezug der Person, die sie erlebt und beschreibt, sinnvoll dargestellt werden kann. Wirklichkeit ist eine Beziehung zwischen Subjekt und Objekt. Die Zugangsweise zur Welt, die Annahmen darüber, was in ihr vorgefunden werden kann und wie Zusammenhänge herzustellen sind, bestimmen die erlebte und gestaltete Wirklichkeit eines Menschen.

      Wirklichkeit ist also ein aktiv gestalterischer Vorgang, eine innere und äußere Inszenierung anlässlich objektiver Gegebenheiten. Um Wirklichkeitsinszenierungen zu verstehen, lohnt es sich, Drehbücher, Inszenierungsstile und Regieverhalten der Beteiligten zu studieren.

      Schon BERNE soll bei der Begründung seiner theoretischen Grundkonstrukte vor der Überlegung gestanden haben, ob er diese nicht auf dem Begriff der Information aufbauen sollte (ENGLISH, mündliche Mitteilung). Er habe sich jedoch für den in den 60er-Jahren gängigeren Schlüsselbegriff der »psychischen Energie«, also eher für ein biologisches Modell anstatt eines informationstheoretischen Modells entschieden. In der Postmoderne ist sicher ratsam, zumindest ergänzend die Fäden um den Schlüsselbegriff Information weiterzuspinnen.

      Oft wird die Idee der wirklichkeitskonstruktiven Perspektive mit einer beliebigen Relativierung von Wahrheit verwechselt. Die wirklichkeitskonstruktive Perspektive ist jedoch mehr als das. Sie setzt sich konsequent mit der Vielfalt und der Bedeutsamkeit von Wirklichkeit auseinander. Dabei wird vom Schlüsselbegriff der Information ausgegangen.

      Informieren heißt eigentlich: eine Gestalt geben, formen, bilden. Hierzu müssen Kontraste erzeugt werden. Informationen sind Unterschiede, die Unterschiede machen (BATESON 1972). In der Rückblende auf den Beobachter entsteht dadurch die Frage, welches die Kategorien sind, die Unterschiedsbildungen zugrunde liegen. Und welches sind die Kriterien, aufgrund derer bestimmte Unterschiede Unterschiede machen, also bedeutsam sind? Wofür sind Unterscheidungen bedeutsam und welche Ausdifferenzierung der Welt soll mit ihnen vorgenommen werden?

      Eine differenzierte Betrachtungsweise ist dadurch gekennzeichnet, dass aus der Sicht des Beurteilenden vielfältige Unterscheidungen vorgenommen werden. Quantitativ ist das Unterscheidungsproblem jedoch nicht zu lösen, da durch mehr Unterscheidungen der Sachverhalt nur kompliziert wird. Es müssen also solche Unterscheidungen getroffen werden, die bedeutsam sind, damit andere unterlassen oder nivelliert werden können, die für eine bestimmte Betrachtungsweise weniger interessant sind. Dieser Vorgang ist unerlässlich für eine Wahrnehmungssteuerung, die Komplexität angemessen

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