Systemische Personal-, Organisations- und Kulturentwicklung. Bernd Schmid
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Als Mitarbeiter kann es z.B. gegenüber einem Vorgesetzten nützlich sein,
• freundlich vieles im Kleinen zu tun, anstatt den großen Konflikt zu provozieren;
• sich nicht zu weigern, einer unsinnigen Anweisung Folge zu leisten, sondern das Weisungsrecht zu respektieren, dabei aber deutlich zu machen, dass man nicht selbst, sondern der Anweisende die Folgen zu verantworten hat. Das hindert viele Vorgesetzte daran, etwas, was sie selbst nicht verantworten wollen, einem anderen zuzumuten. Hier spielt oft eine für Organisationen ungeeignete Vorstellung von Beziehungstreue mit. Statt Loyalität auf Personen unabhängig von ihrem Verhalten zu richten, sollte Loyalität einer bestimmten Verantwortungskultur gelten und jeden einbeziehen, der sich an ihr orientiert.
Man könnte also in der Konfrontation der Vorgesetzten eine Loyalität gegenüber der Führungsbeziehung und dem ganzen Unternehmen sehen, und nicht zuletzt eine Motivationshilfe, die Verantwortliche manchmal brauchen. Angesichts anderer Prioritäten fällt es ihnen oft schwer, aus Einsicht und Selbstdisziplin alle Verantwortlichkeiten zu pflegen oder Verantwortungsdialoge wichtig zu nehmen. Da kann es hilfreich sein, wenn es wegen wiederholter Konfrontationen bequemer wird, sich zu kümmern, als Verantwortung zu vermeiden. Nicht selten stärkt dies im Nachhinein die Würde der Verantwortlichen und die Zufriedenheit in den Beziehungen.
2.4.3 Selbstcheck zur Klärung von Verantwortungsstörungen
• Anerkennen des Unbehagens: Zuallererst stellt sich die Frage: Wohin gehört das Unbehagen?
• Verorten des Unbehagens: Worin besteht das Unbehagen? Auf welche Unklarheiten und Fragen verweist das Unbehagen? Hat es mit Verantwortungsstörungen zu tun?
• Verbindung mit Verantwortung herstellen: Wer hat welche Verantwortung bezogen auf das, was Unbehagen erzeugt? Wer müsste auf ungeklärte Fragen Antworten geben? Das Unbehagen muss in Verantwortungsdefinitionen umgewandelt werden. Um welche Dimensionen von Verantwortung geht es?
• Reflektieren der Beweggründe: Was sind möglich Beweggründe für Verantwortungsvermeidung? Worüber sollte mit wem gesprochen werden?
• Selbsthilfestrategie definieren: Notfalls müssen auch einseitige Maßnahmen zum Selbstschutz ergriffen werden, damit das Unbehagen nicht bei den Falschen hängen bleibt. Gibt es diese Möglichkeit? Zu welchem Preis?
• Die Übertragung von Unbehagen zu Verantwortlichen planen: Dies klingt ein bisschen vermessen, insbesondere, wenn die Verantwortlichen schwer erreichbar sind und viel mehr Macht haben. Dennoch ist es wichtig, zumindest Drehbücher für solche Inszenierungen schreiben zu können.
2.5 Die Arbeit an einer Verantwortungskultur
Es gilt in Unternehmen letztendlich die Fähigkeit zu entwickeln, durch geeignete Kommunikation angemessen in Verantwortung einzuladen. Dabei kann es in vielen Fällen schon sehr hilfreich sein, einzufordern, dass ein unklarer Auftrag genau definiert wird, resp. bei Fehlverhalten eines Mitarbeiters nachzuprüfen, wie dieser seinen Auftrag verstanden hat. Wie Einladungen, in die Verantwortung zu gehen, wirkungsvoll gestaltet werden können, hängt einerseits von der Form der symbiotischen Einladung und andererseits von der Organisationsbeziehung zwischen den beteiligten Personen ab.
Je nach Organisationsbeziehung muss die Verantwortungsübernahme unterschiedlich inszeniert werden. Verantwortungsdialog ist oft kein herrschaftsfreier Diskurs, sondern findet auch zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern statt. Hier ist dem Unterschied Rechnung zu tragen, dass der Vorgesetzte im Organisationsrahmen Definitionsrecht und -pflicht hat und seine Definitionen auch verantworten muss. Dann geht es nicht um eine gleichberechtigte Konkurrenz der Ideen, sondern um Lenkung und auch um den Schutz eines Mitarbeiters vor Folgen, für die er keine Verantwortung übernehmen kann und will. Dies beinhaltet natürlich wiederum das Recht des Vorgesetzten, einen Mitarbeiter aus der Verantwortung und eben auch aus der Funktion zu nehmen, wenn dieser sich seinen Verantwortungsvorstellungen nicht anschließen kann.
8.1.2 Machtdimensionen und die Wirkungsweisen von Macht erkennen
2.6 (Berater-) Haltungen zur Förderung einer Verantwortungskultur
Man kann letztlich auch in Sachen Verantwortungskultur nichts erzwingen. Jede Konfrontation sollte von den systemischen Haltungen der Bescheidenheit, der Würdigung anderer sowie der Ressourcen- und Lösungsorientierung getragen werden. Insbesondere für Berater ist es bedeutsam, sich in diesen Dimensionen gut wahrzunehmen. Berater neigen oft dazu, in »Retterpositionen« zu gehen und damit Unbehagen, das bei ihren Klienten vorhanden ist, unbewusst zu ihrem eigenen zu machen.
Die Wahrnehmung von Unbehagen im Beratungsprozess sollte deshalb immer als Indiz dafür geprüft werden,
• ob eigentlich klar ist, worum es gerade geht und
• in welcher Verantwortung Klient und Berater darauf bezogen stehen.
Damit können unterschiedliche Formen der Verantwortungsvermeidung oder Fehlübernahme bei sich und anderen wahrgenommen sowie Rollen und Inszenierungen im Sinne verantwortlichen Handelns gestaltet werden.
Manchmal leben auch Unbehagensträger und Verantwortliche in getrennten Welten (z.B. Treibhausgasproduzenten und Hochwasseropfer). Hier braucht es systemisches Bewusstsein und den Mut, für Nicht-Handlungsfähige einzutreten und in die Sphären derer, die in Verantwortung zu nehmen sind, Einlass zu suchen. Und gelegentlich sind drastische Maßnahmen wie Kündigung, öffentliche Distanzierung, Klage auf Schadenersatz u.ä. notwendig, um Maßstäben zur Durchsetzung zu verhelfen.
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