Systemische Personal-, Organisations- und Kulturentwicklung. Bernd Schmid

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Systemische Personal-, Organisations- und Kulturentwicklung - Bernd Schmid

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der Sicherheitsbeauftragte eines Chemieunternehmens die Verantwortung für die Sicherstellung der Funktionstüchtigkeit von zehn Sicherheitsstufen. Er hat bezüglich jeder Sicherheitsstufe bestimmte Verantwortungen (z.B. Qualitätssicherung für Notfallprozeduren).

      • Verantwortung bezüglich der Schlüssigkeit des Verantwortungssystems: Ein Funktionsträger ist mitverantwortlich für die Konfiguration des gesamten Verantwortungssystems bezogen auf seine Funktion.

      Beispiel: Im Laufe eines mehrjährigen Reorganisationsprozesses werden im Sicherheitskonzept des Unternehmens aus Kostengründen Sicherheitsstufen gestrichen. Dies muss Anlass sein, mit anderen im Unternehmen in einen Verantwortungsdialog einzutreten. Wenn der Sicherheitsverantwortliche seine Verantwortung nicht mehr wahrnehmen kann, ist es seine Pflicht, daraus Konsequenzen zu ziehen. Wenn er dies z.B. aus Existenzängsten nicht tut, gefährdet er sich und die Vitalität seines Unternehmens.

      2.2 Symbiosen als wesentliche Störungen im Verantwortungssystem

      Wenn Verantwortungen in einem System nicht wahrgenommen werden, entstehen leicht sog. dysfunktionale Symbiosen (SCHIFF u.a. 1975). Während in der Natur auch Symbiosen als natürliche Zweckgemeinschaften bekannt sind, die für alle Beteiligten Nutzen stiften, schädigen dysfunktionale Symbiosen die eigenen Lebensinteressen und/oder das umgebende Lebensmilieu. Für die Beteiligten selbst stellen sie – meist unbewusst – ein scheinbar »gutes Geschäft« dar, führen aber letztlich zu einer Beeinträchtigung von Gesundheit und Wohlbefinden. Zwischen sich und anderen bestehende dysfunktionale Symbiosen zu erkennen und damit sinnvoll umgehen zu können, ist daher ein zentraler Schritt in Richtung des Lebens einer als passend erlebten Verantwortungskultur.

      Wir definieren symbiotische Beziehungen in zwei Dimensionen komplementär:

      Dysfunktionale symbiotische Beziehungen sind solche,

      • in denen Verantwortung nicht wahrgenommen oder verschoben wird, oder in denen das daraus entstehende Unbehagen verschoben wird;

      • in denen Potenziale nicht aktiviert oder nicht entwickelt werden.

       2.2.1 Entstehung und Funktion von Symbiosen

      1. Nicht-Übernahme von Verantwortung: Der Ausgangspunkt des symbiotischen Prozesses besteht darin, dass jemand (Person A) eine mit seiner Funktion verbundene Verantwortung aus irgendwelchen Gründen nicht wahrnimmt. Dadurch wird im System ein Unbehagen erzeugt.

      Die PE-Abteilung des Unternehmens, welches sich im Reorganisationsprozess befindet, müsste sich eigentlich angesichts neuer Anforderungen und knapper Ressourcen neu positionieren. Während der Vorgesetzte den wachsenden (aber noch ungerichteten) Druck von verschiedenen Seiten an die Mitarbeiter weitergibt, ohne sich grundlegenden strategischen Fragen zu stellen (was Teil seiner Führungsverantwortung ist), gerät das Team angesichts knapper werdender Ressourcen zunehmend in Konfliktsituationen und in Streit über die »richtige« PE-Arbeit.

      2. Verschiebung des Unbehagens: Die Nichtübernahme von Verantwortung bewirkt im System eine Verschiebung des Unbehagens an eine andere Stelle. Eigentlich sollte der Verantwortliche (oder andere Beteiligte) das wachsende Unbehagen als Gelegenheit wahrnehmen, über (seine) Verantwortung (evtl. mit anderen) nachzudenken. Wenn diese Verantwortung nicht wahrgenommen wird, entsteht durch die Verschiebung des Unbehagens folgendes Phänomen:

      3. Einladung in die Symbiose: Andere beteiligte Personen lassen sich von der unbewussten »Einladung« von A dazu »veranlassen«, selbst ihnen nicht angemessene Verantwortung zu übernehmen. Damit treten sie zusammen mit dem Verantwortlichen in die dysfunktionale Symbiose ein. Ein wirksamer Verantwortungsdialog wird vermieden, um Konfrontation zu vermeiden und/oder um eigene »Vorteile« zu schützen.

      Ein Mitarbeiter aus der PE-Abteilung, der sich schon immer für mehr Zusammenarbeit ausgesprochen hat, nimmt das Unbehagen wahr und versucht verschiedene Formen des strategischen Dialogs anzuregen. Schließlich beauftragt der Vorgesetzte auf sein Drängen hin einen Berater damit, das Team in strategischen Fragen zu beraten. In einem Zwei-Tage-Workshop wird die Situation analysiert, erste Lösungsansätze entwickelt und es werden Arbeitsgruppen vereinbart. Da der Vorgesetzte dafür jedoch keine Beiträge leistet, insbesondere die Spielräume und Anforderungen der Organisationsumwelt nicht vertritt und verantwortet und auch danach wenig Interesse daran zeigt, sich und den Bereich umzusteuern, bleiben die Arbeitsgruppen weitgehend wirkungslos. Dawird beiauch wirksam, dass das weitere Team größtenteils nur wenig Interesse an Veränderungen hat, da ihnen wenig einsichtig ist, weshalb sie traditionelle Freiheitsgrade zugunsten gemeinsamer strategischer Absprachen aufgeben sollten. Vielleicht spielen die externen Berater letztlich auch noch mit, wenn sie immer wieder Aufträge abarbeiten, ohne dass sich an den entscheidenden Stellen etwas tut.

      Wenn eine Person B Verantwortung übernimmt, die einer Person A zukommt und für die A vielleicht autorisiert oder verpflichtet ist, trägt B damit dazu bei, dass das System in seiner Dysfunktionalität aufrechterhalten und stabilisiert wird. Wenn jemand durch sein Verhalten (im Beispiel der Vorgesetzte) zur Symbiose einlädt, gibt es fast immer jemanden (im Beispiel der interne PE-Berater), der die »heiße Kartoffel« aufnimmt, ohne die Passivität zu konfrontieren.

       2.2.2 Hintergründe für symbiotische Prozesse

      Folgende Zusammenhänge für die Entstehung und Aufrechterhaltung von Symbiosen können aufgezählt werden:

      • Unklarheit und Veränderung: Symbiosen entstehen oft einfach, weil jemandem sein Beitrag unklar ist oder seine bewährten Vorstellungen angesichts neuartiger Herausforderungen ihre Gültigkeit verloren haben.

      • Konfliktscheue: In der Frühphase werden positiv kritische Gespräche verschleppt. In unserem Kulturkreis neigt man entweder dazu, sich gegenseitig aus Furcht vor emotionalen Verwicklungen unangemessen zu schonen, oder (»wenn das Fass voll ist«) übermäßig oder verletzend zu kritisieren.

      • Opportunismus: Gelegentlich ist in symbiotischen Prozessen auch Opportunismus im Spiel. Die Nicht-Übernahme von Verantwortung oder das Ertragen von Unbehagen ist oftmals mit symbiotischen Kompensationsgeschäften verbunden. Eigene Verantwortung wird auf Kosten von Unbehagen beim Gegenüber oder bei Dritten vernachlässigt. Gemeinsam werden weitere Personen in die Verwaltung von Verantwortungsmängeln oder in das Ertragen der Folgen einbezogen.

      Beispiel: »Ich (als dein Mitarbeiter) verlange von dir als Führungskraft nicht, dass du Prioritäten klar machst, rechtzeitig planst und Strategien mit deinen Vorgesetzten abstimmst, ... Dafür schaust du mir nicht auf die Finger, ob die Qualität meinen Kunden gegenüber stimmt bzw. duldest, dass ich die fehlende Prioritätenklarheit als Ausrede benutze, wenn ich meine Arbeit nicht effektiv organisiere. Gemeinsam kümmern wir uns nicht um die Probleme, die für andere daraus erwachsen.

      • »Naives« Engagement: Wenn z.B. Menschen durch Veränderungen überfordert sind und Lücken hinterlassen, sind oft andere da, die in naivem Engagement und Begeisterung solche Lücken unangemessen zu füllen versuchen. Ein Vorstandsassistent könnte z.B. versucht sein, gegenüber einem anderen Vorstand etwas durchzusetzen, weil sein eigener Chef den Konflikt mit dem Kollegen meidet. Dies kann gelingen und durchaus eine Lösung sein, wenn es gewollt ist und im Konfliktfall fair gehandhabt wird. Doch wird es dysfunktional, wenn der Vorstandsassistent einer falsch verstandenen Loyalität folgt, während der Vorstand die Größe der anstehenden Aufgabe nicht erkennt oder an untaugliche Lösungen, Qualifikationen und Zuständigkeiten

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